An Rhein und Ruhr. In ärmeren Stadtvierteln gehen weniger Menschen zur Wahl als in reicheren. Politikwissenschaftler Butterwegge warnt vor einem Teufelskreis.

Bei der Bundestagswahl am kommenden Sonntag droht nach Ansicht von Politikwissenschaftlern eine Zementierung der Schieflage der politischen Repräsentation unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen. Grund: Das zunehmende Auseinanderklaffen der Wahlbeteiligung von ärmeren und reicheren Menschen. Der Kölner Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge spricht von einem „Teufelskreis“.

Die Beteiligung bei den Bundestagswahlen ist traditionell höher als bei Landtags- oder Kommunalwahlen und ist seit dem bisherigen Tiefpunkt mit 70,8 Prozent im Jahr 2009 bei den vergangenen Wahlen wieder angestiegen. Bei den Bundestagswahlen 2017 lag sie bei 76,2 Prozent. Forscher beobachten jedoch einen besorgniserregenden Trend: In ärmeren Stadtvierteln gehen zunehmend deutlich weniger Menschen zur Wahl als in reichen.

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2017 zeigte sich bereits eine enorme Spreizung: So beteiligten sich in Düsseldorf-Himmelgeist über 90 Prozent der Wahlberechtigten, in Garath hingegen waren es nur 63 Prozent. In Essen waren es in Schuir 88,3 Prozent, im Nordviertel hingegen nur 57. „Das Parlament sollte ein Spiegel der Sozialstrukturen sein. Das ist nicht mehr der Fall“, sagt Politikwissenschaftler Butterwegge, der ein Einsetzen der Entwicklung vor etwa zwanzig Jahren registriert hat und vor einem „Mechanismus einer Abwärtsspirale“ warnt.

Parteien betrieben in Stadtvierteln mit geringer Wahlbeteiligung einen weniger aktiven Wahlkampf. Die Folge: „Die Menschen dort haben das Gefühl, dass sich die Politik nicht für sie interessiert.“ Für die Demokratie sei das „eine Katastrophe“, so Butterwegge.

Borucki: Es droht Schieflage der Repräsentation

Auch die Siegener Politikwissenschaftlerin Isabelle Borucki warnt vor der Entwicklung: Der klassische Nichtwähler sei „politikfern“, was seine Bildung, sein Einkommen oder sozialen Status angeht. So habe die Wahlbeteiligung bei den Arbeitslosen bei der Bundestagswahl 2017 bei etwa 51 Prozent gelegen, bei den Erwerbstätigen hingegen bei 86 Prozent. Soziale und wirtschaftliche Unzufriedenheit und eine damit verbundene Politikverdrossenheit seien Beweggründe für Nichtwähler, so Borucki. „Das führt zu einer Schieflage der Repräsentation gesellschaftlicher Gruppen“, so die Politikwissenschaftlerin.