Berlin. Nach dem Treffen der Kanzlerin mit den ostdeutschen Ministerpräsidenten ist klar: Es gibt nur noch einen gemeinsamen „Schutzrahmen“.

Ob Angela Merkel der Termin gelegen kam? Am Mittwoch stand die Ost-Ministerpräsidentenkonferenz an, ein Treffen der Kanzlerin mit den ostdeutschen Regierungschefs. Ausgerechnet. Waren doch die Ost-Ministerpräsidenten diejenigen, mit denen sie sich in den vergangenen Wochen am stärksten auseinander setzen musste in der Diskussion um die Corona-Lockerungen.

So war es Merkels Parteifreund Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, der Anfang Mai als erster die 5-Personen-Regel einführte – sehr zum Unwillen der Kanzlerin, die in der Bekämpfung der Pandemie ein vorsichtiges Vorgehen befürwortet.

Corona-Krise: Die Ministerpräsidenten preschen vor

Die Naturwissenschaftlerin traut dem Frieden des derzeitigen Infektionsgeschehens nicht und will das Land unbedingt vor einer zweiten Welle bewahren. Sie setzt nach wie vor auf Kontaktbeschränkungen, Abstandsgebote und die Maskenpflicht.

Auch der Linken-Politiker Bodo Ramelow, Ministerpräsident von Thüringen, war am Wochenende vorgeprescht. Er hatte sich für eine neue Strategie ausgesprochen, wonach es keine vom Land zentral verordneten Corona-Beschränkungen mehr geben sollte, sondern nur lokale Regeln, auch in Bezug auf die Maskenpflicht.

Den Seitenhieb auf Ramelow verkneift sich Merkel nicht

Eine interessante Konstellation für die Videoschalte am Mittwoch. Doch Merkel machte gute Miene und auch die ostdeutschen Ministerpräsidenten waren voll guter Vorsätze. Im Grundsatz ist allen klar: Sollte es eine zweite große Welle an Infektionen geben, dann sitzen am Ende doch alle im selben Boot.

Merkel wies daher auch auf die fortdauernden „gemeinsamen Interessen“ hin – „nämlich diese Pandemie einzudämmen und möglichst viel gesellschaftliches Leben, wirtschaftliches Leben, kulturelles und vor allem auch Bildungsleben stattfinden zu lassen“.

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Eine neue Pandemie-Phase – die Länder übernehmen

Aber, und das wurde am Mittwoch im Kanzleramt auch deutlich: Es startet eine neue Phase der Corona-Krise in Deutschland. Die weitere Bekämpfung der Pandemie und die Rückkehr in den Alltag fällt in die Zuständigkeit der Länder. Aufgrund der sinkenden Fallzahlen könnten die Länder künftig im Bereich Infektionsschutz ihre „eigenständigen Entscheidungen“ treffen, sagte die Kanzlerin.

Die bisherige Strategie sei aber auch deswegen erfolgreich gewesen, weil sich Bund und Länder „immer wieder auf einen gemeinsamen Schutzrahmen einigen konnten, der fortgeschrieben wird“. Sie sei „sehr einverstanden, dass jeder im Rahmen seiner Zuständigkeiten“ arbeite.

So hält sich Merkel ein Hintertürchen offen

Auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) erklärte als Vertreter der Ost-Regierungschefs, man sei „jetzt in eine stärkere Eigenverantwortung der Länder eingetreten“. Und fügte beflissen hinzu, dass der Austausch mit dem Kanzleramt „sehr wichtig“ bleibe, auch um Erfahrungen auszutauschen – etwa bei den künftigen Teststrategien und bei der Öffnung von Schulen und Kitas. Lesen Sie auch: Giffey: Kita- und Schulöffnung geht nur ohne Abstandsregeln

Eine gut aufgelegte Merkel hielt sich jedoch ein Hintertürchen offen. Der Bund verfolge die Infektionslage ganz genau. Sie werde sich die Entwicklung der Corona-Pandemie „weiter so leidenschaftlich anschauen, wie die Bundesländer das tun“, kündigte Merkel an.

Wann immer die Länder den Wunsch hätten mit ihr zu sprechen, „dann wird das gemacht“. Und fügte leicht süffisant hinzu: „Und auch wenn ich den Wunsch habe, dann werden sich die Länder nicht verweigern.“ Das nächste Mal kommen die Länder turnusmäßig am 17. Juni zusammen.

Und dann konnte sich die Kanzlerin einen einen Seitenhieb auf Ramelow doch nicht verkneifen. Sie habe schon eine „modifizierte“ Sicht auf die Dinge, die Botschaften aus Thüringen seien „zweideutig“ gewesen. Die gegenseitige Rücksichtnahme sei ihr sehr wichtig. Ansonsten könne es passieren, dass sich die Stärkeren durchsetzten und sich die etwas Schwächeren „nicht mehr auf die Straße trauen“.

Bund und Länder verständigten sich auf einen „Schutzrahmen“

Mit Blick auf die Handhabung in privaten Wohnungen sagte Merkel, keiner wolle in privaten Wohnungen „schnüffeln“. Es liege ihr aber sehr daran, darauf hinzuweisen, dass eine private Feier mit geschlossenen Fenstern ein hohes Infektionsrisiko darstelle. Lesen Sie dazu: Corona: Eng, voll und ungelüftet – Gefahrenorte der Pandemie

Im Vorfeld der Videoschalte hatte es ein ziemliches Hin und Her zwischen Ländern und Bund gegeben: Auf den „Schutzrahmen“ wie Merkel es nannte, hatten sich die Staatskanzleien der Länder mit Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) nämlich erst am Dienstagabend verständigen können: Danach werden die Kontaktbeschränkungen wegen der Corona-Pandemie bis zum 29. Juni verlängert.

Thüringen will sich weitergehende Lockerungen erlauben

Ab dem 6. Juni können die Länder danach Lockerungen gestatten – etwa, dass sich künftig maximal zehn Menschen oder Angehörige zweier Haushalte in der Öffentlichkeit treffen dürfen. Stundenlange Beratungen am Montag über das Papier waren zunächst ergebnislos geblieben, zwischenzeitlich hieß es sogar, man könne sich gar nicht einigen.

Thüringen hält sich aber einen Sonderweg für weitergehende Lockerungen offen – und gab das zu Protokoll. Andere Länder behielten sich dagegen vor, eventuell bei strengeren Vorgaben bleiben.

Nach der Zusammenkunft steht nur ein Minimalkompromiss

Heraus kam ein Minimalkompromiss, auch bei den Kontaktbeschränkungen. So empfehlen Bund und Länder nun weiterhin, die Zahl der Menschen, zu denen man Kontakt hat, möglichst gering und den Kreis möglichst konstant zu halten.

Auch bei privaten Zusammenkünften zu Hause in geschlossenen Räumen sollen die Hygiene- und Abstandsregeln beachtet werden. Die Zahl der Personen sollte der Größe der Räume entsprechen – und es sollte „für ausreichend Belüftung gesorgt werden“. Weiter ging die Einigung nicht, die Wege der Länder werden von nun an unterschiedlich sein.

Schleswig-Holstein will ganze Klassen wieder in die Schule holen

So will etwa Schleswig-Holstein ganze Klassen kurz vor den Sommerferien wieder in die Schulen zurückholen. „Die Schulschließungen sind mir als Bildungsministerin schwer gefallen, aber sie waren geboten, um das Infektionsgeschehen einzudämmen. Nun ist es aber mit Blick auf die Chancengerechtigkeit und auch für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wichtig, allmählich wieder in den Normalzustand zurückzufinden“, sagte Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) unserer Redaktion.

Das Land plant, die Grundschüler der Klassen eins bis vier ab dem 8. Juni und die Schüler aller Jahrgangsstufen ab dem 22. Juni wieder tageweise im Klassenverband in die Schulen zurückholen.

Söder tritt bei Lockerungen für Reisen auf die Bremse

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder behagt das schnelle Vorgehen überhaupt nicht. Sichtbar auf die Bremse trat der CSU-Chef jetzt bei den Plänen der Regierung zur Lockerung der Reisebestimmungen: Ursprünglich wollte sich das Kabinett am gestrigen Mittwoch damit befassen.

Söder verlangte eine Vertagung: Er sei skeptisch, was große Urlaubsreisen angehe. In Italien und Frankreich gebe es noch ganz andere Infektionszahlen. Das müsse auf Bundesebene gut überlegt werden. Über die Regelungen für den Neustart des europäischen Tourismus solle zunächst der Koalitionsausschuss am 2. Juni beraten. Lesen Sie dazu: Nach Ende der Reisewarnung – so wird Urlaub wieder möglich

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