Berlin. Trotz historischer Niederlage und massiven internen Drucks will der CDU-Chef und Kanzlerkandidat Jamaika-Gespräche führen. Mit Erfolg?

Armin Laschet gibt nicht auf. Der CDU-Vorsitzende und Kanzlerkandidat will trotz des Absturzes der Union bei der Bundestagswahl und trotz des wachsenden Drucks auf ihn Gespräche mit der FDP und den Grünen über die Möglichkeit eines Regierungsbündnisses führen.

Am Mittwoch wurde bekannt, dass er gemeinsam mit CSU-Chef Markus Söder die Spitzen beider Parteien zu Gesprächen in den kommenden Tagen eingeladen hat.

Laschet: Kalkül statt Realitätsverweigerung

Was wie Realitätsverweigerung wirkt, ist in Wirklichkeit Kalkül: Sollte der Versuch von SPD-Wahlsieger Olaf Scholz, mit den Grünen und den Liberalen eine Ampel zu bilden, scheitern, könnte die Union doch noch zum Zug kommen.

Die Vermittlerrolle liegt Laschet, der in Nordrhein-Westfalen eine schwarz-gelbe Koalition mit nur einer Stimme Mehrheit führt und in seinem Kabinett die unterschiedlichen Flügel seiner Partei vereint hat, deutlich mehr als die des Wahlkämpfers.

Laschet nach der ersten Sitzung der neuen CDU/CSU-Fraktion am Dienstag im Bundestag.
Laschet nach der ersten Sitzung der neuen CDU/CSU-Fraktion am Dienstag im Bundestag. © dpa | Kay Nietfeld

Söder kommt derzeit an Laschet nicht vorbei

Zwar ist offenkundig, dass Markus Söder jederzeit bereitstünde, die Union allein in Verhandlungen zu führen. Am Dienstag hatte er bei einer Pressekonferenz in Berlin gesagt, er habe bereits mit Alexander Dobrindt, dem Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, eine „Matrix“ für Jamaika-Gespräche vorbereitet. Laschet erwähnte er dabei nicht.

Allerdings hat Söder zwei Probleme: Erstens muss er den Eindruck vermeiden, ein Königsmörder zu sein. Zweitens kommt er an Laschet nicht vorbei, solange dieser nicht zurücktritt. Der CDU-Chef ist formal bis Januar 2023 gewählt und wäre als Kanzlerkandidat auch der natürliche Verhandlungsführer für Gespräche mit möglichen Regierungspartnern. Lesen Sie hier: Kann Söder doch noch Kanzler werden?

So wenig in der Partei noch auf ihn gesetzt wird und so spürbar der Unmut ist: Einen Rücktritt hat bislang niemand aus der ersten Reihe der Partei gefordert. Im Gegenteil: Bei den Treffen der Spitzengremien nach der Wahl sprachen sich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen dafür aus, dass er weitermacht.

Wie viel Autorität hat Armin Laschet noch?

FDP und Grüne haben in jedem Fall Interesse, neben der SPD auch mit der Union zu sprechen – denn so können sie den Preis für eine Regierungsbildung hochtreiben. Aber auch für sie ist die Schwäche Laschets ein Problem.

Als FDP-Generalsekretär Volker Wissing am Mittwoch gefragt wurde, ob Laschet überhaupt noch genügend Autorität für Gespräche mit der FDP und den Grünen habe, antwortete er ausweichend: „Wir sprechen nicht mit einzelnen Personen, sondern mit Parteien.“

Was Laschets politische Zukunft im Fall eines Wechsels der Union in die Opposition anbelangt, so machte der wiedergewählte Fraktionschef von CDU/CSU im Bundestag, Ralph Brinkhaus, deutlich, dass er einen Amtsnachfolger Laschet für ausgeschlossen hält. „Armin Laschet wird bestimmt nicht als Fraktionsvorsitzender kandidieren, wenn wir in die Opposition gehen“, sagte Brinkhaus am Dienstagabend in den ARD-„Tagesthemen“, „insofern bin ich kein Platzhalter und fühle mich auch nicht so.“

Fraktionsvorsitz in Union begehrt

Sollte die Union nicht regieren, werde sich Laschet um die Partei kümmern. „Als Parteivorsitzender ist man dann ganz gut beschäftigt“, betonte Brinkhaus.

Der 53-jährige CDU-Politiker war am Dienstagabend mit 85 Prozent der Stimmen als Fraktionschef wiedergewählt worden – allerdings nur bis Ende April und nicht wie üblich für ein Jahr. Diesem Verfahren ging eine Abmachung zwischen Laschet, CSU-Chef Markus Söder sowie möglichen Mitbewerbern um den Posten an der Fraktionsspitze voraus. Als solche wurden in der Union der Außenpolitiker Norbert Röttgen, Gesundheitsminister Jens Spahn sowie Friedrich Merz genannt.

Für Merz wäre es eine Rückkehr in ein Amt, das er bereits im Jahr 2000 übernommen hatte. Sollte die Union nach ihrer historischen Wahlniederlage in die Opposition müssen, falls keine Jamaika-Regierung mit Grünen und FDP zustande kommt, wäre der Fraktionsvorsitz der wichtigste Posten, der übrig bliebe. Daher ist dieses Amt in der Union derzeit besonders begehrt.

Kubicki rechnet mit baldigem Rückzug von Laschet

Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki machte bereits klar, dass er politisch nicht mehr mit Laschet rechnet. „Ich vermute mal, dass Armin Laschet diese Woche nicht überstehen wird“, sagte Kubicki dem Norddeutschen Rundfunk. Laschets Autorität werde öffentlich infrage gestellt: „Ich kann mir schwer vorstellen, wie er mit einer Union, die nicht komplett zu 100 Prozent hinter ihm steht, die Herausforderungen der nächsten Tage überstehen will.“

Dies hat nach seinen Worten auch Auswirkungen auf Koalitionsgespräche. Durch den Machtkampf in der Union sei die „Wahrscheinlichkeit von Jamaika“ gesunken.

Klar ist, dass Laschet von der Union nur eine Gnadenfrist bekommen hat. Wenn sein Plan nicht aufgeht, wird er sich auch als Parteichef nicht mehr lange halten können. Dann wäre er am Ende einer langen Politikkarriere nur noch einfacher Bundestagsabgeordneter.