Berlin/Hamburg. Ermittler sind seit 2018 einer Berliner Gruppe auf der Spur. Ein Beschuldigter trainierte mit scharfen Waffen – unter falschem Namen.
Er brauchte Training, Schießübungen mit Pistole. Das war nicht wirklich schwer im Berliner Umland. Unter falschem Namen versuchte sich der Linksextremist 2017/18 mehrmals an Schießständen mit der Waffe. Mehr als zwei Jahre später treiben die Schießstunden von damals die Polizei um. Und nicht nur sie.
Die Grünen-Abgeordnete Irene Mihalic will von der Bundesregierung wissen, wie es denn möglich war, einfach nur mit falschen Angaben Zugang zu Waffen und Munition zu erlangen. Die frühere Polizistin fragt, ob das Bundesinnenministerium denn nicht eine „Regelungslücke“ im Waffenrecht sehe.
Die Ermittler sind seit Februar 2019 einer Extremistengruppe auf der Spur, der sie die „Vorbereitung einer Serie von Gewaltstraftaten im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel in Hamburg“ im Jahr 2017 zur Last legen. Der Verdacht der Karlsruher Bundesanwaltschaft: die Bildung einer kriminellen Vereinigung.
Linksextremisten sind weiter auf freiem Fuß
Der Generalbundesanwalt führt ein Verfahren gegen insgesamt sieben Personen. Öffentlich bekannt wurde es erstmals, als Polizisten Mitte September mehrere Wohnungen in Berlin durchsuchten. Verhaftet wurde niemand. Die Beschuldigten sind auf freiem Fuß.
Erst nach Abschluss der Ermittlungen wird die Karlsruher Behörde entscheiden, ob ein hinreichender Tatverdacht für eine Anklageerhebung vorliegt. Die Ermittlungen und Auswertungen dauerten an, erklärte ein Sprecher der Karlsruher Behörde unserer Redaktion. Lesen Sie hier: Linksunten.Indymedia: Internetplattform bleibt verboten
Aber es verdichtet sich ein beunruhigendes Bild, wie die Antwort von Innenstaatssekretär Günter Krings (CDU) auf die Anfrage der Grünen-Fraktion im Bundestag zeigt. In der Antwort, die unserer Redaktion vorliegt, heißt es: Fünf Beschuldigten werde vorgeworfen, „sich gemeinsam mit weiteren namentlich noch nicht bekannten Personen seit Juni 2016 in Berlin und andernorts zu einer konspirativ agierenden Personenvereinigung zusammengeschlossen zu haben“ – allesamt polizeibekannte militante Linksextremisten.
G20-Gipfel könnte Initialzündung für Vereinigung gewesen sein
Zwei weitere Beschuldigte sollen sich der Vereinigung im Juni 2017 angeschlossen haben. Zur Erinnerung: Der Hamburger G20-Gipfel fand nur wenig später statt, am 7. und 8. Juli. Hamburg könnte die Initialzündung für die mutmaßliche kriminelle Vereinigung gewesen sein. Lesen Sie hier: Drei Chaos-Tage in Hamburg – Ein Jahr nach dem G-20-Gipfel
Die immer noch andauernden Ermittlungen im Zusammenhang mit den Gewalttaten rund um den G20-Gipfel belegen für Krings, „dass wir auch den Linksextremismus weiter ernst nehmen müssen“. Er warnte im Gespräch mit unserer Redaktion, „von den hier entstandenen konspirativen Netzwerken gehen reale Gefahren aus.“
Gruppe plante wohl Angriffe auf Menschen
Besonderes im Fokus sind zwei Brüder, laut „Spiegel“ werden sie vom Landeskriminalamt als sogenannte relevante Personen eingestuft. Die Ermittler glauben, das Ziel der Vereinigung sei es gewesen, im gesamten Bundesgebiet „koordinierte und schlagkräftig organisierte“ schwere Straftaten zu begehen, auch Angriffe auf Menschen, vor allem auf Polizisten. Auch interessant: Rechte und Linke: Wie Extremisten die Wirtschaft bedrohen
Die Gruppe ist vernetzt mit der linksextremistischen Szene in Berlin und Leipzig. Parallel zu den Durchsuchungen in Berlin fand eine Razzia in Athen statt. Zwei Beschuldigte stünden „seit Jahren in Verbindung mit griechischen Szeneangehörigen“. Zwei Wohnanschriften in der griechischen Hauptstadt konnten ihnen direkt zugeordnet werden.
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Holzknüppel und Gasdruckpistolen im Auto in Leipzig gefunden
Die „Bildung krimineller Vereinigungen“ ist ein schwerer Vorwurf. Im Falle einer Verurteilung droht eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren – abhängig von den konkreten Straftaten. Die nächste Stufe wäre der Vorwurf der Bildung einer terroristischen Vereinigung – so weit will die Staatsanwaltschaft nicht gehen.
Der Ausgangspunkt der Ermittlungen war wohl, dass einer der Männer bei zwei Polizeikontrollen auffiel, einmal im Januar 2016 in Leipzig, am Tag einer Demonstration der rechten Legida, und erneut ein Jahr später – zwei Wochen vor dem G20-Gipfel – in Hamburg. Bei der Kontrolle in Leipzig stellte die Polizei damals laut „Tagesschau“ im Auto Holzknüppel, Gasdruckpistolen, Schutzwesten und Brecheisen sicher. Mehr als der damalige Fund irritieren aber die Schießübungen in Berlin, der Zugang zu Waffen.
Grüne: Der leichte Zugang zu Waffen ist besorgniserregend
„Wenn Extremisten derart einfach auf regulären Schießständen an scharfen Waffen trainieren können, halte ich das für sehr besorgniserregend“, sagte die Grünen-Innenpolitikerin Mihalic unserer Redaktion, „zumal, wenn dies auch unter falschem Namen möglich ist“, fügte sie hinzu.
Mihalic gibt zu bedenken, die Überprüfung der Zuverlässigkeit der Betreiber reiche nicht, um solchen Missbrauch sicher auszuschließen. Demnach wird jeder überprüft, der einen Schießstand betreibt, nicht aber die Mitarbeiter. Mihalic gibt zu bedenken, letztlich komme es auf die persönliche Eignung aller Personen an, die Zugang zu Waffen und Munition haben oder vermitteln können.
Wenn die nicht zuverlässig oder nachlässig sind, dann ist es ein Leichtes, sich mit falschen Angaben die Erlaubnis zum Schießtraining zu erschleichen. Das Innenministerium beschied der Abgeordneten knapp: „Eine Regelungslücke im Waffenrecht liegt aus der Sicht der Bundesregierung nicht vor.“ Für Mihalic ist es „sehr erstaunlich“, dass die Regierung das überhaupt nicht kritisch finde.