Berlin. Bund und Länder halten sich Corona-Verschärfungen für Weihnachten offen - darunter können auch Einschränkungen für Geimpfte fallen.

Wird die Omikron-Variante eine fünfte Welle auslösen? Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Je mehr Menschen geboostert sind, desto besser kommt das Land durch den Winter. Der neue Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) setzt deswegen vor allem auf die dritte Impfdosis: „Wir werden so lange boostern und impfen, bis wir die Pandemie zu Ende gebracht haben.“ Die Impfung sei nur abgeschlossen, wenn man dreimal geimpft wurde. Das sei die neue Realität, um vor Omikron einigermaßen geschützt zu sein. Wie gut aber sind Bund und Länder auf den Omikron Winter vorbereitet?

Am späten Donnerstagnachmittag traf sich der neue Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Regierungschefinnen und -chefs der Länder zur ersten Videoschalte nach der Amtsübernahme der Ampelregierung. Sie fällt in eine heikle Phase der Pandemie – nicht nur wegen Omikron: Dramatische Inzidenzen, überlastete Kliniken – und wochenlanger Streit über Maßnahmen, der kostbare Zeit gekostet hat. Jetzt wird an vielen Stellen nachgeschärft, doch bis härtere Regeln greifen, dauert es.

Gibt es Notfallpläne wegen der Omikron-Variante?

Bislang nicht. Scholz betonte aber im Anschuss an die Beratungen, die Politik beobachte Entwicklung und Ausbreitung von Omikron sehr auf merksam. Es sei „wichtig, den Moment nicht zu verpassen, in dem wir konsequent was machen, weil wir neue Einsichten haben“. Es gehe darum, schnell und entschlossen zu handeln, wenn es notwendig sei. Auch der Vorsitzende der Ministe präsidentenkonferenz, Nordrhein Westfalens Regierungschef Hendrik Wüst (CDU), mahnte, die Lage eng im Blick zu halten. Es könne sein, dass die derzeitigen Pandemie-Maßnahmen nicht ausreichten, wenn sich Omikron ausbreite. Konkrete Corona-Beschüsse fassten Bund und Länder am Donnerstag zwar nicht. Jedoch sind sie sich einig, dass das Infektionsschutzgesetz nachgebessert werden muss. So wollen Bundestag und Bundesrat am Freitag Änderungen beschließen, die es den Ländern zum Beispiel wieder ermöglichen, Restaurants und Kneipen flächendeckend zu schließen.

Was sagen Fachleute zu den Infektionszahlen?

Experten drängen ebenfalls auf mehr Handlungsspielraum für die Länder: Michael Meyer-Hermann, Immunologe vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung an der TU Braunschweig, sagte, es müsse einen Notfallplan geben, der sehr schnell aktiviert werden könne, wenn sich die Omikron-Variante ausbreite. Kai Nagel, Informatiker von der TU Berlin, erklärte, nach ersten Erkenntnissen vervierfachten sich die Infektionszahlen mit der Omikron-Variante binnen einer Woche. Dies betreffe dann auch die Patientenzahlen für die Kliniken. „Wir haben keine Zeit, wenn das so kommt“, sagte Nagel. Die Maßnahmen müssten rasch in Kraft gesetzt werden können.

Ist das Impftempo in Deutschland hoch genug?

Das Tempo bei den Booster-Impfungen zieht an. Doch ob es rein logistisch gelingt, 30 Millionen Menschen bis zum Jahresende zu versorgen, ist offen. Das Problem: Zwei Impfungen scheinen nach allem, was man bislang weiß, kaum gegen eine Infektion mit der Omikron-Variante zu schützen. Das heißt im Umkehrschluss: Diejenigen, die noch nicht geboostert sind, etwa weil sie noch nicht an der Reihe waren oder keinen Termin bekommen hatten, können sich relativ leicht anstecken und das Virus weitergeben. Das gilt im Prinzip auch für Millionen Kinder und Jugendliche, die zum Teil jetzt erst geimpft werden können: Ab kommendem Montag starten die Impfungen für Kinder zwischen fünf und elf Jahren. Bis diese Gruppe nicht nur zweimal, sondern (als Schutz gegen Omikron) auch dreimal geimpft ist, werden Monate vergehen. Zumal die Ständige Impfkommission (Stiko) mit Blick auf die Kleinen bislang keine allgemeine Impfempfehlung abgibt, sondern nur für diejenigen mit Vorerkrankungen und Kontakt zu Risikopatienten.

Bund und Länder planen dennoch bereits, dass der Geimpften Status nach einiger Zeit verfallen soll – die Booster-Impfung würde also Voraussetzung dafür, um auch künftig als Geimpfter (etwa bei Zutritt nach 2G-Regeln) zu gelten. Lauterbach kann sich sogar vorstellen, dass die dritte Impfung grundsätzlich zur Voraussetzung für den „Geimpft“-Status wird: „Wenn wir tatsächlich die Omikron-Welle hier in Deutschland hätten, dann wäre 2G dann erreicht, wenn man die dritte Impfung hat.“

Was bedeutet Omikron für die Intensivstationen?

 Die Prognosen sind besorgniserregend: „Wir gehen davon aus, dass sich Omikron sehr schnell durch setzen wird“, sagte der Intensivmediziner Christian Karagiannidis unserer Redaktion. Der Leiter des Intensivregisters der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) warnte: „In Deutschland schätzen wir mit einer Verdopplungszeit von einer Woche. Das hieße, dass die Fallzahlen um Weihnachten zu steigen beginnen, bereits Ende Januar könnte Omikron die dominierende Variante sein.“ Selbst wenn eine Infektion mit Omikron im Schnitt zu einem leichteren Verlauf führen würde als bei Delta, bekämen die Kliniken ein massives Problem.