An Rhein und Ruhr. Lebensmittel und Energie werden deutlich teurer. Das trifft die Ärmsten am meisten. NRW-Minister fordert Anpassung bei Hartz-Regelsätzen.
Die Energiepreise steigen rasant, ebenso die Lebensmittelpreise. Geringverdienern und Leistungsbeziehern droht ein harter Winter, warnen Experten. Landessozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) fordert für Hartz-IV-Betroffene eine „sozialpolitische Antwort“ in Form einer bundesgesetzlichen Regelung, die extreme Preissprünge kurzfristig ausgleicht.
Im September kostete Heizöl 76,5 Prozent mehr als im Vorjahresmonat, Gemüse war 9,2 Prozent teurer. Auch die Preise für Gas, Strom, Obst und Bäckerei-Produkte ziehen kräftig an. „Dass alle Preise zusammen so ansteigen ist neu, ich kann mich nicht an ähnliche Entwicklung erinnern“, sagt Michaela Hofmann, Referentin für Armutsfragen bei der Caritas in Köln.
Millionen Menschen in NRW betroffen
Betroffen sind in NRW Millionen Menschen. 2019 galten 17 Prozent der Menschen an Rhein und Ruhr als armutsgefährdet. Ärmere Menschen treffen die Preissteigerungen überproportional hart. „Ihnen steht ein harter Winter bevor“, warnt der Kölner Armutsforscher Christoph Butterwegge. Wenn die Energiepreise so weiter anzögen, werde es eine weitere Verelendung geben. Er fordert eine sofortige Nachjustierung bei der Erhöhung der Hartz-Regelsätze, die zu Beginn des neuen Jahres um lediglich drei Euro pro Monat steigen sollen.
Auch Horst Vöge, Landesvorsitzender des Sozialverbandes VdK, hält die geplante Erhöhung der Regelsätze für nicht ausreichend. „Das führt zu keiner wesentlichen Verbesserung“, sagte er der NRZ. „Wir haben große Sorge, dass im Winter der große Knall kommt“, so Vöge weiter. Es brauche ein grundsätzliches Konzept der Regierung, um eine kostengünstige Energieversorgung als Daseinsvorsorge zu gewährleisten.
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Vöge ist besonders besorgt angesichts der rasant steigenden Energiepreise. Bereits jetzt könnten rund 16 Prozent der Hartz-IV-Betroffenen in NRW ihre Energiekosten nicht aus dem Regelsatz bestreiten. „Das sind 122.000 Menschen“, rechnet er vor. Dass zugleich die Lebensmittelpreise steigen, hält Caritas-Referentin Hofmann, für besonders bedenklich, da erfahrungsgemäß viele Menschen am Essen sparten, um ihre Stromrechnungen begleichen zu können. „Die Androhungen von Stromsperren werden zunehmen“, befürchtet sie.
Ärmere Menschen müssten zudem häufig gebrauchte und wenig energieeffiziente Elektrogeräte nutzen und lebten in preiswerten, oft nicht gedämmten Wohnungen, so Vöge. „Wir tun so, als hätte jeder die gleichen Möglichkeiten, die CO2-Bepreisung abzufedern. Das ist aber nicht so.“ Als problematisch empfindet der Sozial-Experte auch die Preisentwicklung gerade bei Obst und Gemüse. „Es wird für arme Menschen schwieriger, sich gesund zu ernähren.“
Warnung: Ärmere könnten noch stärker abgehängt werden
Der Armutsforscher Christoph Butterwegge befürchtet, dass die steigende Inflation dazu führen wird, dass die Ärmeren noch stärker abgehängt werden. „Das verstärkt eine Tendenz, die schon in der Pandemie zu beobachten war“, so Butterwegge. Eine neue Bundesregierung müsse deswegen der aktuell herrschenden „sozialen Eiseskälte“ entgegenwirken.
Landessozialminister Laumann fordert ein Umdenken den Hartz-Regelsätzen: „Es ist vor allem bei der aktuell hohen Inflation ein Problem, wenn der Betrag der Regelsätze nur um zwei bis drei Euro steigt“, sagte der CDU-Politiker der NRZ. Es sei zwar generell sinnvoll, dass die Entwicklung der Regelsätze an die Löhne und Inflation des vergangenen Jahres gekoppelt würden.
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„Aber die Leute haben eben heute die höheren Kosten und nicht erst nächstes Jahr. Sprit, Lebensmittel und Energiekosten sind keine Luxusartikel und dürfen es auch nicht werden, da man auf sie nicht mal so eben verzichten kann“, betont Laumann. Deswegen bedürfe es einer „angepassten bundesgesetzlichen Regelung, die flexibel auf derartige Situationen wie wir sie jetzt haben, reagiert und extreme Preissprünge kurzfristig ausgleicht“.
Sabine Graf, die stellvertretende Landesvorsitzende des DGB, fordert, dass die aktuellen Preissteigerungen auch bei der Lohnentwicklung eine Rolle spielen müssen: „Da die momentanen Verbraucherpreise etwa für Lebensmittel, Energie und Benzin insbesondere für Beschäftigte mit geringeren und mittleren Einkommen schwer zu verkraften sind, wird dies sicherlich auch Einfluss auf die anstehenden Tarifverhandlungen haben“, so Graf.