Berlin/Magdeburg. Bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt landet die CDU überraschend deutlich vor der AfD. Das stärkt auch den Kanzlerkandidaten Laschet.

Die Erleichterung und die Freude, sie sind auch hinter den Masken deutlich zu erkennen: Als um 18 Uhr klar ist, dass die CDU mit Abstand stärkste Kraft ist, ist der Jubel auf der Wahlparty der Christdemokraten in einem Veranstaltungslokal nahe der Elbe in Magdeburg groß. Fast ein bisschen ungläubig klatschen sie sich hier gegenseitig ab, schütteln die Fäuste.

Denn trotz aller Beteuerungen des Gegenteils: So richtig sicher waren sie hier nicht gewesen, ob es auch dieses Mal wieder reichen würde – oder ob Sachsen-Anhalt das erste Bundesland werden würde, in dem die AfD eine Landtagswahl gewinnt. Immer wieder war die Rechtsaußen-Partei der CDU in den Umfragen gefährlich nahegekommen, lag in einer Befragung des Meinungsforschungsinstituts Insa Ende Mai sogar knapp vorn.

Landtagswahl in Sachsen-Anhalt: Erleichterung bei CDU in Berlin

In den letzten Wochen des Wahlkampfs hatten Christdemokraten immer wieder betont, dass CDU wählen müsse, wer die AfD als Wahlsieger verhindern wolle. Ausgerechnet jene Umfrage, die die AfD vorn sah, könnte Wählerinnen und Wähler anderer Parteien zur CDU gebracht und Ministerpräsident Reiner Haseloff den Sieg beschert haben.

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Spürbar war die Erleichterung auch am Sonntagabend in Berlin. „Die CDU hat diese Wahl deutlich gewonnen - heute ist ein guter Tag“, sagte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak bei der Liveschalte aus der Parteizentrale zum ZDF. Auch Carsten Linnemann, Chef des einflussreichen Mittelstandsflügels der Union, sieht im Magdeburger Ergebnis Rückenwind für die Bundespartei. „Für die Union könnte dieser Wahltag ein Wendepunkt sein, dass wir den Schlussspurt zur Bundestagswahl jetzt mit Geschlossenheit, Siegeswillen und Kampfeslust angehen“, sagte er dieser Redaktion.

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Kanzlerkandidat Laschet meldet sich erst am Montag zu Wort

Von CDU-Chef Armin Laschet gab es zunächst keinen Kommentar; er wird erst am Montag mit Haseloff eine Pressekonferenz geben. Das hat Tradition, soll aber auch ein Signal der Gelassenheit sein. Vor der Wahl hatte Laschets Umfeld betont, dass in Magdeburg ja nicht der Bundesvorsitzende zur Wahl stünde, sondern die dortige Regierung.

Interaktive Karte: So hat Sachsen-Anhalt in den 218 Gemeinden gewählt

Das ist nur halb richtig. Zwar entscheiden bei Landtagswahlen meist landespolitische Faktoren und Persönlichkeiten den Ausgang. Trotzdem gibt es eine Wechselwirkung mit der Bundespolitik. Sachsen-Anhalt kam dabei trotz nur knapp 1,8 Millionen potenziellen Wählern eine besondere Rolle zu: Als letzte Abstimmung über ein Länderparlament war es eine Art Generalprobe für die Bundestagswahl.

Kommentar: Warum die Wahl in Sachsen-Anhalt kein Grund zum Jubeln ist

Und für Laschet besonders tückisch: Denn als einer der wenigen CDU-Ministerpräsidenten hatte sich Haseloff bei der Abstimmung über die Unionskanzlerkandidatur gegen den Rheinländer gestellt und für CSU-Chef Markus Söder ausgesprochen. In einem gemeinsamen Auftritt im Wahlkampf hatten beide versucht, dem Bild der innerparteilichen Zerrissenheit entgegenzuwirken. Doch das Fremdeln miteinander war unverkennbar.

Dabei ist die Wiederwahl Haseloffs für Laschet enorm wichtig. Denn der 67-jährige Haseloff, der seit 2011 Sachsen-Anhalt regiert, gilt als Garant für die Abgrenzung nach ganz rechts. Mit einem Wahlsieg der AfD hätte er wohl gehen müssen. Und mit ihm verschwunden wäre die Sicherheit, dass mitten in Deutschland nicht die erste offizielle Zusammenarbeit von CDU und AfD auf Landesebene entsteht.
Anlass für solche Spekulationen bot die CDU in Sachsen-Anhalt in den vergangenen Jahren immer wieder selbst. Denn die vielbeschworene „Brandmauer“ nach rechts wackelte immer wieder und mit ihr auch die Kenia-Koalition.

Rainer Haseloff (CDU) ist der Sieger der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt.
Rainer Haseloff (CDU) ist der Sieger der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. © Frank May/dpa

Entsetzen über Thesenpapier zu Zusammenarbeit von CDU und AfD

Für Entsetzen sorgte bei den Koalitionspartnern, aber auch der eigenen Partei ein Thesenpapier, in dem zwei hochrangige CDU-Landtagsabgeordnete darüber sinnierten, das „Nationale“ wieder mit dem „Sozialen“ versöhnen zu wollen. AfD-Spitzenkandidat Oliver Kirchner prahlte in Interviews zudem, AfD und CDU hätten „wahrscheinlich die besten Verbindungen in einem Landesparlament bundesweit“.
Der AfD-Verband, der da so gute Beziehungen zur CDU für sich in Anspruch nimmt, markiert selbst innerhalb der Partei noch den rechten Rand.

Seit Jahresbeginn steht die sachsen-anhalter AfD unter Beobachtung des Landesverfassungsschutz, MDR-Recherchen zeigten erst kürzlich, dass in der Fraktion Mitarbeiter beschäftigt werden, die früher Funktionsträger in der mittlerweile verbotenen rechtsextremen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ oder deren Vorgängerorganisation waren. Bei Wahlkampf-Auftritten träumen AfD-Politiker im Land öffentlich großangelegten Abschiebeprogrammen und vom ersten blauen Ministerpräsidenten.

Laschet hat noch andere Baustellen

Dazu wird es nach dieser Wahl nicht kommen. Der Dammbruch ist abgewendet. In der Bundes-CDU hofft man nun, dass die Regierungsbildung in Sachsen-Anhalt schnell und möglichst geräuschlos über die Bühne geht und den Wahlkampf des Kanzlerkandidaten nicht als Hintergrundrauschen belastet. Denn Laschet hat noch andere Baustellen: etwa die umstrittene Kandidatur des früheren Ex-Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen für die CDU Südthüringen.

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Dieser hatte am Samstagabend sich in einem Tweet zur These verstiegen, der volle Name der Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock könne eine linksradikale Botschaft beinhalten. „Annalena Charlotte Alma Baerbock = ACAB = All Cops Are Bastards. Zufall oder Chiffre?“, schwurbelte Maaßen und löste damit empörte Reaktionen in den sozialen Netzwerken aus. Auf Laschet wächst der Druck, ein Parteiausschlussverfahren für Maaßen zu erwägen.

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Osten ist für die CDU unter Laschet nicht verloren

Nach Haseloffs Sieg in Sachsen-Anhalt kann er zumindest aber einmal durchatmen. Dieser ist ein Beleg, dass der Osten für die CDU auch unter einem Kanzlerkandidaten Laschet nicht verloren ist. Doch nun muss Laschet beweisen, dass auch im Bund eine Trendumkehr gelingt.

Zumal das nächste wichtige Datum schon bevorsteht: Am 21. Juni wollen CDU und CSU ihr gemeinsames Wahlprogramm vorstellen. Unabhängig davon will die CSU auch noch einen eigenen Bayern-Plan vorlegen. Laschet kann nur hoffen, dass der Rückenwind aus Magdeburg auch eventuelle Störfeuer aus München unterbindet.