Berlin. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt spricht sich klar gegen eine Jamaika-Koalition aus – und lobt das Verhältnis zur FDP.

„Frieden schaffen ohne Waffen“, „Erst stirbt der Baum, dann der Mensch“, „Autos saufen Blut“ – im Sitzungssaal hängen eingerahmt die Slogans der Grünen aus vergangenen Jahrzehnten.

Ein neuer Spruch könnte jetzt dazukommen, wie Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt im Interview zu verstehen gibt: Jamaika? Nein, danke!

Die Grünen wollten ins Kanzleramt einziehen und sind unter 15 Prozent geblieben. Wie tief sitzt die Enttäuschung?

Katrin Göring-Eckardt: Klar, wir haben uns mehr erhofft. Aber zuerst einmal sind wir deutlich mehr, dritte Kraft. Wir hatten bisher 67 Sitze und ziehen jetzt mit 118 Menschen ins Parlament ein!

Mit Christian Lindner schon per Du: Katrin Göring-Eckardt im Jakob-Kaiser-Haus des Bundestages.
Mit Christian Lindner schon per Du: Katrin Göring-Eckardt im Jakob-Kaiser-Haus des Bundestages. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

War Annalena Baerbock die falsche Kandidatin?

Ausdrücklich nein. Annalena Baerbock hat viel für den Gesamtladen gerockt. In den TV-Triellen hat sie zwischen zwei Männern gezeigt, wie standfest, energisch und kompetent sie für einen Aufbruch in diesem Land kämpfen kann. Ich danke ihr von Herzen für ihren Einsatz und habe extrem viel Respekt vor ihrer Leistung.

Trotzdem haben die Grünen schon Konsequenzen gezogen: Annalena Baerbock ist nicht mehr die Nummer eins, Vizekanzler soll Robert Habeck werden.

Göring-Eckardt: Annalena Baerbock und Robert Habeck führen gemeinsam die Sondierungsgespräche und mögliche Koalitionsverhandlungen und treffen die Vorbereitungen dafür gemeinsam. Am Wahlabend konnte jeder sehen, mit welcher großen Geschlossenheit die Partei hinter Annalena Baerbock und Robert Habeck steht.

So war das auch am Dienstag beim ersten Treffen der neuen und alten Fraktion. Über einen Koalitionsvertrag und das von grüner Seite vorgesehene Personaltableau entscheidet am Ende natürlich die Partei.

Sind die Meldungen falsch, dass Habeck Vizekanzler werden soll?

Göring-Eckardt: Die beiden haben schon vor Monaten wichtige Fragen, wie sie als Spitzenteam vorangehen wollen, gemeinsam geklärt. Aber jetzt ist nicht der Zeitpunkt, über die personelle Aufstellung zu sprechen, bevor überhaupt Sondierungsgespräche aufgenommen wurden.

Die Grünen haben Vorsondierungen mit der FDP begonnen. Wann fällt die Entscheidung, wer Kanzler wird?

Göring-Eckardt: Die Union ist erst mal dabei, zu versuchen, ihr Chaos zu sortieren. Ich sehe im Moment nicht, dass man die Union für sondierungsfähig halten könnte, geschweige denn für regierungsfähig. Was wir brauchen, ist eine zuverlässige Regierung. Die Situation ist nicht einfach in unserem Land.

Schließen Sie ein Bündnis mit der Union aus?

Göring-Eckardt: Ich gehöre immer zu denen, die sagen: Lasst uns unter den demokratischen Parteien keine Option ausschließen. Aber beim Blick auf den Zustand der CDU sehe ich aktuell nicht, wie eine Koalition mit CDU und CSU gehen soll.

Wäre eine Jamaika-Regierung ohne Armin Laschet eher möglich?

Göring-Eckardt: Jetzt bringt sich ja Herr Söder ins Spiel oder wird ins Spiel gebracht. Aber es geht ja nicht darum, welcher Kopf vorne steht. Der ganze Laden ist offensichtlich null vorbereitet auf die Zeit nach Merkel – und auch nicht auf die drängenden Aufgaben in unserem Land. Lesen Sie hier:Kann Söder doch noch Kanzler werden?

Armin Laschet hat in der Corona-Pandemie einen Zickzackkurs hingelegt und in diesem Wahlkampf wahrlich keine glänzende Figur abgegeben. Aber dahinter sieht es nicht wirklich besser aus. Dieses Land hat es verdient, möglichst schnell eine gute Regierung zu bekommen.

Die FDP wäre auch in einem Ampelbündnis dabei – und macht den Verzicht auf Steuererhöhungen zur Bedingung für einen Regierungseintritt. Lassen Sie sich darauf ein?

Göring-Eckardt: Die Verhandlungen führen wir nicht in der Öffentlichkeit, sondern zwischen den Parteien. Ich will dazu nur sagen: Auch die Wünsche der FDP sind, was die Finanzen angeht, ja nicht unerheblich – es ist zum Beispiel absolut richtig, mehr in Bildung investieren zu wollen. Wie so etwas aber mit Steuersenkungen zusammenpassen soll, erschließt sich mir nicht.

Mir ist aber ein Gedanke besonders wichtig: In Koalitionsverhandlungen macht es wenig Sinn, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu suchen. Man muss etwas Neues, etwas Größeres schaffen, als nur in den Wahlprogrammen der beteiligten Parteien steht. Es geht darum, einen gemeinsamen Geist zu finden, der der Zeit angemessen ist.

Was schwebt Ihnen vor?

Göring-Eckardt: Eine Idee für die kommende Regierung könnte die Frage der Freiheit und der Verantwortung für kommende Generationen sein. Bei den Menschen- und Bürgerrechten sind wir oft einig mit der FDP. Wenn es um soziale Verantwortung und um Gerechtigkeit geht, sind wir nahe an der SPD.

Meine Haltung ist: Lasst uns gemeinsam eine Perspektive für dieses Land formulieren, an der wir immer wieder messen können, wie einzelne Entscheidungen zu treffen sind. Es geht um ein Bündnis des Aufbruchs und eine Kultur der Kooperation. Lesen Sie hier:Pro und Contra – Was für eine Ampel spricht und was dagegen

Der Koalitionsvertrag, den man abarbeitet, ist das eine und sehr wichtig. Aber wir wissen ja: Es werden in einer Regierung auch immer Dinge passieren, die man nicht voraussehen kann. Und auch dafür muss man mit einer gemeinsamen Haltung und Vertrauen präpariert sein.

Apropos Vertrauen: Wie ist Ihr Arbeitsverhältnis zu Christian Lindner?

Göring-Eckardt: Vor vier Jahren, als die Jamaika-Verhandlungen gescheitert sind, hatten wir mit der FDP nicht gerade ein Vertrauensverhältnis. Das hat sich seither aber geändert – weil beide Seiten es wollten. Abgeordnete der Fraktionen haben miteinander geredet, wir haben zusammen Gesetzentwürfe gemacht, den Digitalpakt Schule verhandelt – und persönliche Vertrauensverhältnisse aufgebaut.

Wie darf man sich das konkret bei Ihnen vorstellen?

Göring-Eckardt: Verschiedene Abgeordnete haben sich regelmäßig getroffen. Auch Christian Lindner und ich als Fraktionsvorsitzende haben so nach und nach verstanden, wie wir ticken.

Duzen Sie sich?

Göring-Eckardt: Ja.

Spielt in den Koalitionsverhandlungen auch das Amt des Staatsoberhaupts eine Rolle?

Göring-Eckardt: Jetzt stehen erst mal Sondierungsgespräche an.

Verraten Sie uns Ihre eigenen Pläne?

Göring-Eckardt: Ich helfe gern mit aller Kraft und Erfahrung mit, dass wir gemeinsam eine gute, moderne Regierung bauen, die die Zukunftsaufgaben beherzt anpackt. Das ist unser Auftrag.

Schließt das eine Kandidatur als Bundespräsidentin aus?

Göring-Eckardt: Ich fühle mich geehrt, wenn Menschen mich in diesem bedeutenden Amt für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft sehen. Doch diese Frage steht jetzt nicht an.