Berlin. Douglas Macgregor soll US-Botschafter in Berlin werden. Deutschland gebe zu wenig für Verteidigung aus, rügt er – und nennt die Nato „Zombie“.

Der Mann mit den weißen Schläfen ist kein freundlicher älterer Herr. Er redet in kurzen Sätzen, die es in sich haben. „Die Deutschen fühlen sich dank uns nicht verpflichtet, sich selbst zu verteidigen. Und der Präsident hat einfach gesagt: Schauen Sie, warum sollte der amerikanische Steuerzahler Sie verteidigen, wenn Sie nicht willens sind, sich selbst zu verteidigen?“

Douglas Macgregor sitzt im Studio des konservativen Fernsehsenders Fox News, dem Lieblingskanal von Präsident Donald Trump. Er ist dort häufig Kommentator zu sicherheitspolitischen Fragen. Und er liest der Bundesregierung die Leviten.

„Artikel 3 des Nato-Vertrags formuliert, dass jedes Land seine angemessene Verteidigung aufbauen wird. Sie tun es nicht!“, schimpft er in Richtung Deutschland. „Wo ist die deutsche Armee?“, schiebt er nach. Ohne die Bundeswehr sei die Verteidigung Osteuropas unmöglich.

US-Botschafter: Macgregors Vorgänger Grenell drohte mit Sanktionen

Diese Verbal-Kanonade fand vor zwei Jahren statt. Nun soll der Ex-Oberst der Armee neuer US-Botschafter in Berlin werden. Macgregors Tonlage ist zwar nicht ganz so schrill wie die seines Vorgängers Richard Grenell. Dieser gefiel sich in der Rolle des undiplomatischen Keulenschwingers. Deutschen Unternehmen drohte er offen mit Sanktionen auf dem amerikanischen Markt, sollten sie Geschäfte mit dem Iran machen.

Die Bundesregierung ließ er in schroffem Ton wissen: Wenn das deutsch-russische Pipeline-Projekt Nord Stream 2 zu Ende gebaut werde, könnten deutsche Geheimdienste von den Informationen ihrer US-Kollegen abgeschnitten werden.

Derlei Ultimaten sind von Macgregor nicht bekannt. Aber auch er ist ein Freund klarer Worte. In einem Artikel für das konservative Magazin „The National Interest“ schrieb er im März 2019: „Die Nato stirbt nicht. Sie ist ein Zombie.“ Mit dem Verschwinden der sowjetischen Bedrohung sei ihr das Leben ausgegangen. Das Militärbündnis werde lediglich immer wieder „reanimiert“, normalerweise mit „Voodoo-Zauber“. „Auch Zombies sterben irgendwann“, schloss Macgregor.

Douglas Macgregor bekam für Kriegseinsatz Medaille verliehen

Man darf sich darauf gefasst machen, dass auch der neue US-Botschafter die Zielmarke der Allianz, bis 2024 zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für die Verteidigung auszugeben, in Berlin vehement einfordern wird.

Macgregor spricht fließend Deutsch. Er habe viele Jahre in Deutschland gelebt, sagt Daniel Davis von der Denkfabrik Defense Priorities. Der Absolvent der renommierten Militärakademie West Point diente in seiner langen Armeekarriere im Irak-Krieg 1991 unter General Norman Schwarzkopf. Am 26. Februar nahm er an dem Gefecht „Battle of 73 Easting“ teil, ein Wüstenkampf zwischen amerikanischen und britischen Truppen gegen die Republikanischen Garden des irakischen Diktators Saddam Hussein.

In einer Dokumentation wurde dies später als „die letzte große Panzerschlacht des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet. Für seinen Einsatz im Zweiten Golfkrieg wurde Macgregor 1991 die Bronze Star Medal verliehen.

Macgregor war an Friedensgesprächen im Balkankrieg beteiligt

Auch am Nato-Lufteinsatz im Kosovo 1999 war Macgregor beteiligt. Im Kosovo-Krieg arbeitete er als Planungschef für den Oberbefehlshaber der Nato-Streitkräfte. Während seiner Karriere beim US-Militär unterstützte er zudem das Team des US-Sonderbeauftragten für den Balkan bei den Friedensgesprächen, die den Krieg in Bosnien und Herzegowina mit dem Abkommen von Dayton beendeten.

2004 zog er sich aus der Armee zurück und gründete ein Beratungsunternehmen für Verteidigungs- und Außenpolitik. Macgregor, der aus dem Bundesstaat Pennsylvania stammt, schrieb mehrere Bücher über Militärstrategie. 1997 sorgte er mit „Breaking the Phalanx“ (etwa: Die Phalanx durchbrechen) über eine Neuorganisation des US-Heeres für Aufsehen.

In einer Mitteilung des Weißen Hauses hieß es: „Seine Schriften zu militärischen Fragen waren einflussreich bei der Transformation der US-Bodentruppen, der Nato und der israelischen Streitkräfte.“

Buch über die „sowjetisch-ostdeutsche Militärallianz“

Auch mit deutscher Militärgeschichte hat sich Macgregor ausführlich befasst: 1989 schrieb er das Buch „Die sowjetisch-ostdeutsche Militärallianz“ über die Zusammenarbeit von Sowjetunion und DDR während des Kalten Krieges.

In Militärkreisen erwarb sich Macgregor den Ruf eines Querdenkers. Er vertritt gerne Meinungen, die gegen die offizielle Armee-Linie gehen, aber nahe bei Trump liegen. So sprach er sich Anfang des Jahres für einen vollständigen Truppenabzug aus Syrien und dem Irak aus – die USA hätten dort keine grundlegenden strategischen Interessen.

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    „Dieser Krieg ist vorbei. Wir haben ihn verloren“, betonte Macgregor. Der Iran sei zumindest vorerst in dieser Region der „Sieger“, werde sich aber noch gewaltig die Finger verbrennen. Ohnehin sei derzeit die Türkei das größere Problem für die USA als der Iran.

    Wenig zimperlich in der Wortwahl: Ex-General Petraeus sei ein „nützlicher Idiot“

    Darüber hinaus ist Macgregor ein ausgesprochener Kritiker des Afghanistan-Einsatzes und befürwortet den von Trump immer wieder beschworenen Truppenabzug. „Deswegen haben wir ihn gewählt“, erklärte er Anfang des Jahres.

    In seiner Wortwahl ist Macgregor mitunter wenig zimperlich. Den angesehenen und von vielen verehrten Ex-General David Petraeus bezeichnete Macgregor einmal als „nützlichen Idioten“, der von Politikern benutzt und den Medien hochgeschrieben werde.

    Abzug der US-Truppen aus Deutschland könnte Herkulesaufgabe werden

    Die Bundesregierung kommentierte die Personalie höflich, aber abwartend. „Ich begrüße es, dass die US-Administration den wichtigen Posten des US-Botschafters in Deutschland nicht länger unbesetzt lassen will“, sagte der Transatlantik-Koordinator Peter Beyer.

    Macgregors Nominierung zum amerikanischen Chefdiplomaten in Berlin erfolgt inmitten einer Eiszeit zwischen den USA und Deutschland. Trump fährt regelmäßig Attacken gegen Berlin und wirft der Bundesregierung zu niedrige Verteidigungsausgaben und unfaire Handelspraktiken vor.

    Der Republikaner hatte deswegen angekündigt, 9500 der 34.500 in Deutschland stationierten US-Soldaten abziehen zu wollen. Details sollen in den kommenden Tagen bekanntgegeben werden. Es wäre eine Herkulesaufgabe, mit der Macgregor seine Amtszeit beginnen müsste. Mehr zum Thema: US-Truppenabzug: Damit will Trump im Wahlkampf punkten

    Der US-Senat muss die Personalie noch bestätigen

    Ob es dazu kommt, ist derzeit ungewiss. Macgregor muss noch vom US-Senat bestätigt werden. Die Republikaner verfügen dort zwar über die Mehrheit. Doch die Parlamentskammer hat in der Corona-Krise alle Hände voll mit Notfall-Plänen zu tun.

    Experten in Deutschland zeigten sich überrascht. „Wenn man die Schriften von Col. Macgregor liest: ein interessanter – isolationistischer – Querdenker, wahrscheinlich für die US Army ziemlich unbequem gewesen“, twitterte Wolfgang Ischinger, Chef der Münchner Sicherheitskonferenz. „Unorthodoxe Ansichten, u.a. auch zu Iran. Mit ausgeprägten Kenntnissen zu D. (Deutschland)“, fügte er hinzu. Und: „Mal abwarten, ob der Senat ihn bestätigt.“