Berlin. CSU-Vize Manfred Weber ruft die Union angesichts zuletzt schwacher Umfragewerte zu mehr Selbstbewusstsein auf – und attackiert die SPD.

Manfred Weber geht in die Offensive. Vor dem CSU-Parteitag, der an diesem Freitag in München beginnt, rät der Parteivize der schwächelnden Union zu mehr Selbstbewusstsein. Und gibt Auskunft über seine persönlichen Pläne.

Sie haben mit der Ankündigung überrascht, dass Sie nicht mehr Präsident des Europäischen Parlaments werden wollen. Zieht es Sie nach Berlin, Herr Weber?

Manfred Weber: Ich habe meine Ziele formuliert: Ich möchte als Nachfolger von Donald Tusk die Europäische Volkspartei führen. Ich möchte prägend mitgestalten, was Christdemokratie im nächsten Jahrzehnt auf diesem Kontinent ausmacht. Das sehe ich als meine Aufgabe.

Wer sich heute in Europa umschaut, der weiß, dass die EU in einer schwierigen Lage ist. Wir brauchen jetzt wieder Kreativität und Innovation, neue Ideen und neue Projekte.

Hat Markus Söder nie gefragt, ob Sie der nächsten Bundesregierung angehören wollen?

Weber: CDU und CSU werden mit aller Kraft dafür kämpfen, dass wir bei der Bundestagswahl ein gutes Ergebnis bekommen und Armin Laschet Kanzler wird. Da stehen sicher Ministerämter nicht im Vordergrund.

Im Herbst bewerbe ich mich erneut um den Vorsitz der größten Fraktion im Europäischen Parlament, und im Frühjahr wird dann der neue Vorsitzende der EVP gewählt. Über Gestaltungsmöglichkeiten kann ich nicht jammern.

Will Vorsitzender der europäischen Christdemokraten werden: CSU-Vize Manfred Weber beim Besuch unserer Berliner Redaktion.
Will Vorsitzender der europäischen Christdemokraten werden: CSU-Vize Manfred Weber beim Besuch unserer Berliner Redaktion. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Ihr Platz bleibt in Europa?

Weber: Ja, mein Platz ist in Europa.

Ob die Christdemokraten im Bundestag die größte Fraktion bleiben, ist mehr als ungewiss. Wie reagieren Sie auf den Absturz in den Umfragen?

Weber: Diese Wahl ist extrem herausfordernd. Was wir jetzt vor allem brauchen, ist Selbstbewusstsein. Wir wissen, dass wir es können. Das haben wir in den 16 Jahren der Kanzlerschaft von Angela Merkel gezeigt. Wir müssen noch mehr über Inhalte reden - und darauf hinweisen, dass die Scholz-SPD nicht existiert.

Olaf Scholz wird uns auf den Plakaten präsentiert. Aber dahinter stehen ein anderes Gedankengut und völlig andere Politiker. Die SPD trägt den Mitte-Kurs, für den ihr Kanzlerkandidat wirbt, nicht mit. Scholz wäre deutlich kürzer im Amt als Helmut Schmidt oder Gerhard Schröder. Wer Stabilität will, muss Union wählen.

Scholz taugt nicht als Schreckgespenst – auch nicht mit Saskia Esken an der Parteispitze.

Weber: Die SPD und Scholz sind zwei Paar Stiefel. Diesen Gedanken müssen wir jetzt in den Mittelpunkt stellen. Und wir müssen die Leute fragen: Wollen Sie, dass Kommunisten mitregieren? Dann werden viele sagen: Nein, das wollen wir nicht. Scholz muss klarstellen, was er jetzt macht: Ob er mit der Linkspartei regiert oder nicht.

Glauben Sie im Ernst, dass Deutschland aus der Nato austritt, wenn Scholz mit der Linkspartei regiert?

Weber: Es bringt auf jeden Fall Instabilität. Die chinesische und russische Führung würden sich darüber freuen. Die Debatte über die Drohnen-Technologie ist doch ein frappierendes Beispiel. Wir diskutieren ernsthaft die Frage, ob wir moderne Waffentechnologie anwenden oder nicht. Das ist haarsträubend! Wir reden über Militär. Das ist kein angenehmes Thema.

Aber wer deutsche Soldatinnen und Soldaten in den Einsatz schickt, muss ihnen Schutz und die modernsten Waffen an die Hand geben, die es auf dem Markt gibt. Dazu ist Rot-Rot-Grün nicht bereit. Dazu ist nicht mal die SPD bereit.

Die Union könnte notfalls ein Linksbündnis verhindern – indem sie als Juniorpartner in eine Scholz-Regierung eintritt.

Weber: Wir wollen die neue Bundesregierung führen. Und für uns ist klar: Keine Zusammenarbeit mit der AfD und keine Zusammenarbeit mit der Linken. Diese Botschaft würden wir uns von der SPD auch wünschen. Ich sage ganz deutlich: Eine linke Regierung würde die Spaltung in Europa vertiefen.

In Mittel- und Osteuropa werden gesellschaftliche Fragen diskutiert - und auch, wie es mit Europa weitergeht. Eine linke Bundesregierung stünde für einen Stil, der nicht zusammenführt, sondern belehrt. Dagegen würde Armin Laschet genau das machen, was Angela Merkel gemacht hat: Brücken bauen, für Zusammenhalt und Kompromisse werben. Dazu ist eine linke Regierung nicht in der Lage.

Hätte ein Kanzlerkandidat Söder den Sinkflug der Union verhindert?

Weber: Uns nutzt der Blick zurück überhaupt nichts. Die CSU wird auf ihrem Parteitag an diesem Freitag und Samstag in München ein ganz klares Signal der Unterstützung für Armin Laschet aussenden. Wir wollen gemeinsam erfolgreich sein.Auch in Bayern werden die Umfragen schwächer - die CSU ist unter die 30-Prozent-Marke gefallen. Ist das ein Laschet-Effekt?Ich bin zutiefst überzeugt: Die Messe ist noch nicht gelesen.

Wo wollen Sie die Stimmen zurückholen: in der Mitte oder am rechten Rand?

Weber: Christdemokraten und Christsoziale stehen in der Mitte und für die bürgerliche Rechte - das ist unser Platz in der Parteienlandschaft. Dort wollen wir möglichst viele Menschen überzeugen. Wir müssen aber gegenüber der AfD einen harten Kurs der Abgrenzung fahren. Und wir müssen die Menschen, die sie wählen wollen, wachrütteln.

Dazu wird es mehr als eine Rote-Socken-Kampagne brauchen.

Weber: Wir haben in Deutschland die Situation, dass vor jeder Synagoge Polizisten stehen und Menschen beim Gebet schützen, weil es unter anderem gewaltbreite Neonazis wieder gibt in diesem Land. Die bisherigen rechtsterroristischen Anschläge zeigen dies. Und die AfD zieht keinen Trennstrich zu diesem Gedankengut und diesen Kräften.

Dazu kommen Forderungen nach einem Austritt aus der EU. Wir müssen als Demokraten klarstellen: Wir werden nicht aufhören zu kämpfen, solange solche Typen noch in deutschen Parlamenten sitzen.

Was bedeutet das für die Flüchtlingspolitik? Afghanistan bringt die nächste Bewährungsprobe.

Weber: Ich werbe für einen differenzierten Blick. Es ist eine Frage des Anstands, die Ortskräfte der Bundeswehr zu retten. Das ist eine vergleichsweise kleine Zahl. Der Kernpunkt ist: Es darf zu keiner Wiederholung der Migrationskrise von 2015 kommen.

Eine unkontrollierte Migration darf und wird es nicht mehr geben. Wir werden die europäischen Außengrenzen sichern und kontrollieren. Wenn das gelingt, bin ich dafür, dass wir Flüchtlinge begrenzt aufnehmen und gerecht in Europa verteilen.

Heißt konkret?

Weber: Wir müssen zeigen, dass wir zur Hilfe bereit sind - und Kontingente für Flüchtlinge anbieten. Wir sind ein christlich geprägter Kontinent.

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz hat schon klargemacht, dass er nicht zur Hilfe bereit ist.

Weber: Österreich hat in der Vergangenheit viele afghanische Flüchtlinge aufgenommen, das darf man nicht vergessen. Die Europäische Union ist aber leider in der Migrationsfrage blockiert. Für die aktuelle Situation in Afghanistan werden wir eine Gruppe der Willigen brauchen. Ich bestehe aber darauf: Die Vorbedingung ist ein funktionierender Außengrenzenschutz. Es darf nicht zu dem Effekt kommen, dass Europa die Tür öffnet.

Jeder Einzelfall muss geprüft werden. Wir müssen vor Ort in den Flüchtlingscamps mit den Vereinten Nationen überlegen, wem wir Obdach in Europa anbieten. Und die Nachbarländer Afghanistans und die Türkei brauchen Unterstützung bei der Unterbringung von Flüchtlingen.

Großbritannien will 20.000 afghanische Flüchtlinge aufnehmen. An welche Größenordnung denken Sie?

Weber: Es ist gut, dass Großbritannien mithilft und das sollten wir auch. Das würde für ganz Europa - wenn viele EU-Staaten sich proportional beteiligen - eine relevante Zahl ausmachen. In erster Linie geht es für Deutschland um die bisherigen Ortskräfte und Unterstützer der Bundeswehr.

Wie eng sollten Deutschland und Europa mit den Taliban zusammenarbeiten, die bereits diplomatische Anerkennung und finanzielle Unterstützung fordern?

Weber: Wir müssen die ganz konkreten Probleme in Afghanistan sehen. Es gibt Dürre und Lebensmittelknappheit. Die Europäer werden Hilfsgelder bereitstellen, um Menschen vor Hunger zu retten.

Aber alle Maßnahmen der klassischen Entwicklungshilfe sollten gestoppt werden, solange wir nicht Klarheit haben, wo die Taliban-Regierung mit ihrem Land hinwill. Die bisherigen Erfahrungen lassen nichts Gutes erwarten. Dass wir unsere Gelder an Prinzipien koppeln, steht außer Frage.

Das Land der nächsten Fußball-WM - das Emirat Katar - unterstützt die Taliban im großen Stil. Nimmt Europa das hin?

Weber: Dass Katar sich so klar an die Seite der Taliban stellt, ist bedrückend. Ich bin schon der Meinung, dass wir darüber eine Diskussion brauchen. Jeder, der mit uns zusammenarbeitet und ein so großes Event wie die Fußball-WM ausrichtet, muss sich auch Fragen nach Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten stellen.

Plädieren Sie für eine Verlegung der WM?

Weber: Es gibt Entwicklungen in dem Emirat, die schwierig sind. Auch der Fußball darf sich um eine Debatte über diese Situation nicht herumdrücken.