Essen. NRW reformiert die Kliniklandschaft. Experten dringen darauf, Erfahrungen der Pandemie zu berücksichtigen und machen sich für Bonusgelder stark
Während die Corona-Pandemie den Alltag in den rund 340 Kliniken des Landes mächtig auf den Kopf gestellt hat, tüftelten Gesundheitsexperten hinter den Kulissen weiter an der Zukunft der nordrhein-westfälischen Krankenhauslandschaft: Ab 2021 soll mit einem neuen Krankenhausplan die wohl am tiefsten greifende Reform der NRW-Klinik-Landschaft umgesetzt werden. Die Häuser sollen stärker zusammenarbeiten als bisher, sich stärker spezialisieren und – wahrscheinlich werden sie weniger sein.
In dieser Diskussionen fordern Mediziner, Lehrern der Corona-Krise zu berücksichtigen. Hans-Albert Gehle, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, dringt darauf, auch kleinere Häuser zu stützen. „Corona hat gezeigt, dass wir alle Kliniken im Land benötigen“, so Gehle. „Wenn uns die Pandemie in dem Ausmaß anderer Staaten erwischt hätte, hätten wir jedes einzelne Intensivbett benötigt.“
Sorge um Bestand der kleineren Kliniken im Ruhrgebiet
Im Ruhrgebiet gebe es viele kleinere Kliniken, die die für die Region wichtige Grundversorgung abdecken. „Wir haben eine sehr alte Bevölkerung, da brauchen die Menschen oft ein Krankenhaus“, so der Leitende Arzt in der Gelsenkirchener Bergmannsheil- und Kinderklinik. „Deshalb benötigen wir auch eine dichtere medizinische Versorgung.“ Es dürfe keine Versorgungslücke entstehen.
Die bisherige Krankenhausplanung fußt auf Rahmenvorgaben, die den Kliniken nur grob Versorgungsaufträge zuteilen und Details den Häusern offen ließ. Das hat nach Einschätzung von Experten zu einem Wildwuchs von Angeboten geführt, der NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) ein Dorn im Auge ist. Er will die Klinik-Leistungen mithilfe feinerer Leistungsgruppen stärker steuern. Sie sollen an Qualitätsstandards wie Mindestmengen bestimmter Eingriffe gekoppelt sein.
NRW-Krankenhäuser sind in der Pandemie zusammengerückt
Jochen Brink, Präsident der NRW-Krankenhausgesellschaft NRW, sieht in der Corona-Lage die Stoßrichtung des Landes sogar bestätigt: „Eine Lehre aus der Pandemie ist, dass sich die regionale Vernetzung von Kliniken und der Einsatz von Telemedizin bewährt haben. Anderswo sind Patienten quer durchs Land gefahren worden. Das konnte bei uns vermieden werden, weil die Häuser zusammengearbeitet haben“, so Brink. Darauf gelte es aufzubauen.
Brink erinnert an die Leistungen der Kliniken in der Pandemie. Sie hätten sich innerhalb kürzester Zeit neu strukturiert, Reserven freigeräumt und 1500 zusätzliche Intensivbetten geschaffen. „In der Altenpflege hat es einen Pflegebonus gegeben“, erinnert Brink. „Meinem persönlichen Gerechtigkeitsempfinden nach sollte der Gesetzgeber auch auf die Kliniken schauen, wie den Mitarbeitern hier der Einsatz vergütet werden kann.“
Forderung nach Pflegebonus auch in den Krankenhäusern
Kammerpräsident Gehle dringt derweil darauf, die für Corona eingerichteten Quarantäne-Bereiche in Kliniken zu erhalten. Vorher waren solche Bereiche nicht vorgesehen und auch nicht refinanziert. „Bisher haben wir Infektionspatienten quer durch das Haus verteilt. Das war falsch“, sagt Gehle. „Die Kliniken sollten auch künftig Infektionsbereiche vorhalten können, in denen etwa Influenza-Infizierte isoliert werden können.“ Das führe dazu, dass Patienten jetzt schon wieder vertrauensvoll ins Klinikum gehen können.
Das Gesundheitsministerium erklärt, trotz Corona an der grundsätzlichen Zielrichtung des Plans festzuhalten. Allerdings würden Erfahrungen im Umgang mit einer Pandemie berücksichtigt. „Durch die Covid-19-Pandemie zeigt sich zum Beispiel, wie wichtig es ist, über das Land verteilt genügend Intensivbetten vorhalten zu können“, so ein Sprecher.