Paris. Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron setzen in Paris auf Einigkeit – doch es gibt auch Differenzen.
Der Empfang in Paris ist herzlich. „Lieber Olaf“, begrüßt der französische Präsident Emmanuel Macron den neuen deutschen Bundeskanzler. „Ich danke dir für deinen Besuch.“ Macron beschwört die gemeinsamen Werte und erinnert an die gute und enge Zusammenarbeit, die er mit Vorgängerin Angela Merkel gepflegt habe. „Das war sehr effizient. Und ich denke, wir werden das fortsetzen“, sagt Macron, der sich betont charmant gibt.
Olaf Scholz gibt die Komplimente zurück und hebt ebenfalls die Bedeutung der deutsch-französischen Freundschaft hervor. Beide bemühen sich, so kurz nach Scholz’ Aufstieg in die erste Reihe der Weltpolitik möglichen Konflikten keinen Raum zu geben.
Scholz hatte bereits im Wahlkampf angekündigt, dass ihn seine erste Auslandsreise nach Paris führen werde, wie er in Paris noch einmal betont. Er folgt damit dem Beispiel seiner Vorgängerin. Mit dem Besuch in der französischen Hauptstadt nur zwei Tage nach seinem Amtsantritt demonstriert der Sozialdemokrat, dass auch diese Bundesregierung die deutsch-französische Freundschaft als Grundpfeiler ihres außenpolitischen Verständnisses versteht.
Vor der Kulisse eines mit goldenen und blauen Kugeln geschmückten Weihnachtsbaums empfängt Macron seinen neuen Partner im Hof des Élysée-Palasts mit militärischen Ehren. Zunächst ziehen sich die beiden Männer zum Gespräch unter vier Augen ins Büro des Präsidenten zurück. Danach setzen sie sich gemeinsam mit ihren Beratern bei Lammkotelett, Gemüse und „Kartoffeln Élysée“ zu einem Arbeitsmittagessen zusammen. Dabei seien nicht nur Höflichkeiten ausgetauscht, sondern die ganze Palette gemeinsamer Themen besprochen worden, heißt es im Anschluss.
Auf Frankreich kommt im ersten Halbjahr 2022 eine besondere Rolle in Europa zu: Das Land übernimmt am 1. Januar die EU-Ratspräsidentschaft und hat dadurch die Chance, die Beschlüsse der Mitgliedstaaten zu prägen.
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Es drohen ernste Meinungsverschiedenheiten zwischen Paris und Berlin. Frankreich setzt weiter auf die Atomkraft und fordert, diese als nachhaltig einzustufen. Das lehnen die Grünen ab, wie Bundesaußenministerin Annalena Baerbock am Vortag bei ihrem Antrittsbesuch in Paris betonte. Macron hat zudem einen Vorstoß angekündigt, die strikten EU-Regeln zur Staatsverschuldung zu lockern. Er argumentiert mit den hohen Ausgaben der europäischen Staaten infolge der Corona-Pandemie. Das ist für die FDP ein rotes Tuch.
Als Scholz später bei der gemeinsamen Pressekonferenz nach dem Konflikt um die Atomkraft gefragt wird, spielt er die Bedeutung des Vorhabens herunter. „Na ja“, sagt der Kanzler. Dies sei vor allem wichtig für Finanzinvestoren.
Deutlicher werden die unterschiedlichen Ansichten in Paris und Berlin beim Thema EU-Finanzen. Macron bekräftigt seinen Wunsch, die Haushaltsregeln aufzuweichen, um Zukunftsinvestitionen zu ermöglichen. „Hier muss man pragmatisch vorgehen“, findet Macron. Scholz betont lediglich, die anstehenden Aufgaben müssten im Rahmen der „geltenden Regeln“ des Stabilitäts- und Wachstumspakts bewältigt werden.
Warschau ist die nächste Station für Scholz
Einig zeigen sich beide bei dem durch Russland befeuerten Konflikt in der Ostukraine. „Die Situation an der ukrainischen Grenze sehen wir alle mit Sorge“, sagt Scholz. Wie Macron betont der Kanzler, dass Grenzen nicht angetastet werden dürften. Sie loben die Initiative von US-Präsident Joe Biden zum Dialog mit Russlands Staatschef Wladimir Putin, heben zugleich aber die Bedeutung des Normandie-Formats hervor.
In der Runde bemühen sich Deutschland und Frankreich, in Gesprächen mit Russland und der Ukraine den Konflikt vor den Türen der EU friedlich zu lösen. In der Debatte um einen diplomatischen Boykott der Olympischen Spiele in China wollen sich Scholz und Macron mit den europäischen Partnern abstimmen.
Der Ukraine-Konflikt begleitet Scholz nach Brüssel, wohin er von Paris weiterfliegt, um EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen zu treffen. „Wir erwarten, dass Russland deeskaliert und jegliche Aggression gegenüber seinen Nachbarn unterlässt“, sagt von der Leyen bei einer Pressekonferenz mit Scholz. Andernfalls sei die EU zu neuen Sanktionen bereit: „Aggression muss ein Preisschild haben.“ Die Spannungen im Osten der EU dürften auch Thema werden, wenn Scholz am Sonntag Polen besucht.