Brüssel. Der Corona-Impfstoff wird anfangs nicht für alle reichen. Europol befürchtet eine Welle von Fälschungen. Und was plant Donald Trump?

Erst ein Impfstoff gegen das Coronavirus wird die entscheidende Waffe sein, um die Pandemie zu stoppen und zum normalen Leben zurückzukehren. Forscher weltweit liefern sich einen Wettlauf um die Entwicklung der Corona-Spritze, aber für die Entwicklung fehlen Milliarden.

Am Montag will eine internationale Allianz unter Beteiligung von Deutschland bei einer Konferenz versuchen, die Finanzierungslücke zu schließen – und zu verhindern, dass einzelne Staaten den Impfstoff für sich reservieren. Doch nicht alle machen mit.

Sicherheitsexperten sehen den drohenden Verteilungskampf mit Sorge. Sie fürchten, dass die organisierte Kriminalität weltweit ein großes Geschäft mit gefälschtem Corona-Impfstoff machen wird. Das sind die Gefahren und und die Probleme:

1. Die Sorge vor Fake-Impfstoffen

Die EU-Polizeibehörde Europol ist besorgt: „Wenn ein Impfstoff gegen Covid-19 entwickelt ist, wird das wahrscheinlich eine Welle von Angeboten von gefälschtem Impfstoff auslösen“, heißt es in einer neuen Europol-Analyse, die unserer Redaktion vorliegt.

Schon jetzt bieten Kriminellen-Organisationen aus Europa, den USA und Asien im Internet angeblichen Impfschutz an, machen hohe Gewinne mit Fake-Arzneien, gefälschten Blutuntersuchungen und Test-Kits. Aber das ist wohl erst der Anfang. Ist erst ein Impfstoff erfolgreich entwickelt, „ist zu erwarten, dass Fälscher und Betrüger stark investieren werden, um unwirksame Fälschungen dieses Impfstoffs online und in sozialen Medien anzubieten“, warnt Europol.

Der Medikamenten-Mafia winken Riesengewinne. Noch verrät kein potenzieller Hersteller seine Erlösvorstellungen, aber in der Branche gilt nach Hinweisen aus dem US-Biotech-Unternehmen Moderna der Preis für Impfstoff gegen bestimmte Lungeninfektionen als eine erste Orientierungsmarke – das wären dann über 200 Euro für eine Corona-Spritze.

Gefälschte oder unwirksame Impfstoffe tauchten in den vergangenen Jahren in weiten Teilen Asiens und in Afrika auf. Deshalb warnt auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) vor Fake-Produkten, sobald ein Corona-Impfstoff entwickelt ist.

Die Fälschungen könnten Menschen krank machen oder sogar töten – oder sie zumindest in falscher Sicherheit wiegen, heißt es in einer aktuellen OECD-Studie. Die Organisation fordert, Regierungen müssten für die sichere Herkunft der Mittel sorgen. Gelingt das nicht, hätten wohl auch Impfgegner und Verschwörungstheoretiker leichteres Spiel bei der Ablehnung von Corona-Impfungen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Impfstoff.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat eine internationale Geberkonferenz organisiert. Sie soll rund 7,5 Milliarden Euro mobilisieren. Die Hälfte davon soll in die Impfstoffforschung weltweit fließen, der Rest in die Entwicklung von Diagnostik und Therapien.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat eine internationale Geberkonferenz organisiert. Sie soll rund 7,5 Milliarden Euro mobilisieren. Die Hälfte davon soll in die Impfstoffforschung weltweit fließen, der Rest in die Entwicklung von Diagnostik und Therapien. © dpa | Etienne Ansotte

2. Das weltweite Rennen der Impfstoff-Hersteller um den Durchbruch

Aber bis ein Impfstoff verfügbar ist, dauert es – Schätzungen reichen von Ende des Jahres bis Ende 2021, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht von 12 bis 18 Monaten aus. In über 80 Projekten weltweit wird daran geforscht. Aber erst sieben Vorhaben sind nach Tierversuchen so weit gediehen, dass sie in klinischen Studien der Phase I am Menschen getestet werden können – eines in Deutschland beim Mainzer Unternehmen Biontech, drei in China, zwei in den USA, eines in Großbritannien. So läuft das Rennen um den rettenden Impfstoff

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Aber das heißt nichts: Im Durchschnitt scheitern in den dreistufigen klinischen Tests 60 bis 80 Prozent der Stoffe, so eine Studie des Brüsseler Bruegel-Instituts. Um sicher die Zulassung wenigstens eines Impfstoffes zu erreichen, müssten weltweit 20 bis 40 Projekte klinische Tests starten – mit Kosten von Milliarden.

Da setzt die internationale Geberkonferenz am Montag an, die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen organisiert hat: In einem „Finanzierungsmarathon“ will die Initiative „Coronavirus Global Response“ rund 7,5 Milliarden Euro mobilisieren, die Hälfte davon soll in die Impfstoffforschung weltweit fließen, der Rest in die Entwicklung von Diagnostik und Therapien.

Kanzlerin Angela Merkel, der französische Präsident Emmanuel Macron und andere Co-Gastgeber beschwören vorab eine „beispiellose globale Zusammenarbeit“. Regierungen, Unternehmen, Stiftungen und auch die WHO sind an Bord. Merkel sagt aber, allein für die Entwicklung des Impfstoffs fehlten acht Milliarden Euro. Es wird also weiteres Geld benötigt.

3. Wie bekommt man genug Impfstoff für die ganze Welt?

Theoretisch bräuchte man für die über sieben Milliarden Menschen der Erde, zwei Impfdosen vorausgesetzt, 14 Milliarden Einheiten. Weltweit werden nach Expertenschätzung aber überhaupt nur etwa fünf Milliarden Impfdosen im Jahr hergestellt. Die Kapazitäten reichen also nicht.

Vor allem vier große Pharmakonzerne stehen bereit, die Entwicklung der Biotechfirmen oder eigene Patente umzusetzen: GSK aus Großbritannien, Sanofi (Frankreich) und die beiden US-Firmen Johnson & Johnson und Pfizer. Dazu kommen Firmen aus China und Indien.

Doch wenn sie jetzt auf Corona-Impfstoff umsteigen, droht Knappheit bei anderen Vakzinen. Notwendig sind deshalb Milliardeninvestitionen in mindestens ein halbes Dutzend Fabriken – wegen des Zeitdrucks sollen die gebaut werden, bevor die Tests abschließende Ergebnisse gebracht haben. Ein Teil dieser Investments wird verloren sein.

Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts: „Wir brauchen mehrere Produkte und mehr als einen Hersteller.“
Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts: „Wir brauchen mehrere Produkte und mehr als einen Hersteller.“ © Getty Images | Sean Gallup

Die Unternehmen können oder wollen das nicht allein stemmen. „Die Massenproduktion wird zur zentralen Herausforderung“, warnt der Chef des Pharmariesen Sanofi, Paul Hudson. Auch deshalb sollen nun Regierungen Geld mobilisieren. Von der Leyen sagt: „Wir müssen Kapazitäten aufbauen, den Impfstoff zu produzieren, wenn wir ihn erst einmal haben. Zillionen von Dosen werden gebraucht.“

Die Bundesregierung prüft bereits Abnahmegarantien für Hersteller; Kanzlerin Merkel will bei der Konferenz eine dreistellige Millionensumme für die Forschung zusagen.

Entlastung gäbe es, wenn mehrere Impfstoffe parallel, auch für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen, eingesetzt werden könnten. Der Präsident des für die Zulassung in Deutschland verantwortlichen Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus Cichutek, sagt: „Wir brauchen mehrere Produkte und mehr als einen Hersteller.“

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    4. Verteilungskampf: Wer wird zuerst geimpft?

    Weil Impfstoff zunächst nicht für alle verfügbar sein wird, haben die 20 wichtigen Industriestaaten die WHO schon beauftragt, einen Plan für die gerechte und effiziente Verteilung zu entwerfen. Von der Leyen will das mit der Geberkonferenz vorantreiben, die zugesagten Milliarden sollen sicherstellen, dass die so geförderten Impfstoffe auch weltweit zur Verfügung stehen: „Wir wollen verhindern, dass nur diejenigen sich auf den irgendwann entwickelten Impfstoff stürzen, die sich das leisten können.“

    Der Impfstoff müsse in jeder Ecke der Welt für einen fairen und erschwinglichen Preis verteilt werden. In Deutschland wie international wird diskutiert, medizinisches Personal und Risikogruppen zuerst zu impfen. Aber wer kommt danach? Und vor allem: US-Präsident Donald Trump steht im Verdacht, einen Impfstoff zunächst exklusiv für US-Bürger sichern zu wollen.

    In den USA unterstützt eine Behörde des Gesundheitsministeriums Pharmaunternehmen mit dreistelligen Millionensummen schon bei der Entwicklung von Corona-Vakzin. Bedingung: die Herstellung des Impfstoffs in den USA. Sanofi-Chef Hudson warnt, es könne sein, „dass die amerikanische Regierung dafür sorgt, dass die Amerikaner zuerst geimpft werden“. Dass die USA an der Geberkonferenz nicht teilnehmen, nährt die Sorge vor einem Verteilungskampf.

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