Berlin. Der Straßenprotest reicht nicht: Jakob Blasel und weitere Aktivisten der Klimabewegung Fridays for Future wollen in den Bundestag.

Rednerpult statt Megafon, Fraktionssitzung statt Orga-Chatgruppe: Mitglieder der von Schülern und Studierenden getragenen Klimaschutzbewegung Fridays for Future (FFF) zieht es jetzt ins Parlament. Den Anfang machte kürzlich Jakob Blasel aus dem Kieler FFF-Team, der per Interview erklärte, im Herbst kommenden Jahres für die Grünen in Schleswig-Holstein in den Bundestag einziehen zu wollen.

Der 19-Jährige gehört zu den prominenten Gesichtern von FFF, er war beteiligt an großen Kampagnen und organisierte den Sommerkongress der Bewegung 2019 mit, bei dem rund 1700 Menschen nach Dortmund kamen.

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    Das sei jetzt vorbei, sagt Blasel. Seine Aufgaben innerhalb von Fridays for Future gibt er gerade ab. „Vor zwei Jahren war es für mich richtig, auf die Straße zu gehen und mich dort für die Einhaltung des Pariser Abkommens einzusetzen“, sagt Blasel am Telefon. „Jetzt habe ich die große Hoffnung, dass ich diese Position im Parlament stark machen kann.“ Das Jura-Studium, das er im Herbst beginnen will, würde er dafür vorübergehend auf Eis legen. Lesen Sie auch: Treffen von Merkel und Thunberg – Darum ging es im Gespräch

    Er ist nicht der Einzige, der von der Straße ins Parlament will. In Magdeburg will der Student Urs Liebau in den Bundestag einziehen, auch er für die Grünen. Andere Aktivisten liebäugeln mit Kandidaturen für Linke und SPD. Von „konkreten Gesprächen mit mehreren Aktivistinnen und Aktivisten“ berichtet auf Anfrage die Linke, für Namen sei es aber noch zu früh. Laut Fridays for Future planen derzeit fünf junge Klimaschützer eine Kandidatur, unter anderem in Bayern, Schleswig-Holstein, NRW und Brandenburg.

    Jakob Blasel (r.) beim Klimastreik mit Greta Thunberg. Links von ihnen die Friday-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer.
    Jakob Blasel (r.) beim Klimastreik mit Greta Thunberg. Links von ihnen die Friday-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer. © AFP via Getty Images | Tobias Schwarz

    Geteiltes Echo zu Schritt in Richtung Parlament

    In der Bewegung löst der Schritt in Richtung Parlament geteiltes Echo aus. Da ist zum einen die Art, wie der Großteil der Mitglieder von Blasels Plänen erfahren hat – per Interview bei „Zeit Campus“, Überschrift: „Wir sind zu frustrierten Aktivisten geworden.“ Das habe viele irritiert, sagt Carla Reemtsma, eine der Sprecherinnen der Bewegung. „Da war die Reaktion meistens ‚Du vielleicht, aber wir nicht‘“, sagt sie. „Gerade weil wir in den letzten eineinhalb Jahren gesehen haben, was man bewegen kann.“

    Seit ihrem Beginn Ende 2018 haben die Demonstrationen der Bewegung, inspiriert durch die schwedische Aktivistin Greta Thunberg, das Thema Klimaschutz mit Nachdruck auf die Agenda gesetzt, vor Corona dominierte der Kampf gegen die Klimakatastrophe die politische Debatte.

    Zur Wahl des EU-Parlaments im vergangenen Jahr war Klimaschutz für rund die Hälfte der Wähler in Deutschland das entscheidende Thema. Thunberg und Luisa Neubauer, bekanntestes deutsches Gesicht von FFF, waren erst vor wenigen Tagen zum Gespräch bei der Bundeskanzlerin.

    Grundsätzliche Kritik aus den Ortsgruppen

    Doch in der tatsächlichen Umsetzung tut sich nach Ansicht der Bewegung viel zu wenig. Das Klimapaket der Bundesregierung, der späte Kohleausstieg, nichts davon sei genug, um die Erwärmung wirklich auf 1,5 Grad zu begrenzen, so wie es im Vertrag von Paris steht. Lesen Sie auch: Fridays for Future streiken jetzt aus dem Wohnzimmer

    Die Kritik aus den Ortsgruppen am Schritt ins Parlament ist deshalb auch grundsätzlicher: In einer Bewegung, die bis jetzt vor allem auf Mobilisierung auf der Straße gesetzt hat, zweifeln viele, ob man in Parlament und Parteien wirklich mehr erreichen kann.

    Bei Fridays for Future jedenfalls könne es für die Kandidaten aber erst einmal nicht weitergehen, sagt Carla Reemtsma, eine der Sprecherinnen von Fridays for Future. „Weder zeitlich noch inhaltlich“ würden Kandidaturen und Mandate zum Engagement bei FFF passen. „Ein Parlament ist der Ort, wo Kompromisse gemacht werden“, sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. „Das verträgt sich weder mit einer Bewegung, die auf der Straße Druck aufbaut, noch mit dem 1,5-Grad-Ziel.“

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      Selbst die Grünen reichen den Ansprüchen nicht

      Auch weil keine Partei bisher ein Programm vorweisen kann, dass den Ansprüchen der demonstrierenden Schüler und Studierenden genügt, selbst die Grünen nicht. Auch Jakob Blasel ist die Partei, bei der er schon seit drei Jahren Mitglied ist, nicht konsequent genug. Innerhalb der Grünen, sagt er, werde er kämpfen müssen.

      „Wir scheitern an politischen Mehrheiten, nicht an gesellschaftlichen“, sagt er. Deshalb müsse man versuchen, diese politischen Mehrheiten zu ändern. „Viel von unserer Kritik wäre nicht berechtigt gewesen, wenn wir uns nicht zutrauen würden, es irgendwann besser zu machen.“

      Positive Reaktionen aus den Parteien

      Bei denen, die schon im Parlament sind, trifft die Nachricht bislang vor allem auf positives Echo. Wenn Mitglieder von Fridays for Future in den Bundestag einzögen, brächte dies „eine massive Verbesserung der Chancen für den Klimaschutz in Deutschland“, schrieb SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach auf Twitter und ergänzte an die Adresse seiner Genossen: „Auch in der SPD besteht noch Bedarf.“ Lesen Sie auch: Warum die Umweltministerin gegen eine Plastiksteuer ist

      Auch FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle begrüßte den Willen zum Wechsel ins Parlament. Jede Kandidatur der Aktivisten bringe mehr für eine ernsthafte Debatte über Klimaschutz als die „teilweise offen zur Schau gestellte Verachtung für Demokratie“ mancher Klimademonstranten.

      Blasel: Den „krassen Altersschnitt im Bundestag“ senken

      Jakob Blasel hofft, dass seine Kandidatur auch andere junge Menschen inspiriert, sich um Mandate zu bewerben. „Ich würde mir sehr wünschen, dass ich nicht der Einzige bin, der 2021 diesen krassen Altersschnitt im Bundestag senkt und die Perspektiven einer Generation einbringt, die bisher nicht vertreten ist.“ Bislang sind die 709 Abgeordneten im Schnitt mehr als 49 Jahre alt.

      Für den Großteil der Bewegung geht es aber auf der Straße weiter. Für den 25. September ist der nächste globale Klimastreik geplant.