Berlin. Heute treffen sich Union und Grüne zu Sondierungen. Die Skepsis gegenüber der Regierungsfähigkeit der CDU und CSU wächst weiter.
Der Euref-Campus in Berlin-Schöneberg ist ein Ort, an dem an einem besseren Morgen gebaut wird. Ein Modellquartier für eine innovative Stadt soll der Komplex sein, klimaneutral, ressourcenschonend, intelligent. Unter anderem an nachhaltiger Mobilität und Energieeffizienz wird in den Backsteingebäuden eines ehemaligen Gaswerks geforscht. Ein „Zukunftsort“, wie es auf der Webseite heißt.
Ein bisschen Symbolwirkung wird sich die Union wohl erhoffen für die Sondierungen mit den Grünen, die hier an diesem Dienstag stattfinden sollen. Denn auch die Frage, ob die Idee einer Jamaika-Koalition in dieser Legislatur eine Zukunft hat, könnte sich hier entscheiden.
Und mit ihr das Schicksal von CDU und CSU in den nächsten Jahren. Um elf Uhr wollen die Sondierungsteams zusammenkommen. Das Gespräch soll das letzte sein im Vorsondierungsreigen, den die möglichen Koalitionspartner der nächsten Regierung seit der Wahl aufführen.
FDP ist vor allem Beobachter
In verschiedenen Konstellationen hatten sich die Parteien beschnuppert, um auszuloten, wie eine stabile Regierung für die kommenden Jahre aussehen könnte. Ob man ernsthaft einsteigen will in Gespräche über eine Ampel-Koalition unter Führung der SPD.
Oder ob es doch ein Szenario gibt, in dem die Union ein Jamaika-Bündnis führt. Nach dem Treffen am Dienstag will das grüne Team auswerten, was die Gespräche ergeben haben. „Wir reden mit allen Parteien einzeln und dann ziehen wir mal einen Strich drunter“, sagte Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner.
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Darauf schaut auch die FDP. Die Liberalen sind in den kommenden Stunden vor allem Beobachter. Bevor nicht alle Sondierungsrunden abgeschlossen sind, soll es von ihrer Seite keine öffentlichen Festlegungen geben.
Klarheit über Gespräche voraussichtlich erst am Mittwoch
„Wir warten zunächst einmal das Gespräch noch ab, das die Grünen mit der Union führen“, sagte FDP-Generalsekretär Volker Wissing am Montag. Wenn Grüne und Union am Dienstag miteinander geredet hätten, sei es Zeit für eine Zwischenbilanz und eine Zwischenentscheidung, so Wissing.
Parteichef Christian Lindner und seine Leute gehen davon aus, dass sich FDP und Grüne im Anschluss an die internen Beratungen der Grünen bilateral verständigen. Ob sie sich dafür sogar noch mal eigens treffen, ist offen.
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Grüne und Liberale könnten sich Jamaika-Option länger offenhalten
Wichtig sei diese Verständigung der beiden kleineren Parteien, um den Geist der letzten Tage zu erhalten: „Wir müssen auch aufpassen, dass wir am Ende uns mit Grünen und FDP nicht so verhaken, dass es nur noch eine große Koalition geben kann“, so Wissing.
Erst am Mittwoch wird voraussichtlich Klarheit herrschen. Möglich, dass eine der Parteien weiteren Sondierungsbedarf anmeldet. Möglich auch, dass Jamaika dann keine Option mehr ist. Lesen Sie auch: Jamaika oder Ampel: Welches Bündnis die Wirtschaft bevorzugt
Genauso denkbar ist allerdings, dass sich Grüne und Liberale die Jamaika-Option länger offenhalten. Aus zwei Gründen: Jamaika ist das Druckmittel, um SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz zu Zugeständnissen zu bringen. Gäbe es nur noch die Ampel als Option, hätte die SPD in den Verhandlungen freies Spiel. Jamaika ist andererseits aber auch das Argument für die Liberalen, am Ende in eine Ampel zu gehen.
Die FDP will nicht politisch missbraucht werden
Je länger das Schreckgespenst von Verhandlungen mit einer desolaten Union im Raum steht, je schwächer Armin Laschet und je unkontrollierter der Machtkampf in der CDU ist, desto leichter wird es für Lindner sein, die Jamaika-Option in den Wind zu schießen. Frei nach dem Motto: Besser nicht mit der Union regieren, als mit diesem zerstrittenen Haufen an einem Kabinettstisch gesehen zu werden. Lesen Sie auch:Warum Armin Laschet nicht aufgeben will
Das Misstrauen der Liberalen gegenüber der Union wächst stündlich: Wollen die Schwarzen wirklich Jamaika? Oder suchen sie bloß nach einer Gelegenheit, das Gesicht als regierungswillige Volkspartei zu wahren und gleichzeitig (im erwartbaren Fall des Scheiterns) ihren Parteichef zu erledigen? Die FDP reagiert seit Langem allergisch auf jede Lage, in der sie fürchten muss, politisch missbraucht zu werden.
Auch bei den Grünen beobachtet man die Verschiebungen in der innerparteilichen Statik der CDU aufmerksam. Zwar werde man der Einladung der Union zu Gesprächen „natürlich“ folgen, sagte Felix Banaszak, Grünen-Chef in NRW, unserer Redaktion. „Es ist aber keine exklusive Wahrnehmung, dass CDU und CSU derzeit harte interne Diskussionen um Aufstellung und Strategie führen. Wohin dort die Reise geht, ist derzeit etwas unklar.“
Ist die Jamaika-Opition vom Tisch, wird es eng für Laschet
Für die Union, vor allem aber für Armin Laschet, hängt viel ab vom Termin am Dienstag. Noch sichert die Möglichkeit einer Regierungsbeteiligung ihm das politische Überleben. Ist diese Chance vom Tisch, wird es auch für Laschet eng.
Wie auch immer die Entscheidung von Grünen und FDP ausfällt – parallele Sondierungen mit Scholz auf der einen Seite und Laschet auf der anderen stoßen in allen Lagern auf Skepsis. „Schwierig“, heißt es auf Unionsseite aus Kreisen der Verhandlungsteilnehmer. Wenn überhaupt, würden die beiden Optionen nacheinander verhandelt.
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Die Sozialdemokraten können sich nicht vorstellen, insbesondere nicht bei den Grünen, dass sich die kleineren Parteien für die Union und für Laschet entscheiden; und wie sie es ihrer Basis erklären würden.
Die Sozialdemokraten haben längst ins Auge gefasst, wie sie das nächste Stadium von Sondierungen angehen würden. Aber eine Zusage haben sie nicht. Die SPD kann nur abwarten. Kanzlerkandidat Olaf Scholz muss hoffen, dass sein Telefon klingelt. Auch seine Zukunft könnte sich in Schöneberg entscheiden.