Berlin. Der unpräzise Lebenslauf, die Plagiatsvorwürfe: Die Fehler von der Grünen-Chefin rücken ihre engsten Mitarbeiter ins Scheinwerferlicht.

Neidvoll hatten sie auf die Grünen geschaut: Die gebeutelte SPD und die Union mit ihrem zähen Zweikampf um die Kanzlerkandidatur konnten im Frühjahr beobachten, wie die Konkurrenz unter Annalena Baerbock und Robert Habeck geräuschlos und mit eiserner Kontrolle über die eigene Außendarstellung die Kandidatenfrage entschied und inszenierte. Geschmeidig, diszipliniert, wenn es internen Ärger gab, drang davon kein Wort nach draußen.

Doch damit ist es vorbei. Annalena Baerbocks Ausrufung zur ersten Kanzlerkandidatin war der letzte Moment, in dem die Medienmaschine der Grünen so richtig rundlief. Seitdem reihen sich für die 40-Jährige und ihre Partei Fehler, Peinlichkeiten und schlechte Schlagzeilen aneinander.

Grüne: Gegenwind für Annalena Baerbock wächst

Nach Korrekturen am Lebenslauf und nachgemeldeten Nebeneinkünften ist es nun die wachsende Liste offenbar kopierter Stellen aus Baerbocks Buch „Jetzt. Wie wir unser Land erneuern“, die die Partei beschäftigt. Zuletzt wurde bekannt, dass auch Analysen aus Interviews von Grünen-Grande Joschka Fischer fast wortgleich in Baerbocks Text stehen.

Das Ergebnis sind Unverständnis und heftiger Gegenwind. Vorläufiger Höhepunkt an diesem Wochenende: Die „taz“ aus Berlin – nicht dafür bekannt, den Grünen ablehnend gegenüber zu stehen – empfahl der Kandidatin in einem Kommentar, die Reißleine zu ziehen und Co-Parteichef Habeck die Kandidatur zu überlassen. „Es ist vorbei, ­Baerbock!“, so das harsche Urteil der Zeitung. Hintergrund: Baerbock zu Plagiatsvorwürfen: „Buch ist keine Doktorarbeit“

Prominente Grüne zeigten sich angesichts der Trommelfeuers in den letzten Tagen dünnhäutig und reagierten mit harter Kritik, von „Schmutzkampagnen“ war die Rede und „Propagandakrieg“. Von der kontrollierten, betont konstruktiven Kommunikation der letzten Jahre ist fast nichts mehr zu sehen.

Die Neuen im Team sind erfahrene Polit-Profis

Eine mögliche Erklärung für die holprigen letzten Wochen: das Team um Baerbock. Mit der Kanzlerkandidatur prägen das Bild der Partei nicht mehr nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Geschäftsstelle, die das Spitzenduo der Partei seit 2018 begleiten. Auch neue Köpfe sind dazugekommen, eigene Vertraute von Baerbock sind jetzt mit im Boot.

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    Lagen die Fehltritte der letzten Wochen an den Neuzugängen? Das klang zumindest durch, als Co-Parteichef Robert Habeck, derzeit noch im Urlaub, im ZDF-„Morgenmagazin“ erklärte, es seien in den letzten Wochen zwar Fehler gemacht worden – „aber die Fehler wurden nicht in der Bundesgeschäftsstelle gemacht“.

    Ein Überblick über Baerbocks Beraterkreis:

    Michael Scharfschwerdt, 47, ist seit Mitte Juni Teil des Wahlkampfteams. Er hat sich für die Grünen-Kampagne eigens freistellen lassen von seinem eigentlichen Arbeitgeber, der Unternehmensberatung Kearney. Als die Personalie bekannt wurde, lobte Bundesgeschäftsführer Michael Kellner ihn als erfahrenen Kampagnenexperten, der die Partei und das politische Berlin gut kenne.

    Scharfschwerdt war in der Vergangenheit unter anderem Büroleiter von Reinhard Bütikofer und später des damaligen Grünen-Chefs Cem Özdemir. Wie Baerbock auch arbeitete er mehrere Jahre im Europaparlament, von 2007 bis 2011 als Koordinator der deutschen Grünen-Abgeordneten.

    Unternehmensberater Michael Scharfschwerdt berät die Grünen im Bundestagswahlkampf.
    Unternehmensberater Michael Scharfschwerdt berät die Grünen im Bundestagswahlkampf. © Privat | Privat

    Später wechselte er zur Strategieberatung von Joschka Fischer, bevor er bei Kearney anfing. In diesem Sommer soll er die Wahlkampf-Tour der Kandidatin leiten – eine Entscheidung, die laut Grünen vor Beginn der Pannenserie gefallen ist.

    Baerbocks Ehemann unterstützt seine Frau bedingungslos

    Besonders wichtig für Baerbock ist die Meinung ihres Ehemanns. Daniel Holefleisch – Spitzname „Kloppo“, wegen der optischen Ähnlichkeit zum Liverpool-Trainer Jürgen Klopp – arbeitet seit Jahren als Lobbyist für die DHL Group, doch er kennt auch den Kosmos der Partei gut.

    Anfang der 2000er war er noch als Student Teil einer Kampagne, die Jungwähler für Politik begeistern wollte, später war er in der Parteizentrale zuständig für Kontakte zu Unternehmen. Schon familiär ist der 48-Jährige grün vorgeprägt: Vater Ulrich Holefleisch war lange in der Göttinger Lokalpolitik für die Grünen aktiv.

    Eine formale Rolle im Wahlkampfteam hat Baerbocks Mann laut Bundesgeschäftsstelle der Grünen allerdings nicht. Öffentlich äußert sich Holefleisch nicht zu politischen Themen. Bekannt ist, dass er seinen Job an den Nagel hängen würde, sollte seine Frau nach der Bundestagswahl im Herbst ein Regierungsamt übernehmen. Das hatte Baerbock im Mai erklärt.

    „Wir haben ein tolles Team“, sagt der Geschäftsführer

    Ebenfalls Teil des Teams ist An­dreas Kappler, Wahlkampfsprecher der Partei. Eigentlich leitet er die Pressestelle der Bundestagsfraktion, er gilt als Vertrauter von Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Kappler war schon 2017 Wahlkampfsprecher, damals kehrte er nach dem Platzen der Jamaika-Sondierungen in die Fraktion zurück.

    Er war einer der Ersten, der nach dem Bekanntwerden der Plagiatsvorwürfe in der vergangenen Woche in den Angriffsmodus schaltete. Er sprach damals von „Rufmord“ – bösartig werde versucht, Baerbocks Ruf zu beschädigen.

    Michael Ebmeyer, 47 Jahre alt, ist freier Autor – und der Mann, mit dem gemeinsam Baerbock jenes Buch verfasst hat, das den grünen Wahlkämpfern jetzt so viel Kopfzerbrechen bereitet. Der Hinweis auf die Co-Autorenschaft findet sich erst im Inneren des Buches. In „langen persönlichen Gesprächen“, schreibt Baerbock in der Danksagung, habe er Dinge aus ihr herausbekommen, die ihr erst dadurch bewusst geworden seien.

    Bundesgeschäftsführer Michael Kellner stellte sich am Montag demons­trativ vor das Wahlkampfteam. Schuld an der schwierigen Situation der Partei seien nicht einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Man habe, so Kellner, „ein tolles Team“.

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