Berlin. Homeoffice hat sich in der Krise bewährt. Für eine moderne Arbeitswelt bietet es viele Chancen – aber nur, wenn es keine Pflicht wird.

Die Corona-Pandemie hat Erstaunliches zutage gefördert. Das für seine Digitalisierung meist verspottete Deutschland kann auch anders – wenn es muss. Millionen Arbeitnehmer arbeiteten plötzlich aus den eigenen vier Wänden, sie kamen in Videokonferenzen zusammen, lernten, wie man eine verschlüsselte Datenverbindung aufbaut, und wurden mit neuer Technik ausgestattet. Bis zur Krise wurde über mobile Arbeit oft nur geredet. Jetzt ist sie für viele Realität.

Was aus der Not entsprang, hat Zukunft. Nicht umsonst setzen viele Großkonzerne seit Jahren auf die individualisierte Arbeit. Was zählt, sind die Ergebnisse. Wo sie erzielt werden, ist zweitrangig. Konzerne wie SAP oder die Telekom, die das schon vor der Pandemie erkannt und entsprechende Verträge mit ihrer Belegschaft geschlossen haben, kommen robust durch die Krise und könnten am Ende Gewinner sein.

Homeoffice: Eine Statistik sagt nicht alles

Auch die Arbeitnehmer können vom Homeoffice profitieren, das zeigt die Studie der DAK. Den meisten Arbeitnehmern gefällt die mobile Arbeit, sie teilen sich ihre Zeit besser ein, fühlen sich produktiver und sind weniger gestresst.

Allerdings geben Statistiken nicht das Leben hinter den Zahlen preis. Sie erzählen nicht von der Überforderung, die viele Eltern im Homeoffice erlebten, als Schulen und Kitas geschlossen waren. Sie berichten nicht von den Rückenschmerzen, die der Küchenstuhl bereitet. Und sie bewerten nicht den Streit, der aus der nicht vorhandenen Trennung zwischen Privat- und Arbeitsleben resultiert. Die Alltagsrealitäten drücken sich nur in der Zahl der Minderheit aus.

Homeoffice ist kein Allheilmittel für die Zeit nach der Krise

Hinzu kommt, dass Homeoffice in vielen Branchen kaum möglich ist. Die meisten der sogenannten Alltagshelden in der Krise zeichneten sich durch die Präsenz vor Ort aus. Und Homeoffice ist auch kein Allheilmittel für die Zeit nach der Krise. Wer in einer Ein-Zimmer-Dachgeschosswohnung lebt, wird im Hochsommer froh über die Möglichkeit eines klimatisierten Büros sein. Ebenso gilt das für Arbeitnehmer, die Arbeit und Privates strikt trennen wollen.

Tobais Kisling, Politik-Korrespondent
Tobais Kisling, Politik-Korrespondent © Anja Bleyl | Anja Bleyl

Für andere bietet Homeoffice die Möglichkeit, ein erfüllteres Berufsleben zu führen. Etwa beim Wohnen. Die steigenden Mieten in den Metropolen führen zu immer längeren Pendelwegen. Homeoffice schafft die Möglichkeit, in bezahlbarere, grüne Randgebiete auszuweichen. Auch Großraumbüros, denen ebenfalls eine gesundheitsschädliche Wirkung zugeschrieben wird, können ihren Schrecken verlieren.

Es braucht klare Regeln

Homeoffice bedeutet, von starren, veralteten Modellen wegzukommen. Es führt damit aber unweigerlich zu einem Kontrollverlust für Arbeitgeber und setzt Vertrauen in den Arbeitswillen der Mitarbeiter voraus. Dieses Vertrauen wird vielerorts belohnt. Seit Jahren zeigen Studien, dass sich insbesondere jüngere Mitarbeiter anstatt früher Statussymbole wie den Dienstwagen lieber eine bessere Work-Life-Balance wünschen. Die Möglichkeit der mobilen Arbeit kann so zum entscheidenden Pluspunkt der Fachkräfte-Suche werden.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von einem externen Anbieter, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Wichtig bei alldem sind klare Regeln. Homeoffice darf kein Zwang werden, nur weil Arbeitgeber in einer modernen Arbeitswelt keine Miete für Büroräume oder Strom mehr zahlen wollen. Wer im Büro arbeiten möchte, sollte die Chance dazu bekommen.

Rechtslage für die Einrichtung des Arbeitsplatzes muss für Homeoffice angepasst werden

Ebenso gilt das für diejenigen, die von zu Hause aus arbeiten. Für sie muss der Gesundheitsschutz definiert werden. Die bisherige Rechtslage für die Einrichtung des Arbeitsplatzes muss für das Homeoffice angepasst werden, etwa wenn es um die Nichterreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit oder die Ausstattung im Homeoffice geht. Dann kann Homeoffice eine Chance für ein gesünderes, zufriedeneres und effizienteres Arbeiten sein.

Nicht nur viele Arbeitnehmer schätzen mittlerweile das Homeoffice, auch eine Umfrage bei kleinen und mittleren Unternehmen zeigt, dass die mobile Arbeit die Produktivität steigert. Dennoch kehren immer mehr Arbeitnehmer derzeit in die Büros zurück. Aber muss man als Arbeitnehmer überhaupt zurück, wenn man nicht will? Und darf man auch vom Ferienhaus oder Hotel aus arbeiten? In der politischen Debatte wird derzeit über einen Rechtsanspruch auf Homeoffice gestritten.