Washington. Neue Klimapolitik in den USA: Präsident Joe Biden plant die grüne Energiewende des Landes durch massive öffentliche Investitionen.

Es geschieht nicht oft, dass die neue Regierung einer führenden Industrienation direkt nach Amtsantritt eine radikale Wende hin zu mehr Klimaschutz einläutet. Noch seltener passiert es, dass der führende Vertreter einer extrem viel Energie konsumierenden Branche das Ganze mit einem revolutionär anmutenden Schritt flankiert.

Einen Tag nach der Ankündigung von US-Präsident Joe Biden, eine grüne Energiewende einzuleiten und die USA bis zum Jahr 2050 CO2-neutral zu gestalten, hat der größte Autobauer des Landes das Datum für den Einbau des letzten Verbrennungsmotors gesetzt. Lesen Sie auch: Biden stellt Klimaschutz ins Zentrum der US-Außenpolitik

Unterschrift im Weißen Haus für die grüne Wende: US-Präsident Joe Biden mit Vize-Präsidentin Kamala Harris und John Kerry (li.), dem Sonder-Botschafter für den Klimawandel.
Unterschrift im Weißen Haus für die grüne Wende: US-Präsident Joe Biden mit Vize-Präsidentin Kamala Harris und John Kerry (li.), dem Sonder-Botschafter für den Klimawandel. © AFP | MANDEL NGAN

Mit rund zwei Millionen neuen Jobs Verluste ausgleichen

General Motors (GM) will ab 2035 nur noch Elektromobilität anbieten und damit, so Vorstandschefin Mary Barra, zu einer „sichereren, grüneren und besseren Welt“ beitragen. Für den Demokraten Biden, der vier Jahre „Stillstand“ im Kampf gegen die Erderwärmung durch seinen Vorgänger Donald Trump beklagt, hätte es keine bessere „Begleitmusik“ geben können, sagten Analysten im US-Fernsehen.

Biden will in seiner ersten Amtszeit durch massive öffentliche Investitionen in moderne Infrastruktur, erneuerbare Energien und E-Mobilität rund zwei Millionen Jobs schaffen. Dabei sollen Verluste in Industrien, die mit fossilen Energieträgern arbeiten, ausgeglichen werden.

Allein durch die Umstellung des staatlichen Fuhrparks auf – siehe General Motors – abgasfreie Antriebe sollen eine Million Arbeitsplätze entstehen. Eine Kalkulation, die Branchenexperten für „sehr ambitioniert“ halten. Auch interessant: Impeachment gegen Donald Trump scheitert wohl erneut

Frühere Genehmigungen bis auf Weiteres auf Eis

Dagegen werden Genehmigungen für das Bohren nach Öl oder Gas auf Böden, die der Zentralregierung unterstehen, bis auf Weiteres auf Eis gelegt. Unter Trump hatten sich manche Unternehmen mit Lizenzen bevorratet, sie aber noch nicht aktiv genutzt.

Um Natur- und Artenschutz nachhaltig zu stärken, soll ein Drittel der USA ab dem Jahr 2030 dauerhaft Wildtieren, Pflanzen und der Naherholung vorbehalten bleiben. Auch interessant: Grüne hoffen auf Klima-Neustart mit Biden-Regierung

Zwischen Ökologie und Arbeitsplätzeschaffen

Als Transmissionsriemen zwischen Ökologie und Arbeitsplätzeschaffen soll das Energieministerium unter der früheren Gouverneurin von Michigan, Jennifer Granholm, wirken. Hier und in der Umweltbehörde EPA liegt auch der Schlüssel, um mehrere Dutzend von Trump stornierte Regularien zu reaktivieren, die den Verbrauch fossiler Energien drastisch senken können.

Autoproduzenten und Hersteller von Elektrogeräten müssen sich auf strengere Effizienzwerte einstellen, heißt es im Weißen Haus. Dort gilt Klimaschutz künftig als prominente Querschnittsaufgabe, „an der sich alle Ministerien und alle außenpolitischen Aktionen messen lassen müssen“, sagte ein Beamter im Außenministerium unserer Zeitung.

Biden will Rassengleichheit in den USA vorantreiben

weitere Videos

    Klimaschutz erhält besonderen Stellenwert

    Welchen Stellenwert Biden dem Klimaschutz einräumt, zeigt sich an John Kerry. Der frühere Außenminister hat als Sonderbotschafter die Aufgabe, die internationalen Aktivitäten der USA zu koordinieren, die nach Trumps Abtritt sofort wieder dem Pariser Klimaschutzabkommen beigetreten sind.

    Der 77-Jährige wird, unterstützt von der ehemaligen Chefin der Umweltbehörde EPA, Gina McCarthy, den am 22. April in den USA geplanten Sonderklimagipfel anbahnen. Es wird erwartet, dass die USA dann noch ehrgeizigere Ziele bei der Vermeidung von Treibhausgasen propagieren werden, als sie das Abkommen von Paris vorsieht.

    Dabei soll dem Vernehmen nach vor allem China dazu angehalten werden, deutlich mehr zu tun, um Emissionen zu senken. Am sogenannten Earth Day werde man sich auf der Weltbühne als Antreiber für eine nachhaltige Energiewende zurückmelden, sagte Kerry. Er betonte, man dürfe keine Zeit mehr mit Lippenbekenntnissen verlieren. Lesen Sie hier: Greta Thunberg macht EU-Gipfel Druck bei Klimapolitik

    Die Rolle von John Kerry bedeutet eine Zäsur

    Dass Kerry in seiner Funktion Sitz und Stimme im Nationalen Sicherheitsrat der Biden-Regierung erhält, markiert eine Zäsur. 17 Jahre ist es her, dass Experten für das US-Verteidigungsministerium verschiedene Szenarien eines rapide voranschreitenden Klimawandels entworfen haben.

    Dabei entstand im „worst case“ das Bild eines aufkeimenden „Klimakriegs“ mit vor Dürre oder steigendem Meeresspiegel und Überschwemmungen flüchtenden Klimaflüchtlingen – kurzum: eine existenzielle Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA. Unter Donald Trump verschwand das Thema im Off einer auf maximale Öl- und Gasgewinnung zielenden Regierungspolitik.

    Biden schiebt es auf der Regierungsagenda nach vorn und verlangt von seinen Geheimdiensten künftig eine fortlaufende Analyse der Auswirkungen von Wetterextremen auf die geopolitische Stabilität.

    Janet Yellen übernimmt als erste Frau das US-Finanzministerium

    weitere Videos

      Wyoming und Texas drohen bereits mit Klagen

      Dem liegt der Gedanke der Prävention zugrunde. Es sei „billiger“, sich mit der Klimakrise zu beschäftigen, als sie zu „ignorieren“, sagt Kerry. Mit immer größeren Summen etwa nach Wirbelstürmen Wiederaufbau zu betreiben, ohne die Ursachen zu bekämpfen, sei „unklug“. Darum lautet die einzige Lösung: ökologischer Umbau.

      Dagegen regt sich aus republikanischen Kreisen und konservativ regierten Bundesstaaten, die vom Energieboom (Öl, Gas) der vergangenen Jahre profitiert haben, erwartungsgemäß Protest. So haben Texas und Wyoming bereits Klagen angedroht.

      Sorge über den Fortbestand der Kohleindustrie

      Auch in West Virginia, vertreten unter anderem durch den demokratischen Senator Joe Manchin, herrscht Besorgnis über den Fortbestand der dort seit Langem darbenden Kohleindustrie. Lobbyverbände wie das American Petroleum Institute und die Independent ­Petroleum Association of America kündigen Widerstand an.

      Ihr Argument: Das Konzept des neuen US-Präsidenten Joe Biden gefährde Amerikas Spitzenreiterrolle bei der Öl- und Gasförderung und werde die Konkurrenz in Russland oder Saudi-Arabien ertüchtigen, wo es mit der Einhaltung von Umweltstandards nicht weit her sei.