Düsseldorf. CDU-Chef Armin Laschet überrascht wenige Tage nach der Lockdown-Verlängerung mit einer Rede vor Unternehmern in Baden-Württemberg.

Für den ausgefallenen Rosenmontag hatte der bekennende Karnevalist Armin Laschet einen ganz besonderen Ersatztermin gewählt. Der NRW-Ministerpräsident und neue CDU-Vorsitzende ließ sich als Gastredner zum digitalen Neujahrsempfang des Wirtschaftsrats seiner Partei in Baden-Württemberg zuschalten. Alles andere als ein Heimspiel für Laschet. Die Südwest-CDU kämpft wenige Wochen vor der Landtagswahl mit mauen Umfragewerten. Und der dortige Wirtschaftsrat hat die unternehmerfreundlichen Thesen des ehemaligen Laschet-Konkurrenten Friedrich Merz immer besonders heftig beklatscht.

„Wie unmündige Kinder“: Laschet auf Distanz zu Merkels Corona-Kurs

Umso größer muss die Überraschung im Ländle gewesen sein, als der Gast aus Düsseldorf irgendwie auf Distanz zur jüngst beschlossenen Verlängerung des Corona-Lockdowns zu gehen schien: „Man kann nicht immer neue Grenzwerte erfinden, um zu verhindern, dass Leben wieder stattfindet“, sagte Laschet. Das war zwar auf die „No Covid“-Bewegung und deren Zielwert von zehn Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche gemünzt. Es wurde aber als Absetzbewegung vom jüngsten Bund-Länder-Beschluss verstanden, der größere Öffnungen bei Handel, Kultur und Sport erst wieder bei einer landesweiten Inzidenz von 35 in Betracht zieht.

Auch interessant

Laschet beklagte überdies die seit einem Jahr praktizierte politische Fixierung auf Corona-Infektionszahlen: „Wir können unser ganzes Leben nicht nur an Inzidenzwerten abmessen.“ Der Ministerpräsident erweckte den Eindruck, als stünde er außerhalb eines Mainstreams der Regierenden: „Populär ist, glaube ich, immer noch die Haltung: Alles verbieten, streng sein, die Bürger behandeln wie unmündige Kinder.“

Das war mehr als adressatengerechtes Reden vor einem Unternehmer-Publikum. Laschet klang ein wenig so wie während der ersten Corona-Welle im Frühjahr 2020, als er die Stimme der „Lockerer“ war und stets zur Abwägung von sozialen und wirtschaftlichen Kollateralschäden bei der Pandemiebekämpfung mahnte. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kommen die Einlassungen jedoch überraschend. Laschet hatte sich in den vergangenen Monaten still auf den strengen, aber lange populären Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel und seines bayerischen Amtskollegen Markus Söder vom „Team Vorsicht und Umsicht“ begeben.

Laschet geht auf Distanz zu Merkel: Inzidenzwert von 35 mitgetragen

CDU-Chef Armin Laschet überrascht wenige Tage nach der Lockdown-Verlängerung mit einer Rede vor Unternehmern in Baden-Württemberg.
CDU-Chef Armin Laschet überrascht wenige Tage nach der Lockdown-Verlängerung mit einer Rede vor Unternehmern in Baden-Württemberg. © Marcel Kusch/dpa | Unbekannt

Noch am vergangenen Mittwoch, als die Lockdown-Verlängerung bis 7. März mit seinem Zutun beschlossen wurde, sprach er von einer „sehr harmonischen Ministerpräsidentenkonferenz, weil alle um den Ernst der Lage wissen“. Den neuen Inzidenzwert für Öffnungen von 35 hatte Laschet ausdrücklich mitgetragen: Das Land habe jetzt eine Zwischenphase zu bewältigen zwischen sinkenden Infektionszahlen einerseits und einer unkalkulierbaren Gefahr durch Virus-Mutanten, mahnte er. Auf Journalisten-Nachfrage machte sich Laschet sogar die Definition der Kanzlerin zu eigen, eine „stabile“ Inzidenz von 35 sei erst nach etwa drei bis fünf Tagen hintereinander erreicht.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach nannte Laschets neueste Einlassungen „problematisch“. Der Grenzwert von 35 Neuinfektionen pro Woche und 100.000 Einwohner sei „nicht erfunden“ worden, sondern abgeleitet von einem höheren R-Wert durch Virus-Mutationen. Ein Sicherheitspuffer also. Die SPD-Opposition im NRW-Landtag spottete über die Geschwindigkeit, mit der sich Laschet in der aktuellen Lage „selbst widersprochen“ habe. Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner warf dem CDU-Chef vor, mit dem Abrücken von eigenen Beschlüssen das Vertrauen in die gemeinsame Linie von Bund und Ländern zu untergraben.

Auch interessant

Auch interessant

Plant der CDU-Vorsitzende kurz vor dem Showdown mit CSU-Chef Söder über die Kanzlerkandidatur der Union eine persönliche Neuausrichtung? Die Popularitätswerte der Union bröckeln seit der Lockdown-Verlängerung. In der Bundestagsfraktion rumort es. Selbst Söders Traumwerte in Bayern haben einen Dämpfer erhalten. Wenn am 14. März die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz verloren gehen sollten, dürfte nach Schuldigen gesucht werden. Laschet sitzt in NRW überdies Koalitionspartner FDP im Nacken, der Front macht gegen den Kurs der Kanzlerin. Die Wende bei unklarer Windlage ist aber nicht nur beim Surfen schwierig. Bodensee-Urlauber Laschet könnte das wissen.