Franziska Giffey und Manuela Schwesig sind zwei erfolgreiche SPD-Frauen. Es ist kein Zufall, dass sie auf dieselben Rezepte setzen.

Franziska Giffey schaltet die Kamera an und geht auf Sendung: „Hallo allerseits“, sagt die 43-Jährige. „Ich bin verabredet mit Manuela Schwesig, meiner lieben Kollegin.“ Es ist kein Duell, es ist ein Duett, dass das an diesem Mittwochmittag live auf Instagram übertragen wird. „Wir sprechen ein bisschen darüber, wie es uns beiden gerade geht.“

Beide sind gerade im Wahlkampf, Schwesig will am Sonntag als Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern im Amt bestätigt werden, Giffey will die erste Regierende Bürgermeisterin von Berlin werden.

Es sind zwei Frauen, die mehr verbindet als nur das Parteibuch: Mitte Vierzig, Kindheit im Osten, steile SPD-Karriere, Familienministerin unter Angela Merkel, gute Aussichten auf eine Schlüsselrolle in der Parteiführung – das gilt für beide. Und dann gab es da noch jenes Telefonat im Frühjahr 2018, das bis heute nachwirkt.

Franziska Giffey (SPD) will die Wahl in Berlin gewinnen.
Franziska Giffey (SPD) will die Wahl in Berlin gewinnen. © dpa | Britta Pedersen

Schwesig, vier Jahre älter und im Gegensatz zur stets fröhlich-direkten Giffey etwas kühler temperiert, schaltet sich an diesem Mittag nach einigen Minuten zu. „Wir wünschen uns sehr, dass wir nicht zu zweit in der Männerrunde der Ministerpräsidenten bleiben, sondern dass eine dritte starke Frau, dass du dazu kommst.“

Sie sagt „Franzi“. Wohl auch, weil das besser zu Manu und Malu passt: Manuela „Manu“ Schwesig und Marie-Luise „Malu“ Dreyer, die beiden SPD-Regierungschefinnen von Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz, bekämen Verstärkung, sollte Franziska „Franzi“ Giffey die Wahl in Berlin gewinnen.

Schwesig muss sich wenig Sorgen machen. Die Landes-SPD liegt in Umfragen aktuell bei rund 40 Prozent, die CDU bei rund 15. Mit einem fulminanten Wahlsieg steigen Schwesigs Chancen, beim nächsten Wachwechsel an die Parteispitze zu rücken.

Beiden Frauen wird die Rolle der Landesmutter zugetraut

Giffey dagegen muss um jede Stimme kämpfen, bei den letzten Umfragen lag die SPD in der Hauptstadt knapp vor den Grünen, die bis vor wenigen Wochen noch das Feld angeführt hatten.

Beide dürften davon profitieren, dass die SPD mit Kanzlerkandidat Olaf Scholz bundesweit gerade im Höhenflug ist. Doch sowohl bei Schwesig als auch bei Giffey spielt noch etwas anderes eine Rolle. Sie bringen mit, was Malu Dreyer im Südwesten erfolgreich sein lässt: Ihnen gelingt, dass sie nicht nur als SPD-Kandidatin gesehen werden, ihnen wird die parteiübergreifende Rolle der Landesmutter zugetraut.

Gerade weil sie auch Schwächen zeigen: Malu Dreyer leidet an Multipler Sklerose, Schwesig rechneten viele hoch an, wie offen sie mit ihrer Brustkrebserkrankung umging. Giffey wurde der Doktortitel entzogen, viele hielten das für das Ende ihrer Karriere, doch die Frau mit der blonden Steckfrisur blieb äußerlich gelassen und strategisch unbeirrt. Sie gab ihren Job als Familienministerin auf und stürzte sich in den Berliner Wahlkampf.

Manuela Schwesig (SPD) in Mecklenburg-Vorpommern weiterregieren
Manuela Schwesig (SPD) in Mecklenburg-Vorpommern weiterregieren © dpa | Danny Gohlke

Die beiden roten Spitzenfrauen in Schwerin und Berlin pflegen ihr Image als pragmatische Macherinnen, als Frauen mit Ostbiographie, die ihr Leben nach der Wende selbst in die Hand nehmen mussten. „Wir beide haben ostdeutsche Wurzeln, wir beide sind in Brandenburg groß geworden und ich glaube wir sind stolz auf diese Wurzeln“, sagt Schwesig. „Das hat uns geprägt, wir haben da nicht viel geschenkt gekriegt.“

Giffeys Vater war KFZ-Mechaniker, Schwesigs Vater Schlosser. Die Mütter arbeiteten als Buchhalterin und Verwaltungsangestellte. Manuela und Franziska wuchsen beide in der Nähe von Frankfurt/Oder auf. „Nein“, sagt Schwesig, bewusst begegnet seien sie sich damals nicht.

Giffey und Schwesig haben ein gemeinsames Vorbild – und es ist nicht Merkel

Dafür gab es dann dieses Telefonat vor knapp dreieinhalb Jahren. Giffey ist da noch Bezirksbürgermeisterin in Neukölln. „2018 hat Manuela Schwesig mich angerufen“, erinnert sich Giffey. Ob sie sich das vorstellen könne, für die SPD ins Kabinett zu kommen. Giffey und Schwesig sprechen damals viel miteinander, beide haben kleine Kinder. Wie funktioniert das mit der Familie? Hat man da genug Zeit? Auch solche Sachen will Giffey von Schwesig wissen.

Schwesig fördert Giffeys politische Karriere, Giffey nimmt dafür auch mal Rücksicht auf die besonderen Interessen ihrer Parteikollegin. Beim Gute-Kita-Gesetz kann Schwesig verkünden, dass die Kitas im Nordosten für alle kostenfrei werden. Viele, die mit dem Bundesgeld vor allem die Qualität verbessern wollten, schütteln den Kopf.

Gefragt nach Vorbildern nennen die beiden nicht die andere mächtige Frau aus dem Osten, unter der sie lange Ministerinnen waren. Nicht CDU-Frau Angela Merkel, sondern SPD-Frau Regine Hildebrandt ist es, die ihnen Orientierung gibt: Giffey hat sich von der der brandenburgischen Sozialministerin der Nachwendezeit vor allem einen Satz hinter die Ohren geschrieben: „Erzähl mir doch nicht, dat et nich jeht, sondern wie et jeht“, berlinert Giffey. „Ich berlinere nicht so gut wie du,“, sagt Schwesig. Aber sonst seien sie da ganz beieinander.