Berlin/Ramstein. Die Menschen auf der Airbase in Ramstein wurden von der US-Armee aus Afghanistan gerettet. Einige von ihnen beantragen jetzt Asyl.

Aus der Ferne liegen sie da wie kleine Hügel aus Sand. Die hellbraunen Zelte, fast 500 sollen es sein, rund 40 Quadratmeter groß. Amerikanische Soldatinnen und Soldaten verteilen 35.000 Mahlzeiten am Tag. In diesen Tagen sollen nach Informationen unserer Redaktion noch rund 9000 Menschen in der Airbase in Rheinland-Pfalz stationiert sein, die in den vergangenen Wochen per Luftbrücke aus Afghanistan gerettet wurden. Es ist das größte Flüchtlingslager in Deutschland.

Weitere rund 4000 Afghanen sind in einer US-Kaserne in Kaiserslautern untergebracht. Mehr als 70 Flugzeuge sind bis zu Beginn dieser Woche gestartet. Ihr Ziel: die USA – oder andere sichere Drittstaaten. Mehr als 20.000 Menschen hat das US-Militär nach eigenen Angaben schon ausgeflogen. Doch offenbar wollen nicht alle der geretteten Afghanen in die USA oder andere Staaten – sondern lieber in Deutschland bleiben.

Hangar 5, Airbase Ramstein: Flüchtlinge warten auf die Ausreise.
Hangar 5, Airbase Ramstein: Flüchtlinge warten auf die Ausreise. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Afghanistan: 90 vom US-Militär gerettete Afghanen beantragen in Deutschland Asyl

Rund 90 Personen, unter ihnen offenbar vor allem Afghanen, haben hier Asyl beantragt. Das Bundesinnenministerium bestätigte am Dienstag Recherchen unserer Redaktion. Zuerst hatte die „Welt“ darüber berichtet. Das US-Drehkreuz für Tausende Afghanen könnte nun auch zur Endstation für einzelne Geflüchtete werden.

Details über die Menschen, die in Deutschland Asyl beantragt haben, können die Behörden in Rheinland-Pfalz, aber auch im Bund nicht nennen. Ihre Unterlagen werden nun erst in einem Asylverfahren geprüft. Die US-Airbase Ramstein ist deutsches Hoheitsgebiet. Dort sind derzeit auch Bundespolizisten im Einsatz. Wo die 90 Personen Asyl beantragt haben, ist unklar. Die Fälle liegen nun beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, dem Bamf.

Gerüchte darüber, dass Afghanen aus der Airbase in Ramstein oder der US-Kaserne geflohen und in Deutschland illegal untergetaucht sind, ließen sich nicht erhärten. Auf Nachfrage unserer Redaktion schreibt die rheinland-pfälzische Landesregierung, dass weder die Bundespolizei noch das Polizeipräsidium Westpfalz Kenntnisse darüber haben.

Bundesregierung will, dass die Geflüchteten von Ramstein ausgeflogen werden

Bisher nicht bekannt ist, warum die rund 90 Menschen Asyl in Deutschland stellen und ob sie einen Bezug zu Deutschland haben. Immerhin leben knapp 300.000 Afghanen in Deutschland. Haben manche von ihnen Familienangehörige hier? Fühlen sie sich in den USA nicht sicher?

Sollte jemand einen Antrag auf Familienzusammenführung in Deutschland stellen, wollen die deutschen Behörden dies lieber prüfen, wenn die Person schon in den USA ist. Zur Not, heißt es, hole man sie dann aus den USA zurück nach Deutschland. Lesen Sie hier: Afghanistan - Die bittere Bilanz der Evakuierungsmission

Die Linie der Bundesregierung ist klar: Alle Menschen sollen von Ramstein ausfliegen. Denn Fachleute in den Asylbehörden wissen: Wenn ein afghanischer Schutzsuchender erst einmal hier ist, wird es schwer, ihn wieder loszuwerden – etwa wenn sein Asylantrag abgelehnt wird. Nach Afghanistan kann er aufgrund der unsicheren Lage nicht abgeschoben werden. Und ob es einfach wird, einen abgelehnten Asylbewerber in die USA auszufliegen, wenn die US-Militärmaschinen längst von der Airbase in Ramstein abgezogen sind, ist fraglich.

Nicht alle in der Bundesregierung sind glücklich darüber, dass die USA ihren Standort in Deutschland nun zum Massenlager eingerichtet haben. Schon mit Beginn der Evakuierungsflüge vom Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul nach Deutschland hatte die Bundesregierung vereinbart, dass die von den USA Geretteten maximal zehn Tage in Ramstein untergebracht werden. Hintergrund: Deutsche Luftbrücke für vier Straftäter aus Afghanistan

Außenminister beraten im Ramstein über Lage in Afghanistan

Erleichtert nimmt man in den deutschen Behörden nun wahr, dass die Amerikaner in kurzer Zeit viele Menschen tatsächlich auch ausfliegen. Teilweise sind es offenbar zwischen 2000 und 3000 Personen pro Tag. Die hohe Zahl spricht dafür, dass die Amerikaner es mit den Zusagen ernst meinen – und alle Menschen von Ramstein ausfliegen.

Unionsfraktionsvize Thorsten Frei hebt gegenüber unserer Redaktion hervor: „Ich gehe davon aus, dass die Amerikaner die von ihnen ausgeflogenen Afghanen von der Airbase in Ramstein in die USA ausfliegen.“ Zu einem großen Teil sei das bereits geschehen. „Die Amerikaner haben die Aufnahme eines Kontingents zugesagt. Dauerhaft können die von ihnen ausgeflogenen Menschen nicht bleiben und Asyl in Deutschland beantragen.“

Am Mittwoch wird jedoch erst mal eine amerikanische Maschine in Ramstein landen. Außenminister Heiko Maas (SPD) erwartet seinen amerikanischen Kollegen Antony Blinken. Gemeinsam mit insgesamt mehr als 20 Ländern wollen die Außenminister von Ramstein aus virtuell über die Lage in Afghanistan beraten. Blinken kommt mit seinem Flieger aus Katar. Von der katarischen Hauptstadt Doha aus steuert die USA nun ihre Afghanistan-Politik – und die Verhandlungen mit den Taliban.