Berlin. Die Regierung will Bafög reformieren. Geplant: Mehr Leistung, einfachere Anträge, höheres Bezugsalter. Mehr sollen davon profitieren.
Eine Institution der deutschen Bildungspolitik soll überholt werden, und das schnell: Das Bundesbildungsministerium will eine geplante Bafög-Reform noch vor dem Wintersemester umsetzen. Das geht aus einem Entwurf zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes hervor – so der offizielle Name des Bafögs –, der unserer Redaktion vorliegt. Mit einer Reihe von Neuerungen sollen demnach bald mehr Menschen finanzielle Unterstützung für eine Ausbildung oder ein Studium bekommen können.
Der Zugang zur Ausbildungsförderung durch den Staat soll „wieder für deutlich breitere Schichten der Bevölkerung geöffnet werden“, wie es in dem Entwurf heißt. Finanzielle Hürden zur Bildungsbeteiligung sollen so weit ausgeglichen werden, „dass sie nicht länger als unüberwindbar empfunden werden“.
Konkret heißt das unter anderem: Mehr Geld für Studierende, die Bafög beziehen. Der sogenannte Bedarfssatz wird um rund fünf Prozent angehoben, von 427 auf 449 Euro im Monat. Noch deutlicher steigt die Unterstützung für die Miete: Wer nicht bei seinen Eltern wohnt, soll künftig 360 statt 325 Euro für die Unterkunft erhalten, was einer Erhöhung des Satzes von etwa 10 Prozent entspricht.
Bafög: Altersgrenze wird nach oben verschoben
Auch Schüler und Schülerinnen, die Bafög beziehen, sollen demnach künftig mehr Geld bekommen. Auszubildende zum Beispiel, die nicht mehr bei ihren Eltern wohnen und eine Abendschule besuchen, können demnach bald mit 731 Euro statt bislang 681 Euro rechnen. Studierende mit Kindern würden nach diesem Entwurf 160 Euro statt bisher 150 Euro Kinderzuschlag erhalten. Die Anhebungen sind eine Reaktion auf steigende Lebenshaltungskosten.
Auch den Kreis derer, die überhaupt die Förderung in Anspruch nehmen können, will Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) erweitern. Die Altersgrenze von 30 Jahren, die bisher in den meisten Fällen gilt, will sie deutlich nach oben setzen, auf 45 Jahre. Im Entwurf heißt es, man wolle damit „neuen Bildungsbiografien“ Rechnung tragen, „die nicht mehr so einheitlich ablaufen wie früher und auch die Aufnahme eines Studiums erst in späteren Lebensabschnitten beinhalten können“.
Weil Studierende, die ihr Studium nicht direkt nach der Schule beginnen, oft schon einige Jahre gearbeitet und Geld gespart haben, soll zudem gleichzeitig der Vermögensfreibetrag nach oben angepasst werden, auf 45.000 Euro. Die Einkommensfreibeträge für Eltern würden nach diesem Entwurf ebenfalls steigen: Statt wie bisher ab 2000 Euro soll das Einkommen von verheirateten Elternteilen künftig erst ab 2400 Euro auf den Bafög-Anspruch des Kindes angerechnet werden.
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Auch Studium im Ausland soll gefördert werden
Anders als bisher sollen außerdem auch einjährige Studiengänge gefördert werden, die komplett im Ausland stattfinden, etwa Master-Studiengänge auch in Nicht-EU-Staaten. Und es soll einfacher werden, die Förderung zu beantragen: Das geht zwar schon jetzt online, muss aber mit einer Unterschrift bestätigt werden. Diese Anforderung soll jetzt wegfallen.
SPD, Grüne und FDP hatten sich die Reform der Ausbildungsförderung in ihrem Koalitionsvertrag zum Ziel gesetzt. Unter anderem höhere Altersgrenzen und Bedarfssätze, wie sie jetzt geplant sind, waren dort schon als konkrete Maßnahmen genannt.
Bafög erreicht nur noch einen kleinen Teil der Studierenden
Hintergrund sind die sinkenden Zahlen der Förderungsempfänger: Das Bafög, nach seiner Einführung 1971 als Erfolgsmodell gefeiert, erreicht inzwischen nur noch einen kleinen Teil der Studierenden. Nach einem Höchststand von 979.000 Bafög-Empfängern 2012 (einschließlich Schüler-Bafög) ist die Zahl kontinuierlich gesunken.
2020 wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamts nur noch 639.000 Menschen unterstützt. „Zuletzt wurden nur noch 18,5 Prozent der Anspruchsberechtigten gefördert, das ist knapp jeder Fünfte“, sagte Stark-Watzinger dieser Redaktion vor Weihnachten. „Mit Blick auf die Gesamtzahl der Studierenden ist das bitter.“
Den Negativtrend will die Ampelkoalition drehen. Nicht alles, was der Koalitionsvertrag zum Bafög vorsieht, findet sich in diesem Gesetzentwurf. Eine Absenkung des Darlehensanteils etwa und eine Studienstarthilfe für junge Menschen aus Familien mit geringen Einkommen fehlen bislang. Doch auch diese soll bald kommen, das hatte Ministerin Stark-Watzinger (FDP) im Dezember angekündigt. Mit der Starthilfe sollen zum Beispiel größere finanzielle Investitionen zu Beginn eines Studiums möglich gemacht werden wie die Anschaffung eines Laptops.
Die ersten Änderungen sollen zügig umgesetzt werden. Der Referentenentwurf ging am Donnerstag zur Koordinierung ans Kanzleramt. Anschließend soll die Abstimmung unter den Ressorts und ein Kabinettsbeschluss folgen.
Damit die Änderungen vor dem kommenden Wintersemester am 1. August in Kraft treten können, sollen sie schon am 6. April im Kabinett beschlossen werden.