Berlin. Jene Bauern sollen am meisten Fördergeld bekommen, die am meisten für die Gesellschaft leisten. Das fordern die Grünen in einem Papier.

Vor dem EU-Agrarministerrat in der kommenden Woche haben sich die Grünen dafür ausgesprochen, die Förderung der europäischen Landwirtschaft radikal umzubauen. In einem Positionspapier, das unserer Redaktion vorliegt, schlagen Parteichef Robert Habeck, der Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter und weitere Unterzeichner das Modell einer sogenannten Gemeinwohlprämie vor, das die bisherigen Flächenzahlungen ablösen soll.

Der Systemwechsel soll in mehreren Etappen erfolgen und im Jahr 2031 abgeschlossen sein. „Es ist allerhöchste Zeit, das europäische Agrarsystem von Grund auf zu reformieren“, sagte Habeck unserer Redaktion. „Konkret heißt das, Umwelt-, Klima- und Tierschutz zu einem integralen Bestandteil der Förderung zu machen.“ Der Agrarhaushalt als bisher größter Posten des EU-Haushalts biete „einen wirkmächtigen Hebel, um Steuermilliarden in Nachhaltigkeit zu investieren“. Lesen Sie auch: Grüne fordern Milliardenprogramm zum Schutz des Waldes

Hofreiter: Klöckner blockiert Reform der Agrarpolitik

Hofreiter warf Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) vor, eine Reform der gemeinsamen Agrarpolitik zu blockieren. Damit verspiele sie die Zukunft vieler Landwirte. Bisher bekomme ein 50-Hektar-Betrieb 14.000 Euro und ein 5000-Hektar-Betrieb 1,5 Millionen Euro – unabhängig davon, welche Leistungen für Umwelt-, Natur- und Klimaschutz die Landwirte erbrächten, heißt es in dem Papier. Lesen Sie dazu: Kükenschreddern verboten: Klöckner schlägt neues Gesetz vor

In Zukunft sollten jene Bauern am meisten Fördergeld bekommen, die am meisten für die Gesellschaft leisteten. „Mit einer Gemeinwohlprämie wollen wir die Landwirte und Landwirtinnen für die Güter entlohnen, für die der Markt bisher keinen Preis kennt.“

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    Jährlich würden in der EU rund 64 Milliarden Euro für die Förderung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume ausgegeben - davon etwa 6,7 Milliarden in Deutschland, rechnen die Grünen vor. „Wenn die Milliardensubventionen nicht gerechter und ökologischer verteilt werden, drohen weitere Bauernpleiten und die ökologischen Krisen verschärfen sich.“

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    Die Reformvorschläge von Kommission und Rat zur Agrarpolitik seien unzureichend, kritisieren die Autoren des Papiers. Und Landwirtschaftsministerin Klöckner nutze die deutsche Ratspräsidentschaft dazu, die Vorschläge aus Brüssel weiter abzuschwächen und einen Kurswechsel zu verhindern.

    Robert Habeck, der Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, und einige seiner Kollegen kritisieren Agrarministerin Julia Klöckner.
    Robert Habeck, der Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, und einige seiner Kollegen kritisieren Agrarministerin Julia Klöckner. © dpa | Kay Nietfeld

    Als Ziele, an denen sich die Förderung orientieren soll, nennen die Grünen im einzelnen: den Schutz von Biodiversität, Umwelt und Klima sowie eine artgerechte Tierhaltung; angemessene und faire Preise von landwirtschaftlichen Produkten für Produzenten und Konsumenten; die Produktion qualitativ hochwertiger, gesunder Nahrungsmittel; den Erhalt einer vielfältigen Agrarstruktur; eine nachhaltige Entwicklung der ländlichen Räume.

    Grüne wollen Marktzugang für Kleinerzeuger verbessern

    Den Landwirten solle es weiter erlaubt sein, landwirtschaftliche Güter ohne ökologischen Zusatznutzen zu produzieren, machen die Autoren den Papiers deutlich. Dann müssten sie allerdings auf Subventionen verzichten. Außerdem müssten sich die Bauern auf „ein verschärftes Ordnungsrecht“ einstellen. Hofreiter und Habeck treten zudem für eine „gerechte und stabile Marktstruktur“ ein, zu der sie auch „vorbeugende Kriseninstrumente zur Marktstabilisierung“ zählen.

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      Wörtlich schreiben sie: „Bei Marktkrisen sollen verbindliche Anpassungsmaßnahmen der Erzeugungsmenge an die Nachfrage gegensteuern.“ Darüber hinaus müsse der Marktzugang besonderes für Kleinerzeuger verbessert werden. Importe in die EU sollten nur zugelassen werden, wenn europäische Standards bei Klima-, Umwelt- und Tierschutz angelegt würden.

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      Gleichzeitig dürften Handelsabkommen diesen Zielen nicht zuwiderlaufen. Und der Absatz von Produkten aus EU-Landwirtschaft solle durch eine verbindliche Herkunftsangabe gefördert werden. „Auf jedem Produkt soll deklariert sein, wo die Rohstoffe herkommen, statt wie bisher nur der Verarbeitungs- beziehungsweise Verpackungsort“, heißt es in dem Papier, das neben Habeck und Hofreiter von den Grünen-Politkern Renate Künast, Friedrich Ostendorff, Harald Ebner, Markus Tressel, Franziska Brantner, Oliver Krischer und Martin Häusling unterzeichnet wurde.

      Julia Klöckner reagiert verärgert auf die Vorwürfe der Grünen

      Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, reagiert verärgert auf den Vorwurf der Grünen.
      Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, reagiert verärgert auf den Vorwurf der Grünen. © imago images/photothek

      Bundeslandwirtschaftsministern Julia Klöckner (CDU) reagierte verärgert auf den Vorwurf der Grünen. Die Grünen müssten „einiges nicht mitbekommen haben“, sagte Klöckner unserer Redaktion. „Denn wir bringen mehr Umweltschutz, mehr Klimaschutz und mehr Tierwohlstandards voran – in der Praxis, nicht nur in theoretischen Maximalforderungen.“

      Künftig würden Fördermittel aus Brüssel an „Bedingungen für mehr Nachhaltigkeit“ geknüpft. Dabei gehe das Konzept der deutschen Präsidentschaft noch über den Vorschlag der EU-Kommission hinaus. Allerdings seien Einkommens- und Ertragssicherung keine Nebensache, fügte Klöckner hinzu. „Wer die regionale landwirtschaftliche Erzeugung erhalten will, der muss höhere Auflagen auch honorieren.“ Die Grünen, so der Vorwurf der Ministerin, würden das verkennen und damit den deutschen und europäischen Agrarstandort gefährden.

      (gau)