Düsseldorf/Solingen. Motorradlärm sorgt immer wieder für Ärger mit Anwohnern. Nun startet in NRW eine Kampagne gegen den Lärm unter dem Motto „Ich bin #leiserBiker“.

Die einen sprechen von „gutem Sound“, die anderen von Lärmbelästigung. Laute Motorräder sorgen schon seit langem für Streit zwischen Bikern und Anwohnern. Nun will das Land mit einer neuen Aktion helfen .

150 großflächige Plakate entlang der Straßen

Tom trägt Sneaker, Jeans und Denim-Hemd und ist gerade von jemandem für ein paar Fotos auf die Moto Guzzi gehoben worden. Denn Tom ist erst vier Jahre alt, kommt deshalb nicht einmal bis an den Lenker des großen Motorrades. Tom ist also nicht das Problem, wenn es um Lärmbelästigung durch Biker geht. Aber er soll dabei helfen, das Problem zu lösen – genau wie Jerome, Cordula, Janina und Ingo. Sie sind die Gesichter der neuen Kampagne #leiserbiker, die NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) gestern im „Cafe Hubraum“ in Solingen vorgestellt hat.

Auf rund 150 großflächigen Plakaten sind die Fünf in den kommenden Wochen und Monaten am Straßenrand zu sehen – immer einzeln aber stets mit dem gleichen Spruch: „Ich bin #leiserBiker. Gas runter! Lärm runter!“ Andere Motorradfahrerinnen und -fahrer können sich an der Kampagne beteiligen, indem sie ein Foto von sich auf www.leiserbiker.de hochladen und dann mit dem Aktions-Logo in ihre sozialen Netzwerke stellen.

Streckensperrungen am Wochenende

Ein Appell für „mehr Achtsamkeit, Rücksicht und Respekt“ auf der Straße also. Nicht der erste zu diesem Problem, wahrscheinlich auch nicht der letzte in diesem Jahr. Denn die Motorrad-Saison hat gerade begonnen. Und die, findet Wüst, „soll allen Spaß machen“: „Denen, die auf der Maschine abwechslungsreiche Routen entdecken wollen und denen, die auf der Terrasse oder im Garten in Ruhe ihre Freizeit genießen möchten.“

Letzteres ist oft schwierig. „Immer wieder kommt es zu Beschwerden über zu aggressives und zu lautes Fahren von Zweirädern“, weiß Klaus Voussem, Vizepräsident der Landesverkehrswacht NRW. Regelmäßig ist es deshalb in den vergangenen Jahren im Sauerland, dem Bergischen oder der Eifel zu Streckensperrungen und Wochenend-Fahrverboten kommen. In Tirol wurden bestimmte Straßenabschnitte für besonders laute Motorräder sogar bis Ende Oktober gesperrt. Wer dagegen verstößt, riskiert ein hohes Bußgeld. Für viele Biker „ungerechte Kollektivstrafen“, gegen die sie demonstrierten.

Niemand weiß, wie viele Fahrer wirklich Lärm machen

Denn wie groß der Anteil von Krachmachern in der 2020 in Nordrhein-Westfalen um 11.000 auf 41.600 Fahrer und Fahrerinnen gewachsenen Szene ist, weiß niemand genau. Das Umweltbundesamt etwa erklärt laut „Spiegel“, ihm lägen „keine Daten vor, wie viele Motorräder außergewöhnlich laut im Straßenverkehr betrieben werden“. Die Vereinigten Arbeitskreise gegen Motorradlärm (VAGM) behaupten, 30 Prozent der Motorradfahrer würden durch intensive Lärmentwicklung auffallen, Voussem dagegen spricht von „einigen schwarzen Schafen, unter denen die ganze Szene leiden muss“.

Mit solchen Plakaten soll für die neue Kampagne geworben werden.
Mit solchen Plakaten soll für die neue Kampagne geworben werden. © Fabian Strauch / FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Werden es mehr? „Kann man so nicht sagen“, findet Richard Zöllner, seit 14 Jahren Wirt des Cafe Hubraums. Bei schönem Wetter und ohne Corona tummeln sich in seinem Lokal und Garten an guten Tagen „so 500 bis 600 Biker“. Ganz ohne Lärm, räumt der 52-Jährige ein, gehe es bei An- und Abfahrt nicht zu. Aber wenn einer vor der Kneipe zu heftig am Gasgriff dreht oder einen Wheelie auf der Straße machen will, dann greift Zöllner ein. „Lass das, wenn du wiederkommen willst.“ Und dabei hat er festgestellt: „Mit den meisten kannst du reden.“ Mit einigen wenigen nicht. „Die werden erst wach, wenn die Polizei ihr Motorrad bei einer Kontrolle beschlagnahmt hat“, weiß auch Voussem.

Schalldämpfer werden manipuliert

„Es wird mehr an den Maschinen herumgeschraubt“, glaubt Janina Voges, derzeit Hagens einzige Motorrad-Polizistin aber als Privatperson bei der Kampagne dabei. Etwa um Schalldämpferanlagen zu manipulieren oder auszutauschen. Was den Motor nicht leiser macht.

Manchmal muss man allerdings selber gar keine Hand anlegen. „Viele Firmen haben ihre Maschinen in den vergangenen Jahren schon ab Werk lauter gemacht“, ärgert sich „leiserbiker“ Ingo Kramer (48) , Anwalt aus Herdecke. „Das wird bei der Diskussion immer wieder vergessen.“

Leise durch das Sauerland

Grundsätzlich aber bestreiten selbst Motorradfahrervertreter die Existenz des Lärmproblems nicht. „Wir müssen die Minderheit der Lärmenden in den Griff kriegen“, fordert zum Beispiel Michael Lenzen, Sprecher des Bundesverbandes der Motorradfahrer (BVDM) schon seit Monaten.

Cordula, die auch an der Plakataktion teilnimmt, hat das ebenfalls schon lange erkannt. Sie fährt gerne mit ihrer BMW R 1200 durch das Sauerland, wenn sie Zeit hat. „Aber leise“, sagt die 48-Jährige. Weil sie selbst ja auch fast genauso gerne mal auf ihrer Terrasse sitzt und weiß, wie das ist, wenn die Maschinen da lautstark am Haus vorbeifahren. Und wie ist es?

„Es nervt gewaltig.“