Berlin. Antisemitismus ist nicht erst seit den jüngsten Eskalationen des Nahost-Konflikts ein Problem. Jetzt ist der Rechtsstaat gefragt.

Es ist offensichtlich, Deutschland hat ein Antisemitismus-Problem. Und zwar nicht nur ein hier gewachsenes, schließlich haben Studien ergeben, dass auch jeder vierte Deutsche antisemitische Gedanken hat.

Sondern darüber hinaus eines, das die Gesellschaft lange ignoriert hat: Denn der Judenhass einiger, die aus muslimisch geprägten Ländern nach Deutschland gekommen sind, ist nicht mehr zu übersehen. Und die Flüchtlingswelle 2015 hat das Problem mit rund einer Million Geflüchteten aus Ländern wie Syrien, Irak und Afghanistan offenbar noch verstärkt, wie die vergangene Woche gezeigt hat.

Bereits 2014 reichte der Nahost-Konflikt bis nach Deutschland. Auf einer „Free Palestine“-Demonstration in Hannover wurden Schilder mit durchgestrichenem Davidstern hochgehalten und antisemitische Parolen gebrüllt. Als sich die deutsch-israelische Gesellschaft Hannover zur Gegendemonstration versammelte, wurde sie angegriffen. Ein junger Mann der Free-Palestine-Demonstranten sprang mit gestrecktem Bein einem der Gegendemonstranten in den Rücken.

Pro-Palästina-Aktivisten bedrohen israelisches Paar

Print-Textchefin Diana Zinkler kommentiert das Antisemitismus-Problem in Deutschland.
Print-Textchefin Diana Zinkler kommentiert das Antisemitismus-Problem in Deutschland. © Krauthoefer | Krauthoefer

In Berlin bedrohten Pro-Palästina-Aktivisten ein israelisches Ehepaar. Der eine Kippa tragende Mann und seine Frau kreuzten eine Demonstration der Aktivisten, daraufhin grölte die Menge „Nazi-Mörder Israel!“, „Scheiß Juden, wir kriegen euch!“ und „Wir bringen euch um!“ Einige Teilnehmer versuchten sogar das Paar anzugreifen, nur die Polizei konnte den Angriff verhindern.

Das passierte, während Israel und die Hamas einen weiteren militärischen Konflikt im Gazastreifen austrugen. Aber allein die zwei Beispiele zeigen, dass Unterstützer von propalästinensischen Organisationen auch früher nicht vor antisemitischen Übergriffen zurückschreckten.

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Es muss sich also heute niemand wundern, wenn auch 2021, während des neuesten Nahost-Konflikts, Juden vor Synagogen mit dem Tod bedroht werden, wenn eine israelische Journalistin auf einer Demonstration in Berlin angegriffen wird. Das hat nichts mit berechtigter Israelkritik zu tun, das ist Hass.

Auf dieser und noch zwei weiteren Demonstrationen in Berlin hat die Polizei 59 Personen festgenommen wegen schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung, Gewalt gegen Polizeibeamte sowie Gefangenenbefreiung. Darüber hinaus seien die Identitäten von mehr als 150 Personen festgestellt und Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeiten erstattet worden. Die Haupttäter bei den Ausschreitungen waren „mehrere Hundert arabisch-stämmige Jugendliche“ und Linksextremisten.

Zentralrat der Juden veröffentlicht schlimmste Beschimpfungen

Wer sich dieser Tage in sozialen Netzwerken wie Twitter aufhält, wird schockiert sein. Der Zentralrat der Juden veröffentlichte jüngst nur eine Kurzfassung seiner schlimmsten zugesandten Beschimpfungen. Die Reaktionen darauf sind ein menschlicher Abgrund.

Ein Zustand, den die Gesellschaft nicht hinnehmen darf. Wer in Deutschland leben möchte, muss die Werte dieses Landes und die Verantwortung, die es für alle Juden und den Staat Israel trägt, akzeptieren. Niemand darf von Frieden, Freiheit und der Wirtschaftskraft dieses Landes profitieren und dabei gleichzeitig die Vernichtung des Staates Israel fordern. Aber im Gegensatz zu 2014 hat sich die strafrechtliche Dimension für antisemitisch motivierte Taten verschärft und die Polizei achtet zudem mehr auf die Art der Hassparolen.

Die Bundesregierung muss jetzt eine Antwort geben. Im Jahr 2014 konnte sich der Rechtsstaat bei der Strafverfolgung teilweise nicht durchsetzen, nun müssen die Behörden zeigen, dass nicht von der Meinungsfreiheit gedeckte Hassparolen erfasst und die Täter konsequent verfolgt und bestraft werden.