Berlin. Die CDU-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt will gegen die Erhöhung des Rundfunkbeitrages stimmen. Das geht aber nur mit Hilfe der AfD.

Im Hollywoodfilm „Mary Poppins“ verursacht der Schrei eines kleinen Jungen, der von einem Bankdirektor seine gesparten zwei Penny wieder zurückhaben will, fast einen Zusammenbruch der Bank. Auch die deutsche Politik erlebt gerade einen „Mary-Poppins-Moment“. Auslöser ist das Land Sachsen-Anhalt. Wegen 86 Cent könnte dort nicht nur die Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen platzen, sondern auch die Bundes-CDU in die nächste Krise geraten und die AfD einen ihrer größten politischen Erfolge einfahren.

Um 86 Cent soll der Rundfunkbeitrag zur Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Sender steigen, auf dann 18,36 Euro im Monat. Es wäre die erste Erhöhung seit 2009, 2015 war der Beitrag sogar gesunken. Damit die Erhöhung tatsächlich kommt, müssen bis zum Jahresende die Regierungschefs und Landesparlamente aller 16 Bundesländer zustimmen.

Doch genau dieser Prozess ist jetzt in Magdeburg zum Stehen gekommen: Denn während CDU-Politiker Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, seinen Segen für die Erhöhung bereits gegeben hat, will die Landtagsfraktion der CDU in Magdeburg nicht zustimmen. Das ist ärgerlich für die Rundfunkanstalten, für die 1,5 Milliarden Euro auf dem Spiel stehen. Es ist aber auch ein Problem für die ohnehin fragile Regierungskoalition der CDU mit der SPD und den Grünen, denn die Koalitionspartner wollen zustimmen. Lesen Sie hier:Rundfunkbeitrag: Streit um Erhöhung könnte bald zu Ende sein

Rundfunkbeitrag: Die AfD könnte die Mehrheit für die Erhöhung kippen

Die CDU-Fraktion in Magdeburg verweist darauf, dass sie seit Langem gegen eine Erhöhung der Gebühren ist und schon im Koalitionsvertrag von 2016 die Beitragsstabilität als Ziel vereinbart wurde. Doch ohne die Partner aus der Regierung gibt es nur eine Ecke, aus der die Stimmen für eine Mehrheit gegen die Erhöhung kommen können: die AfD. Die betrachtet den öffentlich-rechtlichen Rundfunk seit Langem als Gegner und bekämpft ihn entsprechend. Würde das Verfahren zur Beitragsfestsetzung an CDU und AfD scheitern, wäre es ein großer Triumph für die schwächelnde Oppositionspartei. Nicht nur in Sachsen-Anhalt.

Dabei hatte zwischendurch auch die Linke in Sachsen-Anhalt mit einer Blockade der Erhöhung geflirtet. Hätte sie sich entschieden, dagegen zu stimmen, hätte das auch die CDU tun können, ohne auf die AfD angewiesen zu sein. Doch die Linke ist umgeschwenkt, will nun für die Erhöhung stimmen. Auch interessant:ARD bezahlt Studie, um Rundfunkbeitrag neues Image zu geben

Die CDU-Landtagsfraktion sitzt nun in der Klemme: Bleibt sie bei ihrer Position, muss sie gemeinsam mit der in Sachsen-Anhalt besonders radikalen AfD abstimmen – und riskiert nicht nur den Bruch der Koalition, sondern Erschütterungen im Bund. Denn die Union hatte sich immer wieder klar gegen jegliche Zusammenarbeit mit der AfD gewandt.

Auch auf Bundesebene keine einheitliche Position

Man könne sich in seinen politischen Positionen doch nicht an der AfD ausrichten, argumentieren nun die einen, unter anderem der von Haseloff geschasste Noch-Landesparteichef Holger Stahlknecht. Man könne doch nicht gemeinsame Sache machen mit dieser Partei, kontern die anderen – erst recht nicht angesichts der bevorstehenden Landtagswahl 2021.

Auch in der Bundes-CDU gibt es unterschiedliche Positionen. Während Friedrich Merz Verständnis für die Parteifreunde in Magdeburg äußerte („Gerade in Zeiten von Corona kann man die Gebührenerhöhung kritisch sehen“), pocht sein Rivale um den CDU-Vorsitz, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, auf eine strikte Abgrenzung zur AfD: „Es gibt Momente, in denen eine klare Haltung gefragt ist.“ Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer äußerte sich erst nach einigem Zögern mit dem Wunsch, alle verantwortlichen Kräfte in Magdeburg sollten gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten für politische Stabilität sorgen. Das zeigt einmal mehr, dass an der CDU-Spitze derzeit ein Führungsvakuum herrscht. Mehr dazu:Rundfunkbeitrag – Kommission erwägt Anhebung von 86 Cent

Am Mittwoch will der Medienausschuss des Landtags entscheiden, ob der Beitragserhöhung zugestimmt wird. Eine Krisensitzung der Koalitionsfraktionen am Montagabend endete nach zwei Stunden ergebnislos. Der Mitteldeutsche Rundfunk kündigte an, im Falle eines Vetos vor das Bundesverfassungsgericht ziehen zu wollen. Ohne die Erhöhung könne der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinem Auftrag nicht mehr gerecht werden.