Washington. Historische Entscheidung: Oberstes Gericht der USA schützt Schwule, Lesben und Transgender vor Entlassung wegen sexueller Orientierung.
Bisher war der 26. Juni 2015 der wichtigste Tag für Homosexuelle in Amerika. Damals erklärte das Oberste Gericht in Washington die gleichgeschlechtliche Ehe landesweit für legal. 14 Bundesstaaten mussten ihre bis dahin geltenden Verbote aufheben. Fünf Jahre später hat der Supreme Court, nach der Wahl Donald Trumps durch zwei Neubesetzungen entschieden konservativer geworden, eine Entscheidung von ähnlich historischer Tragweite getroffen.
Schwule, Lesben und Transgender-Menschen dürfen wegen ihrer sexuellen Orientierung am Arbeitsplatz ab sofort nicht mehr diskriminiert oder entlassen werden. Mit überraschenden 6:3-Stimmen entschied die höchste juristische Instanz der USA am Montag, dass eine entsprechende Passage des „Civil Rights Act“ von 1964 auch für diese Bevölkerungsgruppen gilt.
Kaum Schutz für Mitglieder der LGBT-Gemeinde in vielen US-Staaten
Das Gesetz verbietet Arbeitgebern die Benachteiligung von Arbeitnehmern in Bezug auf Geschlecht, Rasse, Hautfarbe, Abstammung und Religion. Wobei die Kategorie Geschlecht bisher allein zwischen Männern und Frauen unterschied. Was dazu führte, dass bis heute in 28 Bundesstaaten keine spezifische Schutzregelung für Mitglieder der LGBT-Gemeinde existieren. Entlassungen von Schwulen, Lesben und Transgender-Menschen sind in etlichen Bundesstaaten gerade im Süden keine Seltenheit.
Dort wurde der Spruch geprägt: „Am Sonntag geheiratet, am Montag gefeuert.“ LGBT ist eine aus dem Englischen stammende Abkürzung für Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender – also lesbisch, schwul, bisexuell und Transgender. Zwei Schwule aus Georgia und New York (Gerald Bostock und Donald Zarda) und eine Transgender-Person aus Michigan (Aimee Stephens) hatten ihre Entlassungen auf ihre sexuelle Orientierung zurückgeführt und geklagt. Zarda und Stephens sind inzwischen verstorben.
Konservative Richter stimmen mit liberal-progressiven
Von herausragender Bedeutung in diesem Urteil ist die personelle Zusammensetzung, in der es zustande kam. Federführend für die Mehrheitsmeinung war der von Trump nominierte Richter Neil Gorsuch, der vom Präsidenten bis vor Kurzem wegen seiner stramm konservativen Rechtsauslegung regelmäßig gelobt wurde. Er und der Vorsitzende Richter John Roberts zählen auf dem Papier zum rechtskonservativen Spektrum des neunköpfigen Gerichts.
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Beide stimmten aber mit den vier liberal-progressiven Richterinnen und Richtern (Bader Ginsburg, Breyer, Sotomayor und Kagan), die Trump lieber heute als morgen austauschen möchte. Lediglich Clarence Thomas, Samuel Alito und der ebenfalls von Trump persönlich nominierte Brett Kavanaugh, um dessen Bestellung es heftigste Auseinandersetzungen gab, waren nicht dafür, Schwule, Lesben und Transgender am Arbeitsplatz vor Benachteiligung per Gerichtsurteil zu schützen. Ihr Tenor: Soll doch der Kongress tätig werden.
LGBT-Urteil des Supreme Court ist eine Niederlage für Trump
Gorsuch fand: nicht nötig. Er schrieb in dem Urteil: „Wir sind eine Gesellschaft geschriebener Gesetze. Ein Arbeitgeber, der ein Individuum nur deshalb entlässt, weil es schul oder transgender ist, widersetzt sich dem Gesetz.“ Für die Regierung Trump und das konservativ-religiöse Lager, in dem Homophobie noch immer weit verbreitet ist und nach Angaben von Lobby-Verbänden zu Benachteiligungen im Alltagsleben führt, stellt der Richterspruch eine Niederlage dar.
Anwälte der Regierung hatten sich ausdrücklich dagegen gestellt, den „Civil Right Act“ aus den 1960er-Jahren auf Transgender-Menschen anzuwenden. Erst in der vergangenen Woche hat sich die Trump-Regierung gegenüber Transgender-Menschen abweisend gezeigt und einen unter der Vorgänger-Regierung von Barack Obama erlassenen Schutz für diese Personengruppe im Gesundheitswesen aufgehoben.
Trump hetzt seine homophobe Wählerschaft auf
Konkret: Das Wort „Geschlecht“ darf künftig nur noch „wie von der Biologie bestimmt“ entlang der Unterscheidung männlich/weiblich benutzt werden. Betroffene befürchten, dass ihnen Ärzte und Versicherungen im Krankheitsfall Leistungen verweigern könnten, wenn sie sich nicht derart kategorisieren lassen wollen.
Die Trump-Regierung suchte sich für die Bekanntgabe ihrer als Wahlkampf-Munition für konservative Wähler gedachten Entscheidung ein heikles Datum aus: Es war der vierte Jahrestag des Attentats auf den Schwulenklub „Pulse“ in Orlando, in dem 2016 ein homophoner Attentäter 49 Menschen umbrachte.
Liberale feiern Urteil als „Sieg für Fortschritt und Gleichbehandlung“
Außerdem erinnert die Schwulen- und Lesbenszene im Juni regelmäßig an die Ereignisse 1969 im New Yorker „Stonewall Inn“. Damals stürmten Polizisten die Bar in Manhattan und lösten tagelange Aufstände gegen Behördenwillkür und Diskriminierung aus.
Demokraten und liberale Kreise begrüßten das unerwartete Urteil als „Sieg für Fortschritt und Gleichbehandlung“. Rechte Kreise beklagten in sozialen Medien, dass der Richterspruch der „Perversion“ in Amerika Vorschub leisten werde.