Berlin. Das KSK ist in Verruf geraten und soll reformiert worden. Für einen Neuanfang bleibt nicht viel Zeit. Das sind die wichtigsten Fragen.

Die Graf-Zeppelin-Kaserne in Calw gilt offiziell als Sperrbereich. Hier betritt man ein Paralleluniversum zur Bundeswehr. Im Flur ist die knapp 25-jährige Geschichte des Kommandos Spezialkräfte (KSK) ausgestellt: „Menschen, Mythen und Missionen“. Der „Flur der Geschichte“ ist wenigen vorbehalten: KSK-Kämpfern, ihren Angehörigen bei Familientagen, handverlesenen Gästen und – als Werbung in eigener Sache – den Soldaten, die man für den Dienst in der Elitetruppe begeistern will.

Nun ist das Haus ungewohnten Kräften ausgesetzt: der Zugluft. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) will die Fenster öffnen. Offenheit soll verhindern, dass Einheiten sich verselbstständigen – und dass extremistische Verdachtsfälle unter den Teppich gekehrt werden können.

Das KSK soll „in seiner jetzigen Verfassung nicht bestehen bleiben“. 60 Maßnahmen werden ergriffen. Bis 31. Oktober soll die Reform Ergebnisse zeitigen. Das KSK ist jetzt ein Verband auf Bewährung. Die drei wichtigsten Fragen:

Wie konnte es so weit kommen?

Alles beginnt 2017 mit der bizarren Abschiedsfeier eines Oberstleutnants der zweiten von vier Kompanien. Vom Band läuft Rechtsrock, Soldaten zeigen den Hitlergruß. Als Medien darüber berichten, wird der Militärische Abschirmdienst (MAD) aktiv. Drei Jahre später dann, im Mai 2020, der erste Erfolg der Aufklärung: Die Polizei findet auf dem Privatgelände des KSK-Kämpfers in Nordsachsen Waffen und Sprengstoff.

Interne Untersuchungen zeigen, dass beim KSK 62 Kilo Sprengstoff und 10.000 Schuss Munition fehlen. Die große Sorge von Generalinspekteur Eberhard Zorn ist, dass es für Anschläge genutzt werden könnte. Wobei nicht klar ist, ob bei der Inventur geschlampt oder ob Munition im großen Stil abgezweigt wurde.

Wie reagiert die Ministerin?

Kramp-Karrenbauer setzt eine Kommission ein, schaltet die Wehrbeauftragte ein und fährt nach Calw, wo der Übungsbetrieb der rund 1700 Soldaten ruht. Sie sagt, „das KSK erhält eine Zeit, um den Reset-Knopf zu drücken“. Auch der MAD soll bis August einen Neuanfang einleiten und – nach einem Informationsleck – seine Mitarbeiter checken. „Wir sind noch lange nicht da, wo wir mit dem MAD hinwollen“, sagt die Verteidigungsministerin.

Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer.
Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. © Getty Images | Pool

Die radikalste Maßnahme: Beim KSK wird die zweite Kompanie aufgelöst. Die Ausbildung der Kämpfer übernimmt das Heer. Auch die Personalgewinnung wird dem KSK abgenommen. Bisher betrieb das Kommando ein eigenes Scouting-Team, das in der Bundeswehr unterwegs war, um „Talente“ zu sichten. „Damit fehlt dem Prozess der Binnenwerbung der Blick von außerhalb des KSK“, heißt es in einem Untersuchungsbericht.

Künftig will man stärker darauf achten, dass die Bewerber nicht nur gute Kämpfer sind, sondern auch „mündige Staatsbürger in Uniform“. Wer sich durchsetzen konnte, blieb oft genug lange in Calw, zehn, 15 Jahre oder länger. Nun will man eine Höchstdauer für die Stehzeiten fixieren, für mehr Rotation und Austausch mit dem Rest der Bundeswehr sorgen.

Droht eine Auflösung des KSK?

Auch Luftwaffe und Marine verfügen über Spezialkräfte. Sie sind laut Bundeswehr „ein unverzichtbares Mittel der nationalen Sicherheitsarchitektur“. Das Heer wird auf sie nicht verzichten wollen. Der Bund investiert gerade 225 Millionen in die Modernisierung des Garnisonsstandortes. Aber: „Sollte es weitere Vorfälle geben“, so Kramp-Karrenbauer, würden sich andere Fragen stellen, in letzter Konsequenz eine Auflösung.

2021 wird das KSK 25 Jahre alt. Sollte es die Chance zu einer Jubiläumsfeier erhalten, wird die Ausstellung im „Flur der Geschichte“ ausgeweitet und außerhalb der Kaserne gezeigt. Öffentlichkeit als Gegengewicht zur Geheimhaltung und als Beitrag zur „Entmystifizierung“.