München. Bayerns Ministerpräsident Söder sagt, wie er die Grünen bei der Bundestagswahl besiegen will – und warum er Steuererhöhungen ablehnt.

Markus Söder will sich nicht anmerken lassen, dass der verlorene Machtkampf um die Kanzlerkandidatur ihn noch umtreibt.

Im Interview mit unserer Redaktion gibt sich Bayerns Ministerpräsident als Schrittmacher für Deutschland – gerade beim Klimaschutz. Wer ein Elektroauto fährt, soll Vorteile bekommen.

Herr Söder, wie groß ist die Gefahr, dass die Union die Bundestagswahl verliert?

Markus Söder: Diese Bundestagswahl ist die größte Herausforderung seit 1998. Die Union muss nach 16 Jahren an der Regierung zeigen, dass sie noch zukunftsfähig und gestaltungswillig ist. Es macht sich Wechselstimmung breit im Land. Die Union muss sich daher neu erfinden, wenn sie erfolgreich bleiben und bei den Menschen punkten will. Ein bloßes „Weiter so“ wäre zu wenig als Zukunftsidee. Das wird ein Wimpernschlagfinale.

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Die Union ist in Umfragen hinter die Grünen zurückgefallen. Wäre das mit einem Kanzlerkandidaten Söder anders gekommen?

Jeder weiß, dass die Bedeutung von Umfragen in der Union unterschiedlich gewichtet wurde. Armin Laschet ist unser Kandidat. Wir werden alles tun, ihn zu unterstützen. Jetzt kommt es darauf an, ein gemeinsames und modernes Programm zu entwickeln. Klar ist aber auch: Es kommt immer auf den Kanzlerkandidaten an. Armin Laschet steht bei unserem Wahlkampf im Mittelpunkt. Auch interessant: Sitz des Regierungschefs: Das ist das Bundeskanzleramt

Fast jeder dritte Bundesbürger rechnet damit, dass Laschet als Kanzlerkandidat noch ausgewechselt werden muss. Eine abwegige Vorstellung?

Ich halte das für absurd. Die Würfel sind gefallen.

Wer führt denn die CSU in die Bundestagswahl?

Alexander Dobrindt ist als Landesgruppenvorsitzender der geborene Spitzenkandidat. Aber wir werden das noch gemeinsam bereden. Wir wollen eine jüngere, weiblichere Liste und werden paritätisch antreten – dies wäre für die CSU bei der Bundestagswahl ein Novum. Die entscheidende Frage ist: Landet die Union vor den Grünen – und wie weit? Wenn wir hinter die Grünen zurückfielen, hätten wir ohnehin keine Chance mehr, zu regieren. Grün-Schwarz halte ich für falsch. Als Juniorpartner der Grünen in eine Regierung einzutreten, würde der Union auf Dauer fundamentalen Schaden zufügen. Lesen Sie auch: Gehalt, Aufgaben, Wahl - Alles zum Amt der Bundeskanzlerin

CSU-Chef Markus Söder in der bayerischen Staatskanzlei in München: „Die Union muss so stark wie möglich werden. Wer nur Schwarz-Gelb propagiert, stärkt die FDP.“
CSU-Chef Markus Söder in der bayerischen Staatskanzlei in München: „Die Union muss so stark wie möglich werden. Wer nur Schwarz-Gelb propagiert, stärkt die FDP.“ © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Also Kanzleramt oder nichts?

Wenn die Union nicht mehr den Kanzler stellt, dann ist sie faktisch abgewählt. Und eine abgewählte Partei muss einen anderen Weg der Erneuerung antreten – in der Opposition. Ich bin aber überzeugt, dass die Union am Ende vorne liegt. Dafür werden wir alles tun.

Wie viele Prozentpunkte kostet Sie die Korruptionsaffäre um die Maskenbeschaffung?

Wir haben sehr konsequent reagiert. Ich habe für die CSU dabei einen sehr harten Kurs gefahren. Wir haben uns von langjährigen Kollegen getrennt und in kürzester Zeit völlig neue und sehr strenge Regeln entwickelt. In einer solchen Krise müssen Veränderungsprozesse von der Parteispitze gestaltet werden.

Sind Sie sicher, dass alles aufgearbeitet ist?

Nach meinem Eindruck – ja.

Falls die Union wieder regiert – mit wem? Laschet wirbt für eine schwarz-gelbe Koalition.

Das überragende Ziel muss sein: Die Union muss so stark wie möglich werden. Wer nur Schwarz-Gelb propagiert, stärkt die FDP – sodass es am Ende sogar für eine Ampelkoalition reichen könnte. Schwarz-Gelb aus eigener Kraft scheint im Augenblick weniger wahrscheinlich zu sein. Also könnte eine Stimme für die FDP am Ende eine Stimme für eine grüne Kanzlerin sein. Wir müssen Wahlkampf für uns führen und klarmachen, was wir wollen. Die Union braucht einen integrierenden und inspirierenden Ansatz.

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Was verstehen Sie darunter?

Es geht um einen Dreiklang: Wir stehen für einen starken Staat und eine moderne Gesellschaft in einer gesunden Welt. Unsere Kernbotschaft lautet: Wir sind die Einzigen, die Umwelt und Marktwirtschaft zusammenbringen. Die Grünen setzen auf eine „Fridays for Future“-Strategie, die FDP auf eine klassisch marktradikale Idee. Wir begreifen Umweltschutz nicht als notwendiges Übel, sondern als Teil einer Alltagsidee. Wir schaffen neue Arbeitsplätze durch Digitalisierung und saubere Technologien – und nicht auf Kosten der nächsten Generation. Lesen Sie hier: Hartz IV: Das planen die Parteien in ihren Wahlprogrammen

Geht das konkreter?

Beispiel Auto: Ich bin dafür, den fossilen Verbrennungsmotor ab 2035 zu beenden. Wir müssen rechtzeitig mit alternativen Antrieben – Elektro, Wasserstoff und synthetischen Treibstoffen – marktfähig sein. Die Forschung fördern wir massiv. Beispiel Kohle: Wir können früher aus der Kohleenergie aussteigen als 2038. Es geht auch ohne Grüne, das Land ökologischer zu machen. Natur und Umwelt kann die Union besser als andere schützen, bei gleichzeitigem Erhalt des Wohlstands.

Passt das in ein gemeinsames Wahlprogramm von CDU und CSU?

Es wird ein gemeinsames Wahlprogramm von CDU und CSU geben. Aber da wir eine eigenständige Partei sind, die nur in Bayern antritt, müssen wir das Programm ergänzen. Wir haben die größte ökologische Landwirtschaft in Deutschland, besondere Klima-Herausforderungen durch die Alpen – und den größten Zuzug von jungen Menschen. Also legen wir darauf einen Schwerpunkt.

Vor drei Jahren wollten Sie die AfD in der Flüchtlingspolitik überholen, jetzt wetteifern Sie mit den Grünen beim Klimaschutz. Wer soll Ihnen das abnehmen?

Das Leben verändert sich. Menschen kaufen heute Autos nach Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit – und nicht nur nach Schnelligkeit und Lautstärke. Auch das Essverhalten ändert sich: Selbst CSU-Minister essen öfter Salat als eine Schlachtplatte (lacht). Die Union muss die veränderte Gesellschaft berücksichtigen – und die richtigen Antworten darauf geben.

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Die Grünen wollen Kurzstreckenflüge abschaffen. Sie auch?

Wir haben die Kurzstreckenflüge schon teurer gemacht und die Bahn attraktiver. Ich lade die Grünen dazu ein, mit uns eine Idee zur Planungsbeschleunigung zu entwickeln. Dann können wir ökologisch sinnvolle Bahnstrecken schneller bauen – und das Problem der Kurzstreckenflüge löst sich von selbst. Das Verbot ist weniger sinnvoll als die kluge Alternative. Im Übrigen fliegen die Grünen nicht weniger als andere.

So funktionieren die Briefwahlen

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    Wie denken Sie über Tempo 130 auf Autobahnen?

    Wir haben schon eine ganze Reihe von Temporegulierungen. Telematik und digital gesteuertes Fahren ergeben Sinn. Aber wie es die Grünen aufsetzen, ist es eine ideologische Klamotte. Spannender finde ich die Frage, wie wir die Mobilität in den Innenstädten organisieren.

    Autofrei, nehmen wir an.

    Völlig? Nein. Ich kann mir aber vorstellen, dass wir Vorteile schaffen für Autos mit alternativen Antrieben: Wir könnten für Elektroautos das Parken in der Innenstadt kostenlos machen oder sie Busspuren nutzen lassen. Wir brauchen neuen ÖPNV mit einem 365-Euro-Ticket für alle und eine Radoffensive. Das sind die Innovationen, die uns bei der Mobilität weiterhelfen. Mit Forderungen aus den 80er-Jahren, wie sie die Grünen erheben, lösen wir nicht die Probleme des 21. Jahrhunderts.

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    Wie ökologisch leben Sie privat?

    Ich fahre privat viel mit dem Rad, rauche nicht und trinke praktisch keinen Alkohol. Wir trennen natürlich den Müll und haben Solarthermie. Keiner ist perfekt, aber der Trend ist klar. Wo wir unnötige Belastungen für die Umwelt vermeiden können, tun wir das auch.

    Urlaub machen Sie in der Region?

    Mal sehen, ob freie Zeit bleibt. Bayern kann ich als Urlaubsland immer empfehlen. Für den Sommerurlaub habe ich große Hoffnung, dass auch Reisen ins Ausland wieder gut möglich ist. Nach über einem Jahr in der Pandemie sind wir alle so genervt und gestresst, dass ein Tapetenwechsel drin sein muss. Wir sollten den Menschen kein schlechtes Gewissen machen, wenn sie wegfahren wollen. Es gibt Hygienekonzepte, es gibt Tests, die Impfraten sind vorangekommen. Wer nach Mallorca fliegt, darf das mit ruhigem Gewissen tun.

    Bundestagswahl: Die Kanzlerkandidaten

    Annalena Baerbock tritt als Kanzlerkandidatin für die Grünen an.
    Annalena Baerbock tritt als Kanzlerkandidatin für die Grünen an. © dpa | Kay Nietfeld
    Baerbock ist die einzige Frau unter den Kandidaten und könnte die Nachfolgerin von Angela Merkel werden.
    Baerbock ist die einzige Frau unter den Kandidaten und könnte die Nachfolgerin von Angela Merkel werden. © dpa | Kay Nietfeld
    Mit Robert Habeck bildet Baerbock die Doppelspitze der Grünen.
    Mit Robert Habeck bildet Baerbock die Doppelspitze der Grünen. © dpa
    Die Union hat sich für Armin Laschet als Kanzlerkandidat entschieden.
    Die Union hat sich für Armin Laschet als Kanzlerkandidat entschieden. © dpa | Kay Nietfeld
    Laschet ist amtierender  CDU-Vorsitzender und Ministerpräsident von NRW.
    Laschet ist amtierender CDU-Vorsitzender und Ministerpräsident von NRW. © FUNKE Foto Services | Reto Klar
    Laschet konnte sich im Kampf um die Kandidatur gegen CSU-Chef Markus Söder durchsetzen.
    Laschet konnte sich im Kampf um die Kandidatur gegen CSU-Chef Markus Söder durchsetzen. © dpa
    Für die SPD tritt Olaf Scholz als Kanzlerkandidat an.
    Für die SPD tritt Olaf Scholz als Kanzlerkandidat an. © dpa
    Scholz ist als  Finanzminister bereits Teil der aktuellen Regierung.
    Scholz ist als Finanzminister bereits Teil der aktuellen Regierung. © dpa
    Zudem ist Scholz auch Vize-Kanzler von Angela Merkel.
    Zudem ist Scholz auch Vize-Kanzler von Angela Merkel. © Getty Images | Pool
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    Stellen Sie sich auf einen normalen Sommer ein?

    Unser Leben wird wieder viel normaler werden, aber es bleiben Vorsichtsmaßnahmen: Maske, Hygiene, Testen und Impfen werden uns weiterhin helfen. Es sollte daher kein Partygewühl am Ballermann geben. Wir werden aber andere Formen von Urlaub haben, die man genießen kann – mit Vernunft und Augenmaß.

    Aus dem Archiv: Kanzlerkandidatur: Warum Söder kaum noch Chancen hat

    Wie findet die Wirtschaft aus der Krise?

    Wir brauchen ein Konjunkturprogramm. Ziel muss die digitale und ökologische Transformation unserer Wirtschaft sein. Das erfordert große Investitionen. Andernfalls verlieren wir im Wettbewerb mit China und den USA dramatisch an Boden.

    Wie groß soll dieses Konjunkturpaket ausfallen?

    Das wird sich zeigen. Ich habe im Moment etwas Sorgen, was den Bundeshaushalt angeht. Der Bundesfinanzminister hat vielleicht Luftbuchungen gemacht, die wir jetzt noch gar nicht überblicken. Nach der Bundestagswahl brauchen wir eine ehrliche Eröffnungsbilanz. Mehr zum Thema: Zusammensetzung, Aufgaben - Alle Infos zum Bundestag

    Sie bereiten die Bürger auf Steuererhöhungen vor.

    Überhaupt nicht. Wie kann man in einer Zeit, in der wir Aufschwung brauchen, die Steuern erhöhen? Die linken Parteien fordern Vermögenssteuern, die den Mittelstand ersticken und verfassungswidrig wären. Ich bin der festen Überzeugung: Steuersenkungen bringen auf Dauer mehr Steuereinnahmen als Steuererhöhungen.

    Eine Bundesregierung, an der die CSU beteiligt ist, wird die Steuern nicht erhöhen?

    Wir sind klar gegen Steuererhöhungen.

    Ein Versprechen klingt anders.

    Das war doch eindeutig. Wir wollen eher Steuern senken über eine Klimasteuerreform: Der höhere CO2-Preis muss durch eine Senkung von Stromsteuer und EEG-Umlage ausgeglichen sowie durch Klimaabschreibungen und eine Steuerbefreiung kleiner regenerativer Energieanlagen ergänzt werden.