Brüssel. Der Durchbruch kam nach langer Verhandlungsnacht: Die EU justiert ihre Klimaziele neu. Der Beschluss hat auch Folgen für Deutschland.
Deutschland und die anderen EU-Staaten verschärfen das Tempo beim Klimaschutz: Bis 2030 sollen die C02-Emissionen in Europa um mindestens 55 Prozent sinken, verglichen mit 1990, beschlossen die EU-Regierungschefs am Morgen beim Gipfeltreffen in Brüssel. Bislang galt ein Reduktionsziel von 40 Prozent.
Das deutlich höhere Ziel wird auch zusätzliche Anstrengungen beim Klimaschutz in Deutschland erfordern. EU-Ratspräsident Charles Michel erklärte, mit der neuen Verpflichtung übernehme Europa die Führungsrolle beim Klimaschutz. EU-Kommisisonschefin Ursula von der Leyen sagte, der Beschluss bringe die EU auf den klaren Weg zu einer Klimaneutralität bis 2050.
Die Regierungschefs standen unter Einigungsdruck, weil die EU-Spitzen ein neues, ehrgeiziges Ziel schon bei einer UN-Klimakonferenz am Samstagabend präsentieren wollen – am fünften Jahrestag des Pariser Klimaabkommens. Die Verhandlungen hatten sich aber die ganze Nacht über hingezogen, weil vor allem Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, aber auch andere osteuropäische Staaten eine Einigung blockierten. Morawiecki forderte Zusagen für eine noch stärkere finanzielle Unterstützung des Strukturwandels in seinem Land.
EU-Klimaschutz: Gelder auch für deutsche Braunkohleregionen
Polens Stromerzeugung basiert derzeit überwiegend auf Kohle, weshalb der verstärkte Klimaschutz das Land vor besondere Herausforderungen stellt. Teilnehmern zufolge erklärte Morawiecki den Regierungschefs in der Nacht, er verliere sein Amt, wenn er Polen nicht die erforderlichen Finanzhilfen sichere – nachdem er schon beim Haushaltsstreit eingelenkt habe.
Die Verständigung auf das Klimaziel war nur wegen des zuvor erzielten Kompromisses beim Haushaltsstreit möglich, denn die nun bestätigten Budgetpläne sehen bereits eine Unterstützung beim Umbau der Energieerzeugung vor allem in Osteuropa, aber auch in Deutschland vor. Für die deutschen Braunkohleregionen sind über zwei Milliarden Euro an EU-Hilfen vorgesehen. Offenbar sollen Polen und anderer Länder jetzt aber auch von einer Reform des Emissionshandels profitieren.
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Das finale Klimaziel der EU muss jetzt noch mit dem EU-Parlament ausgehandelt werden – die Abgeordneten hatten ein Reduktionsziel von 60 Prozent gefordert, eine Einigung wird erst im Frühjahr oder später erwartet. Der Grünen-Europaabgeordnete Michael Bloss erklärte, das Parlament werde an seinen Forderungen festhalten; die Einigung der Regierungschefs kritisierte er als „maximal unscharf“, weil sie eine Verrechnung der C02-Reduktion mit Waldaufforstung erlaubten. Tatsächlich liege das Netto-Reduktionsziel nur bei 52 Prozent, nicht bei 55 Prozent, sagte Bloss.
Neue EU-Auflagen für Autos und Gebäude
Die Umweltorganisation Greenpeace monierte, die Vereinbarung gehe nicht weit genug, um die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Auch die SPD-Umweltpolitikerin Delara Burkhardt sagte, die Vereinbarung sei „nicht genug“. Sie betonte aber auch: „Eine solche Einigung wäre noch vor mehreren Monaten nicht vorstellbar gewesen.“
Wie das Klimaziel im Detail umgesetzt wird, will die EU dann im kommenden Jahr festlegen – unter anderem mit verschärften C02-Grenzwerten für Autos, einer „Renovierungswelle“ für Gebäude oder der Ausweitung des Emissionshandels.
Die deutsche Autoindustrie ist schon jetzt besorgt und warnt davor, die EU könne das „Aus für den Verbrennungsmotor“ schon 2025 beschließen. Die Auseinandersetzungen beim Gipfel sind offenbar ein Vorgeschmack für die Konflikte, die es bei den anstehenden Gesetzen geben wird.