Berlin. Viele Klassenräume werden wegen des Klimastreiks leer bleiben. Lehrer und Eltern drücken ein Auge zu. Doch der Lehrerverband warnt.
Greta Thunberg kommt, Luisa Neubauer kommt - allein in Berlin werden 20.000 Menschen zum ersten großen Klimastreik seit Beginn der Pandemie erwartet. Bundesweit sind 400 Aktionen geplant - und zwar meist mitten in der Schulzeit. Viele Eltern und auch Lehrerinnen und Lehrer drücken allerdings ein Auge zu, schließlich geht es in ihren Augen um eine Gute Sache - den Kampf gegen die Erderwärmung. Heinz-Peter Meidinger ist allerdings anderer Meinung. Im Interview mit dieser Redaktion erklärt er, was er von Schwänzen für den Klimastreik hält.
Viele Kinder und Jugendliche werden an diesem Freitag wieder die Schule schwänzen, um am Klimastreik teilzunehmen. Ist das der richtige Weg, um auf die Ängste der jungen Generation vor dem Klimawandel aufmerksam zu machen?
Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Lehrerverbands: Man darf die Klimaaktion nicht gegen die Schulpflicht ausspielen. Das Argument: „Nur so bekommen wir Aufmerksamkeit“ ist überholt, denn die Aufmerksamkeit für den Klimawandel ist längst da. Zudem haben Schülerinnen und Schüler während der Pandemie so viele Wochen auf Unterricht verzichten müssen.
Jetzt für einen Streik den Unterricht zu schwänzen, ist nicht angemessen. Aber umgekehrt würden wir auch nicht mit großen Strafmaßnahmen drohen wollen. Klar ist: die Schüler müssen den versäumten Stoff nacharbeiten.
Trotzdem müssen sich die Schulen darauf einstellen, dass viele Schülerinnen und Schüler nicht zum Unterricht erscheinen. Ein Berliner Gymnasium hat sogar für die Abiturienten die Klausuren abgesagt. Ein pragmatischer Umgang?
Meidinger: Klausuren würde ich nicht verschieben. Das Verschieben von Klausuren beinhaltet immer auch Nachteile für diejenigen, die sich vorbereitet haben und nicht am Streik teilnehmen. Die sind dann die Leidtragenden. Der Klausurenplan in der Oberstufe ist ohnehin sehr eng, das führt zu Verdichtungen, durch die es sich zum Beispiel dann nicht mehr vermeiden lässt, dass drei oder mehr Klausuren in einer Woche geschrieben werden.
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Was raten Sie den Streikenden, wenn Klassenarbeiten/Klausuren anstehen?
Meidinger: Wer nicht zur Klassenarbeit kommt, braucht eine Entschuldigung der Eltern. In der Oberstufe ist sogar ein Attest vom Arzt nötig. Wenn das Kind so ehrlich ist und sagt, es war auf einer Demo, muss die Arbeit mit einer 6 bewertet werden. Wenn Eltern dies decken, ist es eine andere Geschichte.
Eltern und Schüler berichten, dass einige Lehrer sogar geschlossen mit ihrer Klasse am Streik teilnehmen.
Meidinger: Schule ist nicht der Ort der politischen Aktion. Wenn Lehrerinnen und Lehrer mit ihren Schülern gemeinsam gehen, dann wäre das ja eine schulische Veranstaltung, das ist aufgrund des Neutralitätsgebots, das für Schulen gilt, nicht möglich. Selbst wenn der gemeinsame Streikbesuch dokumentarisch im Unterricht begleitet wird, ist das eine nicht zulässige Hilfsbrücke.
Zudem: Was macht man, wenn Schüler etwa für eine Sache demonstrieren wollen, die nicht in einem allgemein positiven Umfeld steht, etwa gegen Migration. Es gibt keine Handhabe, die eine Aktion zu dulden, die andere nicht. Schule müsste dann eine Agenda machen der gewünschten und der ungewünschten Aktionen.
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Was empfehlen Sie den Schulen?
Meidinger: So sympathisch mir das Engagement ist: Schülerinnen und Schüler müssen den Stoff nachholen. Das kann im Sinne der Klimakationen sein, etwa indem Veranstaltungen organisiert oder Klimaexperten eingeladen werden. Überhaupt lässt sich das begrüßenswerte gesellschaftliche und politische Engagement in den Unterricht integrieren.
Demokratisches Engagement ist sehr wichtig! Vor zehn, fünfzehn Jahren habe wir noch beklagt, dass die Jugend so unpolitisch ist. Die Schulen können Umwelt- und Klimaschutz sehr gut integrieren, etwa durch Wahlpflichtfächer Umwelt oder als AG. Das wird auch schon praktiziert. Möglich ist etwa, die Klimaaktionen mit Infoständen vor der Schule zu begleiten, aber auf Streiks während des Unterrichts zu verzichten.
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