Berlin. Die AfD hat für ihre Politiker einen Leitfaden für den Bundestagswahlkampf veröffentlicht. Die Ratschläge sind teilweise kurios.
Die AfD wird im September aller Wahrscheinlichkeit und aktuellen Umfragen nach zum zweiten Mal in den Bundestag einziehen. Für viele Mitglieder ist es erst der zweite, für einige aber auch der erste Bundestagswahlkampf. Die rechtspopulistische Partei hat deshalb einen Leitfaden angefertigt – und diesen öffentlich ins Netz gestellt.
Das PDF-Dokument soll erklären, wie Wahlkampf funktioniert. Erarbeitet wurde der Leitfaden vom Bundesverband der Partei. Auf 76 Seiten wird Mitgliedern sowie Kandidatinnen und Kandidaten erklärt, wie sie erfolgreich Pressearbeit und Straßenwahlkampf betreiben. Auch gibt es Tipps zu Kandidatenfotos, Spendenakquise und der Nutzung von Social Media – von denen sich einige ziemlich absurd lesen.
Der Straßenwahlkampf ist für die AfD zentrales Thema: Tipps und Tricks dazu füllen ein ganzes Kapitel in der Broschüre. Wichtig sind dabei nicht nur die Inhalte, sondern auch das Verhalten der Wahlkämpfer: Zum einen solle man „niemals eine böse Bemerkung hinterherrufen“ oder „einen Passanten mit mehreren Standbetreuern ‚bedrängen‘“.
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„Eine Armlänge Abstand“ - am AfD-Wahlkampfstand
Zum anderen rät der Leitfaden, nie mehr als einen Schritt auf Passanten zuzugehen und „die Armlänge Abstand (Fluchtdistanz)“ einzuhalten. Normalerweise, wenn bei der AfD von einer „Armlänge Abstand“ die Rede ist, wird sich über die parteilose Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker lustig gemacht. Sie riet Frauen nach den Übergriffen in der Kölner Silvesternacht 2015/2016, immer eine Armlänge Abstand zu halten, um sich zu schützen. Von der AfD wurde sie dafür massiv angegriffen und verhöhnt.
Seltsam muten auch die Tipps an, die die Partei für inhaltliche Diskussionen gibt: Wichtig sei es, vor allem positiv besetzte Wahlgründe zur Sprache zu bringen, denn „niemand fühlt sich dauerhaft motiviert, wenn er für negative Ziele kämpft.“
Weiter heißt es in dem Leitfaden: „Man kann gegen etwas sein, aber nur weil das, was es zu erreichen (oder zu erhalten) gilt, dann umso besser ist (Beispiele: Sozialismus, Religion ... ).“ Ob Religion oder Sozialismus nun aber jeweils aus Sicht der AfD der Erhaltung würdig ist, wird nicht weiter erläutert.
So sollen sich Wahlkämpfer auf Gegendemos vorbereiten
Auch rät der AfD-Bundesverband Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfern dazu, über Rettungsmaßnahmen positiv zu sprechen. „Das Wort ‚Rettung‘ ist ein positives Wort. Es verkörpert Menschlichkeit. Niemand will kalt und herzlos sein, weil er ‚Rettung‘ verweigert!“ Man solle daher nicht gegen „Rettungsmaßnahmen“ argumentieren, sondern lediglich „gegen weitere Zahlungen Deutschlands an die EU“. Wie man am AfD-Wahlkampfstand aber bei einer Nachfrage zur Seenotrettung reagieren soll, dürfte dadurch nicht leichter werden.
Explizite Tipps gibt es auch für den Umgang mit Gegendemonstranten. Der Leitfaden thematisiert, wie man sich bei illegalen Aufzügen vor Wahlkampfständen zu verhalten hat. Zudem solle an Orten, wo es „mit linksextremen Gruppen Probleme gibt“, der Stand erst „auf den letzten Drücker“ angemeldet werden. Der Grund: „Linke und grüne Fraktionen im Gemeinderat können über schriftliche Kleine Anfragen die genehmigten Standorte eurer Wahlkampfstände erfragen.“ Im Zweifelsfall solle man weitere Standorte zum Ausweichen beantragen, dann habe „die Antifa mehr Lauferei“.
AfD-Wahlkämpfer sollen gepflegt an Ständen auftreten
Gibt es zu wenige Interessenten will die AfD es mit einem Trick probieren, mit dem sie schon 2015 in Hamburg aufflog: „Falls unbedingt etwas zu diskutieren ist, sollte sich derjenige vor den Stand stellen und „Passant spielen“.
Wert legt man beim Bundesverband auch auf das Aussehen des Standpersonals. Es wird zu gepflegter Kleidung und Ausgeschlafen-Sein geraten. Und: „Es ist besser, sich zu rasieren und nicht mit fettigen Haaren zu erscheinen.“
Tipps für Plakatfotos: Friseurbesuch und ein bisschen Sommerbräune
Explizite Tipps für das Aussehen gibt es auch für die Kandidaten und Kandidatinnen. Ein Kapitel des Leitfadens geht darauf ein, wie sich diese auf das Fotoshooting für ihre Wahlplakate vorbereiten sollen.
Davor sollten sie sich zum Beispiel ein wenig bräunen: „Ihre Fotos hängen im Sommer in der Öffentlichkeit. Winterblässe wirkt dann beim Betrachter unbewusst schnell ungesund. Versuchen Sie, in den Tagen vor Ihren Fotoaufnahmen ein wenig, aber nicht zu viel, Sonne zu bekommen.“
Drei bis fünf Tage vor dem Fotoshooting soll man nochmal zum „Friseur des Vertrauens“ gehen. Bärte gehören gestutzt, eine Krawatte sei heutzutage kein Muss mehr. Fussel sollten vom Jacket entfernt werden, bevor man sich ablichten lässt. Tatsächlich zielen die meisten Ratschläge auf männliche Kandidaten ab. Das dürfte kein Zufall sein: Derzeit sind nur 10,8 Prozent der Abgeordneten der AfD-Fraktion im Bundestag weiblich.
Wahlkampf auf Facebook - nicht nach Alkoholkonsum
Um Shitstorms zu vermeiden und gleichzeitig neue Wähler zu akquirieren, sollen im Wahlkampf aber auch die sozialen Netzwerke intensiv bespielt werden. Facebook sei aber immer noch am geeignetsten, um die AfD-übliche Zielgruppe zu erreichen, steht in dem Wahlkampf-Dokument.
Weitere wichtige Tipps lesen sich wie Grundregeln für den Social-Media-Gebrauch:
- „Erst denken, dann tippen.“
- „Niemals mit Alkohol Soziale Netzwerke bedienen.“
- „Bedenken Sie, dass Ihre Nutzer kaum 1,5 Sekunden Zeit haben, um Ihren Post zu sehen und zu verstehen.“
Außerdem empfiehlt die Partei ihren Kandidaten und Kandidatinnen „alles, was älter als einen Monat ist, automatisch zu löschen“. Vor dem Wahlkampf soll zudem gecheckt werden, ob es in der Vergangenheit Probleme gegeben habe, „die Medien und politische Konkurrenten gegen unsere Kandidaten ‚aus dem Hut zaubern‘ können“.
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Formulierungen im Stil der „Bild“-Zeitung erwünscht
Doch nicht nur die sozialen Netzwerke sollen genutzt werden, um AfD-Botschaften an den Mann zu bringen. Auch die etablierten Medien sollen kontaktiert werden – mit klassischen Pressemitteilungen. „Der Vorwurf der Lücken- oder Lügenpresse ist für den Aufbau von Vertrauen nicht zielführend“, erkennen die Autoren des Leitfadens an.
Zum Vorbild sollen sich die Wahlkämpfer tatsächlich eine große Boulevard-Zeitung nehmen: „Formulieren Sie […] möglichst kurz und prägnant ‚im BILD-Zeitungsstil‘“, heißt es im Kapitel zur Pressearbeit. „Schreiben Sie Pressemitteilungen in möglichst einfacher Sprache, damit der sprichwörtliche BILD-Zeitungsleser diese verstehen kann.“ Hier zeigt sich auch, welche Zielgruppe die AfD erreichen möchte.
Der Wahlkampf-Leitfaden der Partei wurde auf der Website der AfD gut auffindbar veröffentlicht. Es ist also kein Zufall. Die meisten Parteien lassend derartige Dokumente allerdings nur intern zirkulieren, beispielsweise über Mitgliederbereiche, für die ein Login nötig wäre.
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