Berlin. Das Virus nimmt keinen Urlaub. Der Reiseverkehr während den Sommerferien führt zu steigenden Infektionszahlen – und neuen Warnungen.
Gestern noch ein vertretbares Urlaubsziel, morgen ein Risikogebiet: An den Balearen, an Spanien zeigt sich, wie unsicher der Tourismus geworden ist. Der nächste Schritt, eine Warnung, könnte sogar zu überstürzten Abreisen führen.
Wir brauchen mehr Verlässlichkeit, Planungssicherheit. Es gibt drei Optionen. Nicht reisen. Das haben viele Menschen beherzigt. Es ist aber weder eine Dauerlösung noch erstrebenswert. Nach der Rückkehr in Quarantäne zu gehen. Das ist mit Härten verbunden, wie das Beispiel Mallorca zeigt. Während des Urlaubs können sich die „Geschäftsbedingungen“ jäh und unvermittelt ändern. Die dritte und beste Option: testen. Und zwar generell, nicht nur nach dem Aufenthalt in einem Risikogebiet.
Ein Test nach der Ankunft, ein weiterer nach zehn Tagen. Das setzt entsprechende Infrastruktur voraus, schnelle Ergebnisse, zumutbare Preise. Wenn Geld für ein „Pickerl“ da ist, sollte in der Urlaubskasse auch eine Gesundheitsmaut drin sein.
Corona-Infektionen: Es braucht eine europäische Teststrategie
Es überrascht nicht, dass mit dem Sommer die Zahl der Corona-Infektionen steigt. Wenn etwas überraschend ist, dann allenfalls der Umstand, dass in Kenntnis des Risikos zu wenig vorbeugend unternommen wurde. Für die Sommersaison sind alle Messen gelesen. Viele Leute sind wieder zurück. Allein am Wochenende enden in drei Bundesländern die Schulferien.
Man muss sich klarmachen, dass die über 1000 neuen Fälle, die auch gestern gemeldet wurden, das Infektionsgeschehen vor ein bis zwei Wochen abbilden. Ansteckung, Krankheitsausbruch, Verdacht, Test, Ergebnis – erst nach Tagen landet man in der Statistik als eine Ziffer, die multipliziert, dividiert und prozentualisiert wird.
Demnächst kommen die Herbsturlauber, dann Weihnachten, Neujahr, Skiferien. Wenn es stimmt, dass der Urlaubsverkehr ein Treiberfaktor ist, muss man aus diesem Sommer lernen. Die meisten Menschen stecken sich im Inland an. Halten wir das fest, weil der eine oder andere sich fragt, ob man einen Bogen um die Nachbarn machen soll, die aus dem Kroatien-Urlaub zurückgekehrt sind.
Man sollte sich indes noch eine andere Frage stellen: Wie kommt es, dass Kroatien jetzt eine Rekordzahl an Neuinfektionen mit Corona meldet? Könnte es daran liegen, dass die Touristen sich nicht nur im Urlaub anstecken, sondern oft das Virus in ihre Gastländer mitbringen? Wir brauchen eine bessere, idealerweise eine europäische Teststrategie.
Pflichttests für alle Reiserückkehrer sind sinnvoll
Im Kleinen kann man viel lernen, zum Beispiel in Kupferzell. Der kleine Ort war mal ein Corona-Hotspot, Anfang März nach einem Kirchenkonzert. Ende Mai gab es keinen aktiven Fall von Covid-19 – im Kreis Hohenlohe sind es jetzt wieder sechs, lauter Reiserückkehrer.
Das Robert-Koch-Institut hat festgestellt, dass acht Prozent der Einwohner mit dem Virus infiziert waren. Das bedeutet, dass 92 Prozent nicht immun sein können. Da es wahrscheinlich woanders nicht anders aussieht, begünstigt die Gesamtsituation eine weitere Verbreitung von Covid-19, eine zweite, dritte Welle. In Kupferzell zeigten fast 17 Prozent der Infizierten keine Symptome. Das zeigt, dass die Teststrategie, die im Wesentlichen auf die Symptome abzielt, zu kurz greift.
Im Prinzip war der Ansatz des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder richtig, möglichst jeden Reiserückkehrer zu testen, unabhängig davon, wo er herkommt und ob er Symptome aufweist. Die Datenpanne bei den Tests im Freistaat ist blamabel, aber letztlich nur eine Anlaufschwierigkeit.
Mit jeder Infektion wird es für die Gesundheitsämter schwieriger, den Ansteckungsweg zurückzuverfolgen. Wenn sich der Tourismus als Risikofaktor erweist, müssen die Länder schnell und vor allem einheitlich handeln: am besten mit Pflichttests für alle Reiserückkehrer.
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