Merkel hat mit den Länderchefs über Corona-Maßnahmen beraten. Wer im Restaurant Falschangaben macht, muss mit einem Bußgeld rechnen.
- Die Bundesregierung und die Länder haben sich auf eine Verschärfung der Corona-Regeln geeinigt
- Das betrifft unter anderem Bußgelder bei falschen Angaben in Restaurants, auch eine Party-Obergrenze soll unter Umständen greifen
- Ein Überblick über die neuen Corona-Maßnahmen finden Sie hier
Berlin. Die Kanzlerin, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und der Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher kamen mit ernsten Mienen zur Pressekonferenz im Kanzleramt. Mehr als drei Stunden hatten Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder zuvor per Videoschalte intensiv beraten, wie Deutschland einen heißen Herbst mit einem schweren Corona-Rückfall vermeiden kann.
Die Infektionen nehmen wieder deutlich zu. Noch nicht ganz so heftig wie in Frankreich oder Spanien, aber der Trend ist beunruhigend, vor allem in Ballungsgebieten.
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Neue Corona-Regeln: „Ein zweiter Shutdown darf nicht passieren“
Merkel sagte, die Republik sei zwar ganz gut durch den Sommer gekommen. Doch nun müsse gegengesteuert werden: „Wir wissen, dass vor uns die schwierigere Zeit liegt, die Herbst- und Wintermonate.“ Je kälter es wird, desto mehr Alltagsleben wird in Räumen stattfinden, wo sich das Virus wohlfühlt und leichter verbreiten kann.
Die Kanzlerin sprach dann aus, was trotz einiger Differenzen in der Corona-Praxis zwischen Bund und Ländern alle umtreibt: Ein erneuter Shutdown des gesamten Landes dürfe nicht passieren. „Das muss unbedingt verhindert werden.“ Die sich erholende Wirtschaft soll am Laufen, Schulen und Kitas unbedingt offen gehalten werden. Deshalb werde nun „regional, spezifisch und zielgenau“ reagiert, erklärte Merkel.
Merkel drängte auf Obergrenzen
Der neben ihr sitzende Söder brachte es noch plakativer auf den Punkt: „Mehr Maske, weniger Alkohol und kleinere Feiern!“ Die Politik wolle weder Spielverderber noch Spießer sein. Alle, auch das junge Partyvolk, müssten Verantwortung zeigen. Deutschland stehe an einer „Weggabelung“.
Merkel war zudem bemüht, ihre von vielen als Horrorzahl aufgefasste Berechnung von möglichen 19.200 Neuinfektionen pro Tag in der Weihnachtszeit wieder ein bisschen abzudämpfen. Die in einer internen CDU-Runde gefallene Zahl sei „nichts Dramatisches“, sondern nur eine Kalkulation gewesen, wie der seit Ende Juni beobachtete exponentielle Anstieg weitergehen würde, wenn nichts passiere.
„Das unterstreicht die Dringlichkeit“, erläuterte die Physikerin Merkel. Ihrer Logik konnten sich die Länder vor allem bei Obergrenzen für Feiern in privaten und öffentlichen Räumen nicht entziehen.
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Merkel ist seit Langem ein Dorn im Auge, dass ein Teil der Deutschen sich sorglos verhält – und auf großen Hochzeits- und Geburtstagsfeiern besteht. Eine bundesweit verbindliche Obergrenze für private Feiern aber lehnten viele Länderchefs bislang strikt ab.
1. Neue Corona-Regel: Obergrenzen bei privaten Feiern in öffentlichen Räumen
Am Dienstag konnte sich die Runde immerhin auf einen starken Kompromiss einigen: Bund und Länder wollen Feiern in öffentlichen oder angemieteten Räumen auf maximal 50 Teilnehmer beschränken, wenn in einem Landkreis oder einem kommunalen Bezirk innerhalb von sieben Tagen mehr als 35 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner kommen.
- Für private Räume soll es demnach keine Vorschriften zur Teilnehmerzahl geben – aber immerhin die dringende Empfehlung, die Feier auf 25 Personen zu begrenzen.
- Sollte es in einer Region innerhalb von sieben Tagen mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner geben, soll die Teilnehmerzahl auf höchstens 25 Personen in öffentlichen oder angemieteten Räumen festgelegt werden.
- In privaten Räumen werde wiederum dringend empfohlen, in diesem Fall keine Feiern mit mehr als zehn Teilnehmern durchzuführen.
Der unterschiedliche Umgang mit privaten und öffentlichen Räumen ergibt sich unter anderem aus den rechtlichen und praktischen Hürden für die Kontrolle privater Räumlichkeiten. Merkel und Söder zeigten sich am Abend erleichtert über den gemeinsamen Beschluss der 16 Länderchefs: „Diese Linie gilt für alle“, erklärte Söder.
2. Corona-Bußgelder bei Falschangaben in Restaurants
Fast jeder hat das bei einem Restaurantbesuch unter Corona-Bedingungen schon gesehen: Andere Gäste kritzeln Fantasienamen auf die ausgelegten Listen, mit denen die Gesundheitsämter im Ansteckungsfall den Kontakt von Infizierten nachverfolgen wollen.
Künftig sollen falsche persönliche Angaben mit einem Mindestbußgeld von 50 Euro belegt werden können. Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann hält das für gerechtfertigt: „Es geht nicht, dass man da irgendwelche Spaßgeschichten aufschreibt wie Darth Vader oder Prinzessin Leia.“
Bußgelder müssen die Gäste zahlen, stellte ein Regierungssprecher am Abend klar. Merkel hatte zunächst gesagt, dies würde den Gastwirten aufgebrummt werden – ihnen obliege es, die Gästelisten korrekt zu führen, machte Merkel klar. Wenn „Donald Duck“ auf einer Liste stehe, müsse mal der Personalausweis kontrolliert werden. Schleswig-Holstein will sogar bis zu 1000 Euro Strafe erheben.
3. AHA-Formel soll durch „L“ für Lüften ergänzt werden
Gerade in der kalten Jahreszeit sollen zu der gültigen „AHA“-Formel für Abstand halten, Hygiene und Alltagsmasken zwei weitere Buchstaben hinzugefügt werden: „C“ wie Corona-Warn-App und „L“ wie Lüften. Eine halbe Milliarde stellt der Bund zur Umrüstung von Lüftungsanlagen mit Virenfiltern bereit. Bis ausreichend Geräte und Handwerker zum Einbau verfügbar sind, dürften allerdings Monate vergehen.
4. Appell an Bürger
An diesem Wochenende beginnen in den ersten Bundesländern die Herbstferien, viele klassische Urlaubsziele sind jedoch mittlerweile wieder Corona-Risikogebiete. Merkel und Söder appellierten an die Bürger, Reisen in Risikogebiete zu unterlassen.
5. Einreise-Regeln sollen überarbeitet werden
Schnellstmöglich soll zudem die Neuregelung der Einreise-Quarantäne kommen. Geplant ist die Reform bislang zum 15. Oktober – die Umsetzung kann allerdings noch bis Ende Oktober dauern.
- Reiserückkehrer aus Risikogebieten sollen dann in eine zehntägige Quarantäne gehen, die verkürzt werden kann, wenn ein frühestens am fünften Tag nach der Rückreise erfolgter Test ein negatives Ergebnis hat.
- Sonderregelungen soll es etwa für Grenzpendler und Geschäftsreisende geben.
Bevor die Neuregelung greifen kann, muss aber zunächst sichergestellt sein, dass die Daten der Einreisenden an die örtlichen Gesundheitsämter übermittelt werden – damit die ihrerseits die Quarantäne kontrollieren können. Bis dahin gelten die bisherigen Regeln: Risiko-Rückkehrer müssen direkt nach der Ankunft einen Test machen oder 14 Tage in Quarantäne gehen.
Neue Regeln sorgen für breite Zustimmung
Auch der Deutsche Landkreistag lobte die Einigung: „Noch können wir eine zweite Welle verhindern. Die verabredeten Feier-Obergrenzen sind daher ein richtiger Schritt als eine von wenigen bundesweiten Leitplanken“, sagte Präsident Reinhard Sager unserer Redaktion. Sager rief dazu auf, an einer dezentralen Eindämmungsstrategie festzuhalten, die sich nach dem örtlichen Infektionsgeschehen richte. „So darf beispielsweise nicht schematisch entschieden werden, wenn es in einzelnen Einrichtungen wie Schulen oder Krankenhäusern zu Ausbrüchen kommt.“
Zustimmung kam auch von Handwerksverbandspräsident Hans Peter Wollseifer: Es sei richtig, dass die neuen Beschränkungen zunächst vorrangig für das private Umfeld vorgesehen seien. Wollseifer nannte es „ein wichtiges Signal“, dass die politisch Verantwortlichen den klaren Willen hätten, es nicht zu einem zweiten flächendeckenden Lockdown kommen zu lassen.
Wollseifer mahnte ein einheitliches Vorgehen bei der Pandemiebekämpfung an. „Unsere Betriebe und hier besonders diejenigen, die in mehreren Bundesländern arbeiten, brauchen gerade in der aktuellen Pandemiephase alle Kraft, um für das Überleben ihrer Betriebe zu sorgen, und sollten sich nicht durch einen Corona-Regelungsdschungel kämpfen müssen.“
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