Brüssel. In der EU lösen die „Zypern-Papiere“ eine neue Debatte aus. Wann stoppt Brüssel die gefährlichen Geschäfte mit EU-Pässen?
Der Pass als Eintrittskarte in die Europäische Union kostete Yang Huiyan über zwei Millionen Euro, aber für die 39-jährige war das kein Problem. Mit einem Vermögen von 28 Milliarden Dollar gilt die Immobilienunternehmerin als reichste Frau Chinas. Das rote Passdokument der Republik Zypern macht Yang nun auch zur EU-Bürgerin, was ihr die Möglichkeit eröffnet, in allen EU-Staaten einschließlich Deutschland ungestört zu reisen, Geschäfte zu machen und sich dort niederzulassen.
So wie die reiche Chinesin haben allein in den letzten drei Jahren rund 2500 Menschen aus 70 Ländern, Familienangehörige eingeschlossen, von Zypern gegen eine Investition von mindestens zwei Millionen Euro die Staatsbürgerschaft erhalten – und die EU-Bürgerschaft automatisch dazu. Vor allem Russen und Chinesen nutzen diese Hintertür nach Europa. Es sind nicht nur schillernde Multimillionäre wie Yang darunter, sondern auch Kriminelle, Vorbestrafte und korrupte Politiker.
Auch Betrüger und Erpresser bekamen einen Pass
Der Russe Ali B. etwa, der wegen Erpressung im Gefängnis saß, oder der unter Korruptionsverdacht stehende Ex-Gazprom-Manager Nikolay G., ein vietnamesischer Geschäftsmann, der wegen Bestechung in Millionenhöhe angeklagt war, und ein chinesischer Investor, der wegen betrügerischen Aktienhandels eine vierjährige Haftstrafe verbüßte.
Dazu Politiker, auch mit zweifelhaftem Hintergrund: Auch geschäftlich engagierte Abgeordnete aus Russland, der Ukraine, Vietnam und Afghanistan oder ein früherer russischer Vizeminister. Insgesamt, so fasst die Antikorruptions-Organisation Transparency International die Liste der Neu-Zyprioten zusammen, waren mindestens 30 der Passkäufer wegen Verbrechen angeklagt oder verurteilt, 40 weitere gelten als politisch exponiert und anfällig für Korruption.
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Die zyprische Regierung hat das geheim gehalten, durch ein Daten-Leak ist die brisante Liste der Passverkäufe seit 2017 jetzt trotzdem bekannt geworden. In der EU lösen die „Zypern-Papiere“ eine neue Debatte aus. Der Verdacht, dass vom Passverkauf auch Kriminelle profitieren, bestätigt sich: „Es handelt sich nicht nur um gelegentliche Fehler, das gesamte System ist anfällig für Missbrauch“, beklagt Transparency International. „Die einzig angemessene Antwort ist, es abzuschaffen.
Der EU-Abgeordnete Markus Ferber (CSU) sagt: „Die Zypern-Papiere zeigen sehr deutlich: Zypern hat im großen Stil Staatsbürgerschaften verschachert, um die Staatskasse zu füllen“. Der Fall zeige erneut: „Goldene Visa und goldene Pässe sind ein Einfallstor für Geldwäsche, Steuerhinterziehung und organisierte Kriminalität“, sagte Ferber unserer Redaktion. Sein Grünen-Kollege Sven Giegold meint: „Die neuen Enthüllungen sind ungeheuerlich. Hier wird an Kriminelle das Wertvollste verkauft, was wir in Europa haben: die Staatsbürgerschaft“.
Nicht nur Zypern verkauft „Goldene Pässe“
Allerdings: Zypern ist in der EU kein Einzelfall. Auch Malta und Bulgarien verkaufen Staatsbürgerschaften. Und ein Dutzend anderer Staaten, voran Portugal und Griechenland, bieten immerhin langfristige Visa gegen Geld. Verlangt werden zwischen 800.000 und 2 Millionen Euro, mal direkt für die Staatskasse, mal für Immobilieninvestitionen. Nach Schätzungen von Transparency International wurden so schon über 100.000 Visa und Staatsbürgerschaften vergeben.
Hinweise auf Missbrauch gibt es immer wieder. Einmal erhielt sogar ein russischer Auftragsmörder einen griechischen Pass, über eine Interpol-Fahndung wurde er später gefasst. Die EU-Kommission zeigt sich besorgt: „Die Programme bergen Risiken, besonders hinsichtlich Sicherheit, Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Korruption“, sagt ein Kommissionssprecher unserer Redaktion.
EU-Kommission unter Druck: Kommt ein Verfahren gegen Zypern?
Die Kommission hat Malta und Zypern zwar mehrmals verwarnt und Auflagen gemacht. Passiert ist insgesamt aber zu wenig. Für die Vergabe von Pässen und Visa sind die Mitgliedstaaten zuständig. Die „Zypern-Papiere“ erhöhen indes den Handlungsdruck auf Brüssel. „Der sauberste Weg wäre ein vollständiges Verbot solcher Programme“, sagt der CSU-Abgeordnete Ferber. Die Mitgliedstaaten verletzten mit dem Passverkauf Verpflichtungen aus dem EU-Recht im Bereich der inneren Sicherheit oder beim Kampf gegen Geldwäsche.
Auch Giegold sieht da einen Hebel: „Zypern verletzt eklatant den Schengenvertrag und die Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit.“ Der Grüne fordert ein sofortiges Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen Zypern.
„Unsäglich“ sei es, dass die Kommission bisher nicht dagegen vorgegangen sei, auch die Bundesregierung müsse sich stärker für ein Ende der Praxis einsetzen. Immerhin, in der Kommission gibt es nun doch Bewegung: Justizkommissar Didier Reynders fordert nicht nur Aufklärung, sondern lässt ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Zypern prüfen; parallel denkt er über ein EU-Gesetz nach. Das Beste wäre, sagt Reynders, die Programme zum Kauf von Pässen und Visa „ganz zu beenden“.