Berlin. Erneut hat ein mutmaßlicher Islamist ein Attentat in Frankreich verübt. Die Politik sollte konsequenter gegen Extremismus vorgehen.

Wieder ist es Nizza. Am 14. Juli 2016 fuhr ein islamistischer Attentäter mit einem Lkw in eine Menschenmenge: 86 Tote. Nicht nur die vor Lebensfreude sprühende Mittelmeer-Metropole, ganz Frankreich und Europa waren geschockt. Am Donnerstag wurden in der Stadt erneut drei Menschen bei einer mutmaßlich terroristischen Messerattacke in einer Kirche ermordet. Auch in Avignon und vor dem französischen Konsulat in der saudi-arabischen Hafenstadt Dschidda gab es Angriffe.

Gerade zwei Wochen ist es her, dass der Lehrer Samuel Paty bestialisch enthauptet wurde. Er hatte zum Thema Meinungsfreiheit im Unterricht Mohammed-Karikaturen gezeigt. Die Geißel des Islamismus ist in Frankreich zurück.

Hochgeschaukelt wurden die Spannungen vermutlich durch den Kulturkampf zwischen dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und dem französischen Staatschef Emmanuel Macron. Erdogan schmetterte Macrons Verteidigung der Karikaturen als „Islamfeindlichkeit“ ab. Ein General-Vorwurf, den er auf die ganze EU ausweitete.

In einer Republik ist Kritik an allem und allen erlaubt

Man muss die Mohammed-Karikaturen, die immer wieder im französischen Satire-Magazin „Charlie Hebdo“ abgedruckt werden, nicht mögen. Man kann sie sogar platt und geschmacklos finden. Und es ist durchaus erlaubt, die Frage zu stellen, ob derbe Witze über Religion möglicherweise die Gefühle vieler Menschen verletzen.

Was aber nicht geht, ist die Methode Erdogan: Demnach hält sich die Empörung über die Hinrichtung des Lehrers Samuel Paty sehr in Grenzen. Man echauffiert sich lieber über die angebliche christliche Kampagne gegen den muslimischen Glauben.

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Politik-Korrespondent Michael Backfisch.
Politik-Korrespondent Michael Backfisch. © Reto Klar | Reto Klar

Nein, in einer Republik ist Kritik an allem und allen erlaubt. Die Zeiten, in denen sich Autokraten und Autoritäten jeder Art hinter dem Schutzschild der Majestätsbeleidigung verschanzen konnten, sind vorbei. In den westlichen Staaten wird die Religionsausübung geschützt, aber sie ist Privatsache.

Die neuesten Terrorattacken führen zur bitteren Erkenntnis: Frankreich ist am Ende seiner Illusionen angelangt. Die meisten der sieben Millionen Muslime im Land leben zwar friedlich und halten sich an die öffentliche Ordnung. Doch Studien belegen, dass für 30 Prozent der Jugendlichen das islamische Rechtssystem der Scharia wichtiger ist als die Gesetze der Republik.

Eine Vielzahl von radikalislamischen Organisationen hat sich seit rund 30 Jahren in Frankreich ausgebreitet. Sie machen Front gegen die „Ungläubigen“, die für die Trennung von Staat und Religion eintreten. Diese Netzwerke müssen die Sicherheitsbehörden auflösen. Moscheen, die zu Hass und Hetze anstacheln, gehören geschlossen. Die Demokratie muss wehrhaft sein.

Linke und Grüne haben sich eine falsche Zurückhaltung auferlegt

Ja, es stimmt: Die französische Politik hat über viele Jahre bei den sozialen Brennpunkten in den Vorstädten beide Augen zugedrückt. Vor allem Jugendliche – viele aus Einwandererfamilien – litten unter fehlender Bildung und Per­spektivlosigkeit. Die Politik muss hier gegensteuern. Aber dies ist keine Einbahnstraße: Wer in Frankreich aufgenommen wurde, hat auch eine Bringschuld an Integration.

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Die laizistische Verfassung ist oberste Messlatte und nicht das Wort des Propheten. Insbesondere die Linken und Grünen haben sich hier falsche Zurückhaltung auferlegt. Sie hofierten islamistische Verbände, machten sich deren Vorwurf der angeblich verbreiteten „Islamophobie“ zu eigen, um deren Stimmen zu bekommen.

Doch falsche Toleranz ist selbstzerstörerisch. Wer die Republik bekämpfen will, gehört hinter Gitter oder abgeschoben. Die französische Politik muss mit größerer Konsequenz gegen die Feinde des Landes vorgehen. Worte allein reichen nicht.