Berlin. Die Corona-Pandemie hat im Alltag, in der Arbeitswelt und vielen anderen Bereichen notwendige Veränderungen angestoßen. Was bleibt?

Am 8. März starb der erste Deutsche am neuen Coronavirus. Seitdem stemmt sich das Land gegen die Pandemie. Heute, drei Monate später, gibt es kaum einen Lebensbereich, der nicht von den Folgen der Corona-Krise betroffen wäre. Das Virus hat zahlreiche Opfer gefordert. Es hat Leben genommen, Menschen schwer geschädigt und Existenzen ruiniert.

Doch mit der wachsenden Hoffnung, dass die Infektionszahlen dauerhaft niedrig bleiben, rückt etwas Neues in den Blick: Die Krise hat Verhaltensweisen geändert, Türen für Innovationen geöffnet und den Blick dafür geschärft, wer in Deutschland wirklich systemrelevant ist – aber immer noch unterbezahlt. Bleibt am Ende also auch Gutes von der Pandemie?

Händewaschen und Lüften – die neuen Routinen im Alltag

Nicht nur unter Kollegen und Freunden fällt es auf, auch die Hausärzte haben es registriert: „Durch die Abstandsregeln und das verstärkte Hygieneverhalten ist das allgemeine Ansteckungsrisiko im Moment insgesamt niedriger als sonst“, sagt Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des deutschen Hausärzteverbandes. „Viele leichtere Infektionskrankheiten werden vermieden.“

Dazu gehören Erkältungskrankheiten, grippale Infekte, aber auch Magen-Darm-Infekte. Weigeldt hofft, dass der positive Effekt der Pandemie bleibt: „Viele der Regeln, die die Deutschen in der Corona-Phase eingeübt haben, sollten auf Dauer zur Routine werden: vor allem das häufige und gründliche Händewaschen und das Lüften.“

Bei Arztbesuchen sehen die Hausärzte zudem einen Lerneffekt, der Schule machen sollte: „Patienten mit leichteren Infekten könnten künftig weniger in die Arztpraxen kommen.“ Bei schwachen Symptomen könnten erfahrene Hausärzte zumeist auch am Telefon helfen. Heißt: Die Corona-Zeit hat gelehrt, dass nicht jedes Wehwehchen Praxiszeit verschlingen muss.

Der Hausärzteverband fordert in diesem Zusammenhang auch, telefonische Krankschreibungen einzuführen – so wie in den ersten Wochen der Corona-Phase. „Wir kennen den Großteil unserer Patienten und können solche Fälle realistisch einschätzen.“

Die Hausärzte hoffen zudem, dass die Corona-Pandemie dazu führt, dass sich in Zukunft mehr Menschen gegen Grippeviren impfen lassen: Sobald im Herbst die aktuellen Grippeimpfstoffe verfügbar seien, sollten sich möglichst alle impfen lassen, die zu einer Risikogruppe gehören, fordert Weigeldt. „Also insbesondere diejenigen, die älter sind, Vorerkrankungen haben oder im Berufsalltag mit vielen Menschen zu tun haben.“

Jedoch: Eine Studie hat erst kürzlich gezeigt, dass die Deutschen skeptisch beim Impfstoff gegen das Coronavirus sind.

Corona-Pandemie: Neue Wertschätzung für das Gesundheitssystem

„Lass keine Krise ungenutzt verstreichen“ – das Churchill-Motto gilt auch fürs Gesundheitssystem. In der Corona-Pandemie ist schlagartig sichtbar geworden, wie wichtig gut ausgestattete Kliniken, funktionierende Gesundheitsämter und eine sichere Versorgung mit Schutzausrüstungen sind. Im Konjunkturpaket von Union und SPD sind nun 9,5 Milliarden Euro für die Stärkung des Gesundheitswesens vorgesehen.

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    Vier Milliarden Euro stehen bereit, um die Gesundheitsämter personell und technisch besser auszurüsten. Mit einer Milliarde will die Bundesregierung Deutschland bei der Herstellung von Arzneimitteln und Schutzausrüstung unabhängiger machen. Zudem soll für eine Milliarde Euro eine nationale Reserve an Masken und Kitteln angelegt werden. Drei Milliarden bekommen schließlich die Krankenhäuser, um zum Beispiel die Notfallkapazitäten zu verbessern oder eine bessere digitale Infrastruktur zu schaffen.

    Mehr Wertschätzung sollen auch die Pflegekräfte in den Kliniken und Pflegeheimen bekommen: Nach einer Welle des öffentlichen Respekts, nach abendlichem Applaus und vielen Danksagungen zahlt der Bund nun einen Corona-Bonus aus:

    Alle Beschäftigten in der Altenpflege haben in diesem Jahr einen gestaffelten Anspruch auf eine einmalige, steuerfreie Sonderleistung von bis zu 1000 Euro aus Bundesmitteln. Die Bundesländer und die Arbeitgeber in der Pflege können den Bonus auf 1500 Euro aufstocken. Etliche Länder haben das bereits zugesagt.

    Ob die Corona-Krise zu einer dauerhaften Wertschätzung durch höhere Löhne und vor allem auch bessere Arbeitsbedingungen führt, ist dagegen noch ungewiss. Seit Langem fordert Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) Tarifverträge für die Altenpflege, die für alle Beschäftigen gelten. Bislang arbeiten nur rund 20 Prozent der Altenpflegerinnen zu Tariflöhnen.

    Aktuell wird in der Altenpflegebranche zwar mit dem Ziel verhandelt, einen Tarifvertrag zu schließen, den Heil flächendeckend für verbindlich erklären könnte. Doch die Verbände der privaten Anbieter von Pflegeeinrichtungen und -diensten lehnten das bislang ab. Heißt: Erst mal gibt’s nur den Bonus.

    Erfolge von Homeoffice überraschen viele Unternehmen

    Dass das Homeoffice in dem meisten Betrieben erstaunlich gut klappt, hat viele überrascht. Selbst Unternehmen, die das Arbeiten von Zuhause vor der Corona-Pandemie noch nicht geübt hatten, sind begeistert, wie reibungslos die Zusammenarbeit klappt. Wie Frank Appel, Chef der Deutschen Post, der sagte: „Ich habe gelernt, dass man einen großen globalen Konzern aus dem Homeoffice führen kann.“

    Die Tech-Giganten Apple und Google preschten vor und kündigten an, bis zum Ende des Jahres Homeoffice zu ermöglichen, Twitter sogar „für immer“.

    Die Vorteile des Homeoffice haben sich in der Corona-Zeit deutlich gezeigt, die Arbeitswege fallen weg, Dienstreisen sind nicht unbedingt nötig, mehr Selbstbestimmung. Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert seit Langem klare Regeln für das Homeoffice, Arbeitszeit zu Hause müsse erfasst und bezahlt werden – und eine Grenze haben.

    Arbeitsminister Heil will bis zum Herbst einen Entwurf für ein neues Homeoffice-Gesetz vorlegen. Die FDP fordert einen Rechtsrahmen für „echtes, ortunabhängiges und mobiles Arbeiten“. Arbeitnehmer sollen künftig zwischen einem Arbeitsplatz im Büro, im Café oder dem heimischen Schreibtisch wählen können.

    Arbeitsforscherin Hannah Schade vom Leibniz-Institut an der TU-Dortmund gibt zu bedenken: „Wenn Menschen sich an Freiheiten gewöhnt haben, wird sich Widerstand regen, wenn ihnen diese wieder genommen werden.“

    Corona-Krise hat Digitalisierung in Schulen weitergebracht

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      „Die letzten zwei Monate waren die vielleicht fortbildungsintensivsten Wochen, die unser Bildungssystem je erlebt hat“, sagt Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands. Die Corona-Krise habe die Schulen in Richtung Digitalisierung ein großes Stück weitergebracht.

      Nicht, was die digitale Ausstattung der Schulen angehe – hier sei nach wie vor erst ein Bruchteil der Mittel des Digitalpakts angekommen. Viele Lehrkräfte aber hätten unter dem Druck, den Fernunterricht mit Schülern zu organisieren, die vielfältigen Möglichkeiten digitaler Tools entdeckt: „Ich kenne viele Kolleginnen und Kollegen, die haben in den letzten Wochen erstmals eigene Lernvideos produziert“, sagt Gymnasiallehrer Meidinger. „Zwar mussten sie dabei auch Lehrgeld bezahlen, aber insgesamt hat das auch viel positive Energie freigesetzt.“

      Diese Fähigkeiten, diese Erfahrungen würden nicht verloren gehen. „Ich bin mir sicher, dass von der augenblicklichen Krise auch positive Langzeitwirkungen ausgehen werden.“ Im Zentrum müsse aber immer gute Pädagogik stehen: „Guter Unterricht kann durch Digitalisierung noch besser werden, für schlechten Unterricht gilt das nicht.“