Essen. Junger SPD-Politiker fordert: Die Bewegung muss runter vom hohen Moral-Ross, um Menschen für den Klimaschutz zu gewinnen - und nicht abzukanzeln

Clemens Traub war nach eigenen Angaben mal sehr engagiert bei Fridays for Future. Und er bekennt sich auch weiterhin zu den Zielen der Bewegung, die eine schnelle weltweite Reduzierung der Treibhausgase fordert, um die Klimaerwärmung zu stoppen. Aber mittlerweile ist er in den Reihen der zumeist jungen Aktivisten nicht mehr wohlgelitten. Gelinde gesagt.

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Genauer: Man habe ihn als „Verräter“ beschimpft, berichtet der 23-jährige. Schuld daran ist eine Streitschrift, die der in Mainz lebende Politikstudent jüngst veröffentlich hat und die für viele Wellen sorgte. „Future for Fridays?“ heißt sie – und darin wirft Traub seinen Altersgenossen und bisherigen Mitstreitern vor, sie seien abgehoben, elitär – und bewegten sich in einer überheblichen Wohlfühl-Blase. Die Aktivisten argumentierten an einem Großteil der Bevölkerung vorbei, säßen auf einem sehr hohen moralischen Ross und erreichten mit ihrem verbalen Rigorismus das genaue Gegenteil des Erwünschten: Ein großer Teil der Bevölkerung könne mit FFF schlicht nichts anfangen.

Warum die Klimabewegung "inklusiver" werden muss

Dass er damit auch Beifall aus jener Ecke bekommt, wo man in der eigenen Filterblase regelmäßig über Greta und ihre „links-grün versifften“ Anhänger übel hetzt, das weiß auch Traub. Dennoch bleibt er bei seiner Kritik. Denn er wünscht sich, wie er im Gespräch immer und immer wieder betont, dass die Klimabewegung „inklusiver“ wird als bisher und damit breiter aufgestellt.

Auch die andere Kritik, dass er mit seiner Polemik eine Art karrieristischer Trittbrettfahrer der Bewegung ist, perlt an ihm ab. Und je länger man mit ihm spricht und nachbohrt, glaubt man ihm das auch. Es ist ihm tatsächlich wohl ein Herzensanliegen, dass das politische Ziel einer vernünftigen Klimapolitik von möglichst vielen Menschen verstanden und mitgetragen wird. Nur so könne sie auch Erfolg haben, meint er.

FFF ist eine reine Eliten-Veranstaltung

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Traubs Kritik ist nicht aus der Luft gegriffen: Tatsächlich ist Fridays For Futures eine Veranstaltung der Eliten: Über 90 Prozent der Aktivisten und Teilnehmer besuchen ein Gymnasium oder die Universität, etwa zwei Drittel zählen sich zur gehobenen Mittelschicht, Personen aus Einwanderer-Familien sind unterrepräsentiert, Aktivisten aus Arbeiterfamilien finden in der Bewegung praktisch nicht statt, so das Ergebnis einer Studie der grünen-nahen Böll-Stiftung

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Die Analyse wiederum deckt sich mit den persönlichen Erfahrungen, über die Traub in der Streitschrift und im Gespräch berichtet: Er stammt aus einem Dorf in der Pfalz – und wenn er dort seine alten Freunde treffe oder Verwandtschaft, dann konnten die selten etwas mit den radikalen, kapitalismuskritischen Theorien anfangen, die Traub aus seinen Mainzer FFF-Kreisen mitbrachte. „Viele meiner Freunde arbeiten zum Beispiel im Mercedes-Werk in Wörth – das ist einer der wichtigsten Arbeitgeber in der Region.“ Sie fühlten sich in ihrer Existenz abgelehnt und bedroht durch die verbalen Attacken der FFF-Bewegung gegen die Auto-Industrie.

Und so gehe es am Ende vielen Bevölkerungskreisen: den Landwirten zum Beispiel, die sich von Veganern attackiert fühlen. Und die Landbevölkerung, die vielerorts aufs Auto angewiesen sei, um Mobilität zu organisieren, könne den hippen urbanen, Lastenrad-fahrenden Klima-Aktivisten kaum ernst nehmen, wenn der am liebsten alle Autos verbieten wolle.

Das gediegene Umfeld macht blind für die Probleme anderer

Clemens Traub, 23, Politikstudent, SPD-Mitglied - hat eine Streitschrift zu Fridays for Future verfasst.
Clemens Traub, 23, Politikstudent, SPD-Mitglied - hat eine Streitschrift zu Fridays for Future verfasst. © Aycan Kilic

Nach Ansicht von SPD-Mitglied Traub („ich begreife mich als links“) mache die privilegierte Herkunft vieler Aktivisten sie blind für die Sorgen der weniger wohlhabenden, weniger schicken, weniger gebildeten Menschen. Traub geht noch weiter: Er wirft den FFF-Aktivisten vor, dass sie, die auch aufgrund ihres Wohlstandes den moralisch „richtigen“ Lebensstil pflegen (veganes Essen, Auto-lose Mobilität, nachhaltige Klamotten, urban sozialisiert), auf die herabschauen und verurteilen, die das nicht tun – oder nicht tun können. Sie pflegten eine Art Luxus-Rebellentum. Traub warnt: Genau diese Haltung führe letztlich zu Eliten-Hass, der einen Donald Trump nach oben gespült hat.

Er fordert: Wollten die FFF-Aktivisten Akzeptanz und Erfolg für ihre Ziele, müssten sie raus aus der Komfortzone der eigenen Wohlfühl-Filterblase, müssten aufs flache Land, in die Berufsschulen, in die Betriebe. Die Bewegung müsse auch die Sorgen der Landbevölkerung, der Kleinunternehmer, der Landwirte, der Industriearbeiter wahr- und ernst nehmen. Nur so könne erreicht werden, dass tatsächlich möglichst viele Menschen das Engagement gegen den Klimawandel mittragen und unterstützen. Anders gehe es nämlich nicht, jedenfalls nicht in einer Demokratie.

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