Berlin. Außenminister Maas ruft nach der US-Wahl zur Mäßigung auf. Im Interview sagt er, wie er sich die Beziehungen zu Washington vorstellt.

Außenminister Heiko Maas (SPD) sagt im Interview, was sich für Deutschland ändert, wenn Joe Biden US-Präsident wird.

Joe Biden steuert auf eine Mehrheit zu. Wie erleichtert sind Sie, Herr Maas?

Heiko Maas: Diese Wahl hat ungeheuer polarisiert. Das spiegelt auch das Wahlergebnis bislang wider. Dass es einen knappen Ausgang – auch mit rechtlichen Auseinandersetzungen – geben könnte, haben viele Beobachter vorausgesagt. Deshalb: Die aktuelle Situation mag zwar nervenaufreibend sein, aber es ist das, was Demokratie am Ende ausmacht: Das letzte Wort haben immer die Wählerinnen und Wähler. Damit das Ergebnis – das ja noch nicht feststeht – akzeptiert wird, ist daher zunächst von allen Zurückhaltung gefragt.

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Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD).sagt im Gespräch mit unserer Redaktion: Anständige Verlierer sind für das Funktionieren einer Demokratie wichtiger als strahlende Sieger.“
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD).sagt im Gespräch mit unserer Redaktion: Anständige Verlierer sind für das Funktionieren einer Demokratie wichtiger als strahlende Sieger.“ © AFP | Olivier Hoslet

Beunruhigt es Sie nicht, dass Donald Trump versucht, den Wechsel im Weißen Haus über Gerichte zu verhindern?

Maas: Demokratie fußt auf dem Vertrauen in faire und freie Wahlen. Dieses Vertrauen dürfen Demokraten niemals beschädigen. Jetzt heißt es: Kühlen Kopf bewahren, bis ein unabhängig festgestelltes Ergebnis vorliegt. Wir vertrauen auf den Rechtsstaat Amerikas. Nur zur Erinnerung: Vor 20 Jahren haben 537 Stimmen in Florida den Ausschlag zum Sieg bei den Präsidentschaftswahlen gegeben. Und auch diesmal steht der Ausgang vielerorts auf Messers Schneide. „Sieg oder Wahlabbruch“ ist jedenfalls eine Losung, die aus der Sicht Vieler dem Verständnis von einem fairen Wahlvorgang widerspricht.

Teilen Sie die Befürchtung, dass es auf den Straßen der Vereinigten Staaten zu Gewalt kommen könnte?

Maas: Anständige Verlierer sind für das Funktionieren einer Demokratie wichtiger als strahlende Sieger. Bei so knappen Mehrheitsverhältnissen kann man sich sehr leicht auf der Verliererseite finden. Das zeigt doch, wie wichtig es ist, daran zu arbeiten, die politischen Gräben zu überwinden. Das Land ist politisch vielschichtig und divers, das hat diese Wahl unterstrichen. Je weniger der künftige Präsident dazu willens oder in der Lage ist, den Ton zu entschärfen, desto mehr werden die USA mit sich selbst beschäftigt bleiben. Amerika ist mehr als eine One-Man-Show. Wer in so einer Situation weiter Öl ins Feuer gießt, der handelt selbst unverantwortlich.

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Wird das transatlantische Verhältnis mit Biden automatisch besser?

Maas: Einen Aufbruch zu alten Ufern wird es, unabhängig vom Wahlausgang, nicht geben. Das zeigt auch das knappe Wahlergebnis, auf das ein künftiger Präsident wohl Rücksicht nehmen wird - oder zumindest sollte. Das heißt wohl auch, dass die USA zunächst einmal nicht mit voller Energie auf die internationale Bühne zurückstreben werden. Wir müssen in jedem Fall schnell erreichen, dass der Westen wieder als Team spielt. Wir können uns in vielen internationalen Krisen den Luxus eines transatlantischen Zuwartens nicht leisten. Dazu brauchen wir vor allem zwei Dinge: Absprachen und Verlässlichkeit. Der Atlantik selbst wird durch die Wahl weder enger noch breiter. Aber die Brücken die wir haben, müssen wir erneuern, damit sie für gemeinsame Herausforderungen belastbar bleiben. Wir werden sobald als möglich mit Vorschlägen auf die dann gewählte Regierung zugehen.

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Dauerstreit mit Trump hat es über den Wehretat gegeben. Kann Deutschland sich jetzt mehr Zeit lassen mit der Steigerung der Rüstungsausgaben?

Maas: Wir haben die letzten Jahre genutzt, um weiter an einem starken und souveränen Europa zu bauen. Deutschland hat seit dem Gipfel von Wales vor sechs Jahren die Verteidigungsausgaben um etwa die Hälfte erhöht. Deutschland hat bereits den drittgrößten Etat aller Nato-Partner. Zum gleichberechtigten transatlantischen Schulterschluss gibt es aber weiterhin Bereiche, da fehlt uns Europäern noch die Schulterhöhe, das wissen wir. Wir stehen deshalb zu den Beschlüssen, weil das in unserem eigenen Interesse ist.

US-Wahl 2020 - Alles zum Duell Trump vs. Biden