Berlin. Wirtschaftsminister Altmaier fordert die Freilassung Nawalnys. Die Gaspipeline Nord Stream 2 knüpft er aber nicht an den Kremlkritiker.

Knapp drei Monate ist es her, dass ein Moskauer Gericht den russischen Kreml-Kritiker Alexej Nawalny zu mehr als zweieinhalb Jahren Haft verurteilt hat – weil er nach dem Giftanschlag gegen seine Bewährungsauflagen verstoßen habe, indem er sich nicht bei den Behörden gemeldet hatte, während Ärzte in Deutschland um das Leben des mit dem Kampfstoff Nowitschok vergifteten Oppositionellen kämpften.

Am Freitag beendete der 44-Jährige nun auf Bitten seiner Ärzte seinen Hungerstreik, den er vor drei Wochen aufgrund der widrigen Haftbedingungen im Straflager begonnen hatte. Druck auf Russlands Präsidenten Wladimir Putin kommt nun aus Berlin. „Ich appelliere an Russland, die international üblichen Menschenrechtsstandards auch im Fall Nawalny einzuhalten. Das Beste wäre die sofortige Freilassung von Nawalny“, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) unserer Redaktion.

Nawalny: Altmaier will Nord Stream 2 nicht an den Fall des Kreml-Kritikers knüpfen

Er halte den Umgang mit Nawalny „schon seit vielen Monaten für unerträglich“, stellte Altmaier klar. „Es wäre ein Drama und eine menschliche Tragödie, wenn ihm etwas zustoßen würde, weil er nicht die notwendige medizinische Betreuung erhält“, sagte der Bundeswirtschaftsminister weiter. Alexej Nawalnys Gesundheitszustand hatte sich zuletzt im Hungerstreik rapide verschlechtert.

Zugleich warnte er jedoch davor, die Fertigstellung der umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2 an den Fall Nawalny zu koppeln.

„Wir müssen den Bau und die Fertigstellung der Gaspipeline unabhängig von einzelnen Fällen beurteilen und entscheiden“, sagte der CDU-Politiker. „Seit 50 Jahren, seit dem Erdgas-Röhren-Geschäft waren Erdgaslieferungen noch nie eine politische Waffe zwischen Ost und West. Das kam der Sicherheit unserer Erdgasversorgung sehr zugute. Ein Verlassen dieser Linie müsste sehr genau abgewogen werden.“

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) fordert die Freilassung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) fordert die Freilassung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny. © dpa | Kay Nietfeld

Altmaier: Sicherheitsinteressen der Ukraine müssen gewahrt bleiben

Zugleich müsse klar sein, dass auch nach der Fertigstellung von Nord Stream 2 die Sicherheitsinteressen der Ukraine gewahrt blieben, betonte der Wirtschaftsminister. Deshalb werde der Gastransit durch die Ukraine auch nach der Fertigstellung weitergehen.

„Zudem sorgen wir mit dem Bau von sogenannten Flüssiggasterminals dafür, dass wir uns jederzeit vom Pipeline-Gas unabhängig machen können, sollte Russland versuchen, mit dem Gas politischen Druck auszuüben“, so Altmaier.

Diskussion um Nord Stream 2

Die rund 1230 Kilometer lange Erdgas-Pipeline Nord Stream 2, die durch die Ostsee von Russland nach Deutschland läuft, steht kurz vor der Fertigstellung und soll jedes Jahr rund 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas von Russland nach Deutschland und andere europäische Länder befördern.

In der Europäischen Union ist das Projekt aber hochumstrittenen. Insbesondere die baltischen Staaten und Polen betrachteten das Projekt als Gefahr für ihre Sicherheit, lange leistete auch Frankreich Widerstand gegen das Projekt. Auch die USA fordern einen Stopp von Nord Stream 2 und verhängten bereits mehrfach Sanktionen.

In Sassnitz-Mukan in Mecklenburg-Vorpommern lagern Rohre für den Bau der Erdgaspipeline Nord Stream 2. Die Pipeline steht kurz vor der Fertigstellung.
In Sassnitz-Mukan in Mecklenburg-Vorpommern lagern Rohre für den Bau der Erdgaspipeline Nord Stream 2. Die Pipeline steht kurz vor der Fertigstellung. © dpa | Stefan Sauer

Altmaier reagiert zurückhaltend auf weitere Sanktionen

Nach der Verhaftung Nawalnys, aber auch nach Russlands jüngstem Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze, gab es immer wieder Forderungen, das Projekt auf Eis zulegen oder gänzlich abzubrechen. Unter anderem EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) hatte zuletzt gegenüber unserer Redaktion einen Abbruch des Projekts ins Gespräch gebracht. Aber auch andere Sanktionen, etwa ein weitgehendes Einfrieren von Konten russischer Oligarchen oder starke Einschränkungen im Zahlungssystem, brachte Weber ins Gespräch.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier dagegen reagiert in puncto Sanktionspolitik zurückhaltend. „Andere Sanktionen können nur gemeinsam mit allen Europäern erfolgen“, gab er zu bedenken. Bereits heute sanktioniere man Russland, etwa mit Einreiseverboten gegen bestimmte Personen oder dem Verbot bestimmter wirtschaftlicher Aktivitäten. „Eine Entscheidung über Sanktionen muss aber in der gesamten EU getroffen werden“, sagte Altmaier.