Berlin. Die weltweite Ausbreitung des Corona-Virus erreicht neuen dramatischen Höchststand. Auch in Deutschland steigt die Zahl der Opfer.

Es sind sechseinhalb Monate, die die Welt verändert haben: Am 11. März rief die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die zunächst in China grassierende Corona-Epidemie zur Pandemie aus. In kürzester Zeit hat sich das Virus rund um den Erdball ausgebreitet. Nun wird die traurige Marke von einer Million Corona-Toten weltweit erreicht.

So viele Menschen sind bislang nachweislich an oder mit Covid-19 gestorben. Mehr als 32 Millionen bestätigten Infektionen gibt es weltweit. UN-Generalsekretär Antonio Guterres nennt die Pandemie einen Test für die internationale Zusammenarbeit, „den wir im Wesentlichen nicht bestanden haben“.

Weltweit, aber auch in Deutschland, rechnen Experten mit einem weiteren Anstieg der Corona-Todesfälle.

Wie entwickeln sich die Zahlen?

Deutschland verzeichnet laut Robert Koch-Institut (RKI) bislang 9443 Covid 19-Todesfälle bei 280.223 nachgewiesenen Ansteckungen. In der Statistik des RKI werden Todesfälle als Covid-19-Fälle gezählt, wenn der Patient unmittelbar an der Erkrankung verstorben ist („gestorben an“), oder es sich um einen Patienten mit Vorerkrankungen handelte, der infiziert war und bei dem sich die genaue Todesursache nicht abschließend nachweisen ließ („gestorben mit“).

Im Vergleich zum Frühjahr, als in Deutschland zum Teil mehr als 300 Menschen pro Tag starben, ist die Zahl der täglich neu gemeldeten Covid-19-Toten noch immer gering. In den vergangenen Tagen lag die Zahl jedoch zum ersten Mal wieder mehrmals in Folge im zweistelligen Bereich. Das RKI meldete am Dienstag 10, am Mittwoch 13, am Donnerstag 19, am Freitag 15 Verstorbene.

„Die steigende Zahl der Covid 19-Toten spiegelt vor allem das steigende Infektionsgeschehen wider“, sagt Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Von der Erstinfektion bis zu einer schweren Erkrankung dauere es in der Regel 10 bis 14 Tage. Die durchschnittliche Zeit auf der Intensivstation betrage 21 bis 24 Tage. Das bedeutet: „Viele der Menschen, die jetzt sterben, haben sich vor mehr als fünf Wochen angesteckt“, so Janssens.

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Der Mediziner rechnet damit, dass die Totenzahlen in den kommenden Wochen weiter steigen werden. „Wir werden aber nicht wieder eine dramatische Lage wie im Frühjahr bekommen.“ Die Intensivmediziner wüssten heute viel mehr über erfolgreiche Behandlungsmöglichkeiten und könnten medikamentös gezielter eingreifen. Zudem habe das Land gelernt, die besonders gefährdeten Gruppen, die Alten und Kranken, besser zu schützen.

Aber: Es sei wichtig, nicht die indirekten Todesfälle zu vergessen, etwa Infarktpatienten, die sich aus Angst vor Ansteckung nicht in Praxen und Kliniken trauten. „Die Gesamtzahl der indirekten Toten werden wir erst Jahre später beziffern können, wenn sämtliche Spätfolgen der Pandemie abschätzbar sind.“

Welche Länder haben die meisten Corona-Toten?

An der Spitze liegen die USA mit aktuell knapp 203.000 Todesfällen. Dahinter liegen Brasilien (140.000), Indien (92.000), Mexiko (75.000), Großbritannien (42.000) und Italien (36.000). Die absolute Zahl der Corona-Opfer ist in den USA damit die höchste.

In der Wissenschaft wird jedoch oft die Sterberate je 100.000 Einwohner herangezogen. Danach starben in Peru laut Johns Hopkins-Universität 99 Menschen pro 100.000 Einwohner, in Bolivien 68, in Brasilien und Spanien je fast 67, in den USA 62 Menschen und in Schweden 58. In Deutschland sind statistisch gesehen pro 100.000 Einwohnern bislang 11 Menschen gestorben.

Warum kommt Afrika vergleichsweise gut durch die Corona-Krise?

Bis auf Südafrika, das bislang nach Zahlen der Johns Hopkins-Universität 16.283 Covid 19-Tote zu beklagen hat, ist der afrikanische Kontinent weniger stark von Corona betroffen. Dies liege daran, dass viele Länder Erfahrung im Umgang mit Seuchen hätten und frühzeitig Reisebeschränkungen, Ausgangssperren und Schulschließungen durchsetzten, sagt Susanne Anger, Sprecherin der Hilfsorganisation „Gemeinsam für Afrika“.

Ein weiterer Faktor sei das niedrige Durchschnittsalter. „Mehr als 60 Prozent der Bevölkerung Afrikas ist in einem Alter unter 25 Jahren“, sie gehörten damit nicht zur Risikogruppe. Allerdings werde weniger getestet. Es sei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen.

Wie viele Menschen sterben an anderen Krankheiten?

Selbst wenn die Dramatik der Corona-Krise derzeit weltweit im Fokus steht, so ist die Pandemie für einige weniger entwickelte Staaten beileibe nicht die größte Gesundheitsgefahr. Die WHO befürchtet vielmehr, dass es in den ärmsten Ländern als Folge von Corona zu einem starken Anstieg der Todesfälle bei Malaria, HIV und Tuberkulose kommt.

In vielen Entwicklungsländern südlich der Sahara wird ein ohnehin schwaches Gesundheitssystem durch den Kampf gegen Sars-CoV-19 überlastet. Menschen meiden aus Angst vor einer Corona-Infektion Ärzte und Krankenhäuser. Daher könnten in diesen Ländern laut WHO etwa 770.000 Menschen in diesem Jahr allein an Malaria sterben. Das wären doppelt so viele wie 2008 und die höchste Todesrate seit zwei Jahrzehnten.

Forscher des Imperial College London rechneten vor, dass von 2020 bis 2025 mehr Menschen an Aids, Malaria und Tuberkulose sterben könnten als durch Corona. Fakt ist darüber hinaus auch: Tabak, Alkohol und schlechte Luft führen jedes Jahr weltweit zu mehr Toten als Covid-19. In der EU sterben mehr als 400.000 Menschen pro Jahr an Luftverschmutzung. Tabakkonsum führt nach WHO-Schätzung jährlich bei rund acht Millionen Menschen zum Tod.