Berlin. Bundesaußenminister Heiko Maas stellt im Interview neue Corona-Beschränkungen in Aussicht – und er hält eine EU-Steuer für sinnvoll.
Gelingt es Europa, die Corona-Krise zu überwinden? Viel hängt ab von dem EU-Gipfel unter deutscher Ratspräsidentschaft, der am Freitag in Brüssel beginnt und das ganze Wochenende dauern kann. Außenminister Heiko Maas (SPD) appelliert an die europäische Solidarität – und hat eine besondere Botschaft für deutsche Urlauber.
Europa ringt um den Corona-Wiederaufbau. Was wird, wenn der Gipfel scheitert?
Heiko Maas: Europa muss die Wirtschaft nach dem Schock der Corona-Pandemie schnell wieder in Gang bringen. Kein Land in der EU ist von dieser Krise verschont geblieben, deswegen sind wir uns in diesem Ziel auch einig. Jetzt kommt es darauf an, ob wir in der Lage sind, solidarisch miteinander zu handeln. Ein Paket wie das, an dem wir arbeiten, hat es so in dieser Größenordnung noch nie gegeben. Der Gipfel ist eine historische Chance, um als Werte- und Solidargemeinschaft zu zeigen: Wir lassen niemanden zurück. Allen muss klar sein: Kein Land wird alleine gut aus der Krise kommen, wenn die Nachbarn in der Rezession stecken bleiben.
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Ob das allen klar ist, werden die nächsten Tage zeigen. Welchen Ländern wollen Sie besonders helfen?
Maas: Corona hat viele Länder mitten ins Herz getroffen. Was es bedeutet, so viele Menschen zu verlieren, ist mit Zahlen nicht zu fassen. Hinzu kommen unzählige Bürgerinnen und Bürger, die durch die Einschränkungen bis hin zum völligen Lockdown schlicht kein Geld mehr zum Leben erwirtschaften konnten. Natürlich müssen wir diese Länder besonders unterstützen, denn die Auswirkungen sind dramatisch und unverschuldet. Gleichzeitig ist es bei Mitteln in solcher Größenordnung nur vernünftig, auch darauf zu achten, welche Länder einen Teil des Wegs aus eigener Kraft schaffen können. Am Ende werden wir einen Kompromiss brauchen, aber der Vorschlag, der auf dem Tisch liegt, ist eine gute Grundlage.
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Woher sollen die ganzen Milliarden kommen? Sind Sie dafür, EU-Steuern zu erheben – zum Beispiel auf Einwegplastik?
Maas: Für mich muss beim Wiederaufbaufonds wie auch beim Mehrjahreshaushalt der EU ganz klar sein, woher das Geld kommt und wofür es ausgegeben wird. Wir haben solide gewirtschaftet in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten, und deshalb können wir auch gemeinsam die Kraft aufbringen, um Europa gemeinsam wieder stark zu machen. Natürlich werden die Mitgliedstaaten dieses Paket auch finanziell mittragen. Der Vorschlag einer eigenen Abgabe an die EU, etwa auf Plastik, macht durchaus Sinn, ändert aber nichts am Grundprinzip: Je stärker wir uns jetzt in der EU gegenseitig unterstützen, desto schneller wird es allen Bürgerinnen und Bürgern in Europa wieder besser gehen.
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In der Corona-Krise ist auch die Reisefreiheit zu einem Streitpunkt geworden. Wann werden Reisewarnungen für weitere Länder – etwa die Türkei – aufgehoben?
Maas: Die Pandemie ist noch längst nicht vorbei. In vielen Ländern läuft gerade eine zweite Welle an – schon deshalb können wir uns mit der Reisewarnung keine Experimente erlauben. Entscheidend ist allein die Sicherheit der Reisenden. In der EU hilft uns sehr, dass wir eine gemeinsame Datenbasis und abgestimmte Verfahren haben. Außerhalb Europas ist die Lage viel schwerer zu beurteilen. Trotzdem schauen wir uns die Daten ständig neu an, gerade auch die aus der Türkei. Für Schweden und Norwegen konnten wir deshalb die Reisewarnung diese Woche endlich aufheben, dafür mussten wir Luxemburg neu auf die Liste nehmen.
Party-Bilder aus Mallorca zeigen, wie gefährlich Urlaub in diesem Jahr sein kann. Sind neue Beschränkungen für Rückkehrer nötig?
Maas: So ein Verhalten ist nicht nur gefährlich, sondern auch rücksichtslos gegenüber allen, die auch in Sicherheit ihren Urlaub verbringen möchten. Viele Urlaubsregionen haben monatelang hart daran gearbeitet, dass Touristen jetzt wieder einreisen können. Die Regelungen dienen dem Schutz: der Menschen vor Ort, der Freunde und Familien in Deutschland, zu denen wir zurückkehren, und letztlich auch der Urlauberinnen und Urlaubern selbst. Uns ist es gerade erst gelungen, in Europa die Grenzen wieder zu öffnen. Das dürfen wir jetzt nicht durch leichtsinniges Verhalten aufs Spiel setzen. Sonst werden neue Beschränkungen unvermeidbar sein.
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Sie haben deutlich gemacht, dass es keine staatlich organisierten Rückholflüge mehr geben wird. Wann bekommen die Urlauber, die in den vergangenen Monaten ausgeflogen wurden, ihre Rechnung – und wie hoch fällt sie aus?
Maas: Die ersten Rechnungen haben wir schon verschickt. Wir haben immer gesagt, dass sich die Kosten am Preis eines Economy-Tickets orientieren werden, und so haben wir es auch gestaltet. Das sind je nach Reiseland zwischen 200 Euro aus Nordafrika und 1000 Euro aus Australien. Die Flüge arbeiten wir nun systematisch ab und informieren die Betroffenen über die Kosten im Einzelfall.
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