Berlin. Untersuchungsausschüsse haben keinen guten Ruf. Viel Gerede, wenig Ergebnisse, heißt es. Der Fall Wirecard zeigt, dass es anders geht.

Noch bevor im Oktober der Untersuchungsausschuss zum Wirecard-Skandal überhaupt gestartet war, gab es Kritik von Union und SPD. Die Zeit sei zu knapp, es werde eine reine Wahlkampfveranstaltung der Opposition, ohne Aussicht auf Ergebnisse.

So kannte man es in dieser Legislaturperiode bereits aus den Ausschüssen zur Maut-Affäre um Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sowie zur Berater-Affäre der Ex-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU).

Wirecard: Für den Wahlkampf braucht es die Opposition nicht

Wahlkampf fand in dieser finalen Woche tatsächlich statt – aber vor allem zwischen Union und SPD. Die SPD warf Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) beispielsweise vor, Reformen zu verschleppen. Die Union konterte bei Finanzminister Olaf Scholz (SPD), kramte E-Mails von Scholz Privat-Account hervor, behauptete, dass diese nicht in den Akten auftauchten. Stunden später fanden sich die Mails doch in den Akten, Fragen zu Scholz Trennung von privaten und dienstlichen E-Mails blieben aber. Und vor allem blieb der Eindruck: Union und SPD wollen sich gegenseitig die Schuld zuweisen.

Die Opposition reagierte verwundert bis belustigt. Es wundere ihn, dass es auf den Schienbeinen der Großkoalitionäre noch Flecken gibt, die noch nicht blau sind, sagte etwa FDP-Obmann Florian Toncar und ergänzte: „Sie finden sie trotzdem immer wieder.“

Tobias Kisling, Wirtschaftsredakteur.
Tobias Kisling, Wirtschaftsredakteur. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Der Ausschuss war erfolgreich

Bei den Scharmützeln darf nicht untergehen: Der Ausschuss war erfolgreich. Neben Florian Toncar trieben vor allem die Obmänner der Grünen und Linken, Danyal Bayaz und Fabio De Masi, die Aufklärung voran, löcherten mehr als 80 Zeugen, stellten ununterbrochen Anfragen an die zuständigen Ministerien.

Sie stellten ungeahnte Verbindungen des Skandals her, etwa zu Karl-Theodor zu Guttenberg oder zu dubiosen Geheimdienstkontakten des flüchtigen Wirecard-Managers Jan Marsalek. Nächtelang verhörten sie Zeugen, arbeiteten sich in die Thematik ein, deckten das Versagen der Wirtschaftsprüfer und Behörden auf.

Auch die Regierungsparteien arbeiteten konstruktiv mit

Auch die Regierungsfraktionen leisteten ihren Beitrag, die SPD-Abgeordnete Cansel Kiziltepe überführte beispielsweise den Chef der Wirtschaftsprüferaufsicht Apas, Ralf Bose, des privaten Wirecard-Aktienhandels, während dessen Firma Wirecard prüfte. Bose musste seinen Posten räumen.

Wie auch viele andere prominente Behörden- und Unternehmensvertreter: Bafin-Präsident Felix Hufeld und seine Vizepräsidentin Elisabeth Roegele gehören dazu. Aber auch der Deutschland-Chef der Wirtschaftsprüfer von EY, Hubert Barth, wurde entmachtet, der Präsident der sogenannten „Bilanzpolizei“ DPR, Edgar Ernst, wird sein Amt zum Jahresende niederlegen.

Ehrliche Sacharbeit ist möglich

Rücktritte allein sind noch kein Merkmal einer erfolgreichen Arbeit. Aber sie zeigen, dass Fehler aufgedeckt worden sind und der Weg in vielen Bereichen für einen Neuanfang offensteht.

Wer Untersuchungsausschüsse als unnötige Gremien abstempelt, die Zeit fressen, die nur dazu dienen, sich gegenseitig Vorwürfe zu machen, der sollte sich mit dem Wirecard-Untersuchungsausschuss befassen. Wenn Opposition und Regierungsfraktionen ehrlich an Sacharbeit interessiert sind, ist viel möglich. Auch das ist eine Lehre aus dem Ausschuss.