In der Stadt Reading in Pennsylvania hat Trump die letzte Wahl mit zehn Prozent Vorsprung gewonnen. Was fasziniert die Bürger an ihm?

Reading Von der Aussichtsplattform an einer Pagode hoch über dem Tal erinnert Reading mit seinen kleinen Industriebetrieben inmitten einer hügeligen Landschaft ein bisschen an das Sauerland. Hier hat sich am Samstagmittag Grant Miller mit seinen Söhnen Alex und Grant aufgebaut. Sie wollen den Anflug der Regierungsmaschine von Donald Trump auf den kleinen Regionalflughafen der 90-000-Einwohner-Stadt im Herzen Pennsylvanias live miterleben.

Grant (21), Student der Finanzwissenschaften, darf am Dienstag. zum ersten Mal wählen. “Das wird die wichtigste Wahl in meinem Leben.” Er mag “Sozialismus nicht” und folgt seinem Vater: Trump. „Der Präsident wird über 320 Stimmen im Wahlmänner-Gremium holen”, sagt der Angestellte einer Firma, die Schilder herstellt, mit Gewissheit in der Stimme, „50 mehr als nötig, und er hat es verdient.” Gerade weil viele Medien” seine Wiederwahl „verhindern wollten.

Jerry Pawlikowski, ein anderer Schaulustiger, mischt sich ein. Bei Trump habe er um seine Geldbörse keine Sorgen. „Joe Biden würde dagegen die Steuern erhöhen. Nicht mir mir.” Fehlt noch Beth, die 63-Jährige, die mit ihrem, Bruder, einem „hundertprozentigen Trumpianer” samt Fernrohr gekommen ist, erzählt hinter einer dunklen Sonnenbrille versteckt von einem Amerika, das den „Jordan runter geht”, in dem ungeborenes Leben nicht beschützt wird und illegale Einwanderer machen könnten, was sie wollen. „Wenn Biden gewählt wird, rutschen wir ab. Er ist eine Marionette, andere ziehen die Strippen.”

Im Jahr 2016 gewann Trump in Reading mit zehn Prozent Vorsprung

Mit Trump pflegt die Rentnerin gedanklich eine klare Aufgabenteilung: „Ich mag überhaupt nicht, wie er redet. Aber darüber sehe ich hinweg. Er hat Jobs nach Reading gebracht. Er ist kein Redner, er ist ein Geschäftsmann, der sein Land liebt, die Flagge und das Militär.”

Während der Flieger des Präsidenten auf die Rollbahn zusteuert, wo ihn gut und gerne 5000 Menschen in kühler Herbst-Luft zu einer von vier Kundgebungen erwarten, die der Präsident hintereinander im kurz vor der Wahl heftigst umworbenen Pennsylvania abreißt, kommt einem kurz John Updike in den Sinn. Der große Schriftsteller der Rabbit-Roman-Serie um den Helden Harry Angstrom wurde 1932 in Reading geboren. Er nannte seine Heimat einmal die „Stadt der Blumentöpfe”. Aber für Joe Biden scheint es hier nicht viel zu gewinnen zu geben.

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Die Wähler in Reading, das zum Landkreis Berks gehört, haben Trump 2016 mit zehn Prozent Vorsprung vor Hillary Clinton ausgestattet. Und zum ersten Mal seit George H.W. Bush 1988 einen Republikaner ins Weiße Haus geschickt. „Das wird so bleiben”, sagt Grant Miller. Auch wenn die Umfragen für ganz Pennsylvania Herausforderer Biden im Mittelwert just 3,7 Prozentpunkte vorn sehen; nahe an der Irrtums-Marge.

„Trumps Taten haben mich zum absoluten Fan gemacht“

Gary, 62, Elektriker, der seinen Nachnamen nicht nennen will, „auch nicht in einer deutschen Zeitung”, sagt darum: „Vergiss es. Die Umfragen taugen doch nichts. Da ist eine mächtige schweigende Mehrheit hier draußen, die doppelt motiviert pro Trump ist und den Meinungsforschern nicht die Wahrheit sagt.”

Dazu komme: „Ich kenne viele Leute persönlich, die ihn 2016 nicht gewählt haben, weil sie seine Persönlichkeit abstoßend fanden. Nach vier Jahren sind sie diesmal ganz entschieden für Trump. Sie wissen, was sie von ihm kriegen.”

Zum Beispiel Kathryn Harbus. 60 Jahre alt, zwei erwachsene Kinder, christlich. Die geschiedene Mutter war „erst überhaupt” nicht für den New Yorker Populisten zu gewinnen vor vier Jahren, hat ihn dann aber doch mit Ach und Krach gewählt. Schon um Hillary Clinton zu verhindern, die sie „korrupt” und „arrogant” nennt. „Jetzt muss ich sagen: Trumps Taten haben mich zum absoluten Fan gemacht. Ich hatte wirtschaftlich die besten dreieinhalb Jahre in meinem ganzen Leben. Ich will mehr davon.”

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Die zierliche Blondine aus Philadelphia erzählt von mehr Geld in der Haushaltskasse, weniger Steuern, weniger Ausgaben für die Krankenversicherung („Obamacare hat mich gekillt”). Auch dass Trump sich nach wie vor nicht scheut, Leuten auf die Füße zu treten und Klartext zu reden, nötigt ihr Respekt ab. „Der lässt sich nicht herumschubsen, der hat keine Furcht.”

Wie war das mit der Corona-Krise, die mehr als 230 000 Tote gefordert hat? Breitband-Konter: „Ich wüsste nicht, was Trump mehr hätte machen sollen.” Dass Trump sich im Ton vergreift - geschenkt. „Konzentrieren Sie sich auf das, was er macht”, sagt Harbus, „nicht auf seine Worte.”

Viele Menschen stehen zu Trump

Für sie und Tausende andere, die fünf Stunden vor Beginn der Trump-Rede auf der grünen Wiese vor dem kleinen Flugplatz von Reading Schlange stehen, bedeutet das: „Die Wirtschaft läuft, die US-Botschaft in Israel ist nach Jerusalem verlegt worden, Soldaten kamen nach Hause. Hey, Trump ist der Erste, der uns nicht in einen Krieg verwickelt hat. Ich bin hier, um Flagge zu zeigen und mich dafür zu bedanken.”

Dabei sieht es in Reading, wie in vielen anderen Ecken Pennsylvanias, alles andere als rosig aus. Vor zehn Jahren galt der Ort als Amerikas Armenhaus. Nach dem Niedergang der Kohle war die Stadt dem Verfall preisgegeben. Nach und nach zogen Tausende Einwanderer aus Latein-Amerika her. Sie prägen heute mit 60 % Bevölkerungsanteil das Stadtbild. Trumps Versprechen, Industrie-Arbeitsplätze in hoher Zahl zurückzuholen, blieb laut der Zeitung „Philadelphia Inquirer” ein „Lippenbekenntnis”.

Larry Bowman, ein ehemaliger Stahlarbeiter, will aber festgestellt haben, dass es trotz Corona-Krise wieder aufwärts geht. Nach offiziellen Zahlen fiel die Arbeitslosigkeit in Reading von April (17,6 Prozent auf 7,9 Prozent Ende September. Im ganzen Bundesstaat, wo außerhalb der demokratisch beherrschten Metropolen Philadelphia und Pittsburgh, viele Landkreise 2016 „rot” geworden sind, also republikanisch, sind es im Schnitt fünf Prozent. „Wenn Trump bleibt, kommt der Wirtschaftsmotor wieder voll in Gang. Mit Biden werden wir abstürzen.”

Für Kathryn Harbus zählen andere Dinge fast noch mehr.

Die Demokraten, sagt die auf russisch-polnische Wurzeln zurückblickende Parteiunabhängige, wollten Amerikas „Struktur” umkrempeln: „Mehr liberale Richter am Obersten Gericht, weg mit dem Wahlmänner-Gremium. Die Demokraten glauben wirklich, dass Amerika schlecht ist und nur sie es besser machen können. Das will ich nicht. Da gehe ich lieber wieder mit Trump.”