Berlin. Niedrigzinsen und hohe Gebühren machen die private Altersvorsorge unattraktiv. Die Groko will sie reformieren - doch wie, ist strittig.

  • Die Riester-Rente steht schon seit längerem in der Kritik
  • Weil das System nicht mehr wirklich funktioniert, gibt verschiedene Reform-Vorschläge
  • Was die Politik jetzt bei der Riester-Rente plant

Seit nunmehr fast zwei Jahrzehnten gibt es in Deutschland die staatlich geförderte, private Altersvorsorge namens Riester-Rente. 2002 ging sie an den Start, benannt nach ihrem Erfinder, dem damaligen Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD).

Die Idee: Wegen eines in Zukunft sinkenden Rentenniveaus und damit geringeren Bezügen aus der gesetzlichen Rentenkasse sollen die Bürger die entstehende Finanzlücke durch eine private Zusatzversicherung ausgleichen und damit im Alter ihren Lebensstandard sichern. Der Staat belohnt die private Vorsorge mit Steuervorteilen und einer Prämie.

Doch seit geraumer Zeit hakt es bei diesem Geschäftsmodell gewaltig – und zwar gleich an mehreren Stellen. Sparer wenden sich ab und Finanzfachleute warnen vor einem Aus der Riester-Rente, falls sie nicht reformiert wird. Das haben Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag zwar zugesagt. Doch die Regierungsparteien sind uneins, in welche Richtung es dabei gehen soll.

Lesen Sie hier: Das ändert sich bei der Rente 2021

Rieser-Rente: Welche Probleme hat das System?

In einer aktuellen Auflistung des Bundesfinanzministeriums über noch anstehende Gesetzesvorhaben bis zum Sommer tauchte die Reform zuletzt nicht mehr auf. Wie es aussieht, wird vor der Bundestagswahl Ende September wohl nichts mehr daraus. Die Aufregung darüber ist groß.

Kritik an bürokratischen Hürden bei der Riester-Rente sowie an hohen Abschluss- und Verwaltungsgebühren gibt es seit Langem. Letztere können über die gesamte Laufzeit gerechnet oft mehrere Tausend Euro betragen und gehen auf Kosten der Rendite.

Lesen Sie mehr: Rente: Eintrittsalter sorgt für große Probleme bei Pflege

Wegen eines sinkenden Rentenniveaus und damit geringerer Bezüge aus der gesetzlichen Rentenkasse sollen die Bürger die entstehende Finanzlücke durch eine private Zusatzversicherung ausgleichen und damit im Alter ihren Lebensstandard sichern - so die Idee hinter der Riester-Rente.
Wegen eines sinkenden Rentenniveaus und damit geringerer Bezüge aus der gesetzlichen Rentenkasse sollen die Bürger die entstehende Finanzlücke durch eine private Zusatzversicherung ausgleichen und damit im Alter ihren Lebensstandard sichern - so die Idee hinter der Riester-Rente. © dpa | Marijan Murat

Seit geraumer Zeit kommt die anhaltende Niedrigzinspolitik dazu, die ähnliche Auswirkungen hat. Denn sie macht es den Versicherern schwer, das Geld ihrer Kunden am Markt gewinnbringend anzulegen. Da Aktienspekulationen mit Riester-Beiträgen nicht gestattet sind, bleiben nur sicherere Anlageformen, die aktuell aber wenig Zinsertrag abwerfen.

Zudem unterliegen die Versicherer der gesetzlichen Verpflichtung, zum Ende der Vertragslaufzeit garantiert 100 Prozent der eingezahlten Bruttobeiträge an die Riester-Versicherten auszuzahlen. All das sorgt dafür, dass die Riester-Rente bei Bürgern wie Versicherern an Zuspruch einbüßt.

Wie könnte eine Reform der Riester-Rente aussehen?

SPD und Union verfolgen unterschiedliche Ansätze. Aus der SPD kamen zuletzt Forderungen, das Projekt auslaufen zu lassen. Statt Riester zu modernisieren, solle der Staat beispielsweise den Erwerb selbst genutzter Immobilien unterstützen, schlug SPD-Finanzexperte Lothar Binding kürzlich vor.

Lesen Sie dazu: Rente mit 63 Jahren: Diese neuen Zweifel äußern Kritiker

Aus der Union kommen andere Ideen. CDU und CSU im Bundestag wollen grundsätzlich an der Riester-Rente festhalten. Um das Modell attraktiver zu machen, soll künftig aber ab einem jährlichen Sparbetrag von 437,50 Euro jeder angesparte Euro mit 40 Cent staatlich gefördert werden.

Zudem soll die hundertprozentige Kapitalgarantie wegfallen. Dadurch wäre auch eine stärkere Anlage in Aktien möglich. Die deutsche Versicherungswirtschaft fordert bereits seit Längerem, dass Versicherte bei künftigen Riester-Verträgen nur noch eine Garantie von 80 Prozent ihrer Einzahlungen erhalten.

Wie wahrscheinlich ist eine Öffnung für Aktien?

Vorerst gering. Doch die Zahl der Befürworter wächst. Die Finanzmarktexpertin im Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), Dorothea Mohn, wirbt seit Längerem für ein Modell der Extrarente mit Aktienkomponente. So soll ein öffentlicher Träger die Beitragsgelder der Versicherten einsammeln und das Kapital per Ausschreibungsverfahren an Finanzmarktprofis weiterreichen, die es mit geringen Gebühren und breit gestreut anlegen.

Mehr zum Thema: Gerichtsurteil erwartet: Zahlen Rentner zu viele Steuern?

Bei langfristiger Anlage sei das Risiko beherrschbar und der Ertrag für die Versicherten deutlich höher als im Moment. Auch die FDP im Bundestag setzt in ihrem neuen Rentenkonzept auf Aktien. „Wir müssen mit Blick auf die Demografie die kapitalgedeckte Altersvorsorge stärken und das gesamte System einfach, verbraucherfreundlicher und aktienorientierter machen“, sagte FDP-Arbeitsmarktexperte Johannes Vogel unserer Redaktion.

Durch einen kapitalgedeckten Pfeiler sollten die Beitragszahler vom Wachstum an den internationalen Aktienmärkten profitieren, erklärte FDP-Fraktionsvize Christian Dürr am Dienstag in Berlin. Dem von Dürr und dem FDP-Sozialexperten Johannes Vogel vorgelegten Konzept zufolge sollen zwei Prozentpunkte des bisherigen Rentenbeitrages nach schwedischem Vorbild in die öffentlich-rechtlich verwaltete Aktienrente fließen.

Um vorübergehende Einbußen wegen des abgesenkten Beitrages zur gesetzlichen Rente auszugleichen, soll nach dem FDP-Konzept zunächst ein höherer Bundeszuschuss gezahlt werden. Möglich sein sollen auch höhere freiwillige Beiträge sowie der Wechsel zu alternativen Kapitalanlage-Angeboten.

Welche Kritik gibt es an der Riester-Rente?

„Riester ist ein historischer Fehler in der Rentenpolitik und ein Milliardengrab für die Steuerzahler. Wir brauchen eine Kehrtwende“, sagte der Vorsitzende der Linken-Fraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, unserer Redaktion. Er betonte, das Kapitel Riester-Rente „sollte geschlossen und die individuellen Ansprüche in die gesetzliche Rente überführt werden“.

Linksfraktionschef Dietmar Bartsch hält die Riester-Rente für einen „historischen Fehler in der Rentenpolitik“.
Linksfraktionschef Dietmar Bartsch hält die Riester-Rente für einen „historischen Fehler in der Rentenpolitik“. © dpa | Britta Pedersen

Ebenfalls zum Thema: Altersvorsorge: Warum es nun Ärger um die Rieser-Rente gibt

Steuergeld von jährlich vier Milliarden Euro könne so gespart werden und in die Stärkung der gesetzlichen Rente fließen. Vorschläge, eine Aktienkomponente einzuführen, wies Bartsch zurück. Dies bedeute „weniger garantiertes Geld für die Bürger und mehr Möglichkeiten zur Spekulation für die Versicherungskonzerne“, kritisierte der Linke-Politiker.