Berlin. Unsere Autorin geht zu einer Filmpremiere, sie ist beschämt und berührt. Angela Merkel taucht auch auf – und der Shitstorm folgt prompt.
Angela Merkel war im Kino. Na, und? Eigentlich keine Nachricht wert, aber: Es gab einen regelrechten Aufschrei! Wie kann sie nur? Und wie kann sie sogar auf einer Kinopremiere lächeln? Während in Afghanistan die Taliban das Land unterjochen und die Bundesregierung zu spät reagiert hat, um die Leute dort rauszuholen. Ja, wie kann sie nur?
Wenn die Kollegen, die sich darüber aufregen, sich auch nur einen Moment mit dem Inhalt des Filmes auseinandergesetzt hätten, hätten sie sich die Frage vielleicht selbst beantworten können.
Ich war auch dort und bin selten nach einem Kino-Besuch so bewegt gewesen – und beschämt.
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Angela Merkel, „Die Unbeugsamen“ und ihr harter Kampf
Die Bundeskanzlerin betritt pünktlich um 19.50 Uhr das Berliner Kino, gerade hat sie noch eine Pressekonferenz zu Afghanistan gegeben. Und es ist allen klar, die Frau hat richtig viel um die Ohren und sie erscheint trotzdem. Warum? Weil auch das hier gerade ein wichtiger politischer Termin ist. Die Dokumentation „Die Unbeugsamen“ erzählt vom harten Kampf der Frauen in der Bonner Republik. Einige Politikerinnen, die im Film porträtiert werden, sind anwesend. Sie tragen Kostüme in knalligen Farben, Hosenanzüge, Blumentücher und schicke Kleider. Das ist ihr Moment. Sie sind Pionierinnen und Wegbereiterinnen auch für Merkels Einzug ins Kanzleramt, auch wenn die Kanzlerin diesen letzten Punkt nicht so formuliert. Sie wissen das.
Nur wenn man Gleichberechtigung, Feminismus, Emanzipation, Gerechtigkeit für gänzlich unwichtige Themen hält, dann verurteilt man diesen Kinobesuch. Und wenn man kein Herz hat. Denn es geht hier um nichts Geringeres als die Lebensleistung dieser starken und mutigen Frauen. Frauen, die für ihren Weg ziemlich viel männliches Machtgehabe ertragen mussten.
Die Frauen wollten da rein, ins Parlament und auf die Posten
Als der Film zu Ende ist, stellt sich Angela Merkel mit den anwesenden „Unbeugsamen“ auf die Bühne. Carola von Braun, Elisabeth Haines, Ursula Männle, Ingrid Matthäus-Maier, Christa Nickels, Renate Schmidt, Helga Schuchardt, Rita Süssmuth und Roswitha Verhülsdonk, Politikerinnen aus FDP, Grüne, SPD und CDU, die inhaltlich sehr vieles unterschiedlich sehen, aber doch ein gemeinsames Ziel hatten: Sie wollten da rein, ins Parlament, auf die Ministerposten und die Republik verändern.
Alle inzwischen etwas älter stehen sie da in einer Reihe mit Merkel – ja, und sie lächeln alle, weil hier gerade die Zeit stehen bleibt. Es ist eine späte Ehre und Anerkennung ihrer Leistungen. Die Frauen strahlen zusammen, über das, was sie geschafft haben. Im Nachkriegsdeutschland wurden sie belächelt, beleidigt, angegrabscht (auch das gab es unter Abgeordneten), und mussten sich immer wieder selbst aufrichten. Denn eines war in den 50er, 60ern, 70ern und 80er-Jahren klar: Kein Mann hatte auf sie gewartet oder war bereit, für sie den Stuhl freizumachen.
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Lieber den „dummen August“ als eine Frau als Kanzlerin
Für einen bitteren, aber großen Lacher sorgte die ehemalige Grünen-Politikerin Christa Nickels, die im Film feststellt: „Wenn die Wahl gewesen wäre zwischen der besten Frau von allen in den Siebzigern und einem dummen August, dann wäre der dumme August Kanzler geworden.“
In den Generationen danach profitierten wir von Frauen wie Nickels. Als ich jung war, in den 90ern und Nullerjahren dachte ich ernsthaft, die Gleichberechtigung ist abgeschlossen, Emanzipation vollzogen. Brauchen wir alles nicht mehr, wer will, kann alles erreichen und schaffen. Ich musste im Kinosessel an mein altes, junges Ich denken. Und schämte mich für so viel Egoismus und Einfalt.
Angela Merkel weiß, was sie den anwesenden Frauen zu verdanken hat
Auch Angela Merkel wird wissen, was sie diesen Frauen zu verdanken hat. Sie ist nicht gerade bekannt dafür, dass sie die Gleichberechtigung besonders vorangetrieben hätte, umso schwerer wiegt jetzt ihr Kinobesuch: Diese Politikerinnen, sagt Merkel, „haben sich nicht mundtot machen lassen und dafür verdienen sie unseren Respekt“, es ist fast ein feministisches Statement zum Ende ihrer Kanzlerschaft und ein dickes, fettes Dankeschön.
Und ein Fingerzeig in die Zukunft. War der Frauenanteil im Bundestag seit 1965 eigentlich kontinuierlich gestiegen, sank er erstmals wieder 2017. Nach der Wahl 2013 lag er bei 36,3 Prozent, 2017 – und damit gerade genau jetzt – liegt er bei 31 Prozent. Am wenigsten Frauen sitzen für die AfD im Parlament, gefolgt von der Union.
Wie sagt Merkel doch noch gleich über den Film? „Es wurde Zeit.“
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