Berlin. Man darf die Corona-Politik der Regierung kritisieren. Die Randalierer vom Reichstag aber offenbaren eine undemokratische Gesinnung.

Die Aufmerksamkeit war ihnen sicher. Die Empörung auch. Genau darauf hatte es die Gruppe von Demonstranten angelegt, die am Samstag gewaltsam die Absperrung des Bundestags durchbrochen hat, um kurz darauf Reichsflaggen auf den Treppen des historischen Baus zu schwenken.

Schwer zu sagen, wie weit die aggressiven Protestler noch gegangen wären, hätte sich ihnen nicht die Polizei massiv in den Weg gestellt.

Ihre politische Gesinnung haben die Eindringlinge in jedem Fall auch so offenbart. Wer den Bundestag, also das Zentrum der demokratischen Auseinandersetzung, besetzen will, will Meinungshoheit erringen und damit andere Ansichten ausschalten. Er legt auf diese Weise seine undemokratische Haltung offen. Und wenn man es ganz genau nimmt, zeigt er politisches Unwissen.

Denn wer die Corona-Politik der Regierung kritisiert, müsste Richtung Kanzleramt marschieren. Im Bundestag sitzen viele Gegner der Regierung, auch solche, die die Pandemiemaßnahmen äußerst skeptisch sehen. Beim Demonstrationszug am Samstag liefen auch Bundestagsabgeordnete der AfD mit.

Corona-Demo: Den Randalierern ging es darum, einen Paukenschlag zu setzen

Aber womöglich hat es bei den Randalierern vor dem Parlamentsgebäude nach einem langen Demonstrationstag nicht mehr für eine solche verfassungsrechtliche Differenzierung gereicht. Ihnen ging es darum, einen lauten Paukenschlag zu setzen. Das ist ihnen gelungen, auch wenn sie damit die Demonstration in Gänze in Misskredit gebracht und den Protest gekapert haben.

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Andererseits war mit solchen Zwischenfällen zu rechnen. Bei Kundgebungen, zu denen auch Ultrarechte und Verschwörungstheoretiker aufrufen, überrascht es kaum, wenn die Dinge aus dem Ruder laufen. Gewiss, es ist erlaubt, die Corona-Maßnahmen der Politik grundsätzlich infrage zu stellen. In einer Demokratie ist Widerspruch nicht nur erwünscht, sondern systemrelevant.

Politik-Korrespondent Alessandro Peduto kommentiert die Ausschreitungen bei den Demonstrationen gegen die Corona-Politik der Bundesregierung in Berlin.
Politik-Korrespondent Alessandro Peduto kommentiert die Ausschreitungen bei den Demonstrationen gegen die Corona-Politik der Bundesregierung in Berlin. © FMG

In Pandemiezeiten aber, in denen aus Gründen des Gesundheitsschutzes dichte Menschenansammlungen gefährlich sind, müssen hierfür gewisse Auflagen eingehalten werden. Unter diesen Voraussetzungen hatten die Gerichte die Demonstration im Vorfeld zugelassen und damit das Verbot durch die Berliner Innenbehörde aufgehoben.

Die Veranstalter bekamen mit ihrer Klage recht, was wiederum zeigt, dass es um unseren Rechtsstaat offenbar nicht ganz so katastrophal bestellt ist, wie einige Kundgebungsteilnehmer behaupteten. Dass es in der Praxis dennoch nicht funktionieren würde mit dem verordneten Abstandsgebot, war allerdings absehbar.

Denn warum sollten sich Demonstranten ausgerechnet an jene Regeln halten, gegen die sie doch 1000-fach auf die Straße gehen?

Was wollen die Demonstranten überhaupt?

Unklar bleibt zudem, was die vielen Menschen inhaltlich miteinander verbindet außer ihrem Unmut über die Corona-Maßnahmen der Politik. Es ist weiterhin nicht erkennbar, welche Lösungen die Protestler in der Pandemie vorschlagen, abgesehen davon, auf Abstandsregeln und Mund-Nasen-Schutz zu verzichten. War’s das schon?

Zudem ist es eine Truppe, die voller Widersprüche steckt: Impfgegner etwa, die sich gegen Zwangsimmunisierungen wehren, obwohl es gar keinen Impfstoff gibt. Reichsbürger, die die Verfassung der Bundesrepublik ablehnen, aber beim Demonstrationsrecht auf das Grundgesetz pochen. Oder ein bekannter veganer Koch, der inzwischen höchst Unappetitliches von sich gibt.

Spätestens aber wenn klar ist, dass man als Teilnehmer der Demonstration an der Seite von ex­tremen Rechten, Antisemiten und Randalierern läuft, sollten starke Zweifel aufkommen, ob diese Leute tatsächlich Mitstreiter im Protest gegen die Corona-Maßnahmen sind.