Berlin. Ein Immunitätspass für alle, die Covid-19 überstanden haben? Eine gesetzliche Regelung zum Ausweis für Genesene gibt es vorerst nicht.

Sollten Menschen, die eine Coronavirus-Infektion überstanden haben, einen Immunitätsnachwei bekommen? Die Kritik an diesem Plan schlägt Jens Spahn (CDU) nicht nur aus der Opposition, sondern auch vom Koalitionspartner entgegen. Nun hat der Bundesgesundheitsminister die Pläne zum Ausweis für Covid-19-Genesene vorübergehend auf Eis gelegt. Ausnahmen von den Alltagsbeschränkungen für Menschen, die eine Infektion hinter sich haben, soll es vorerst nicht geben.

Die Pläne für den Nachweis hatten unter anderem eine Debatte darüber ausgelöst, ob die Regelung zu bewussten Infektionen führen könnte, um Einschränkungen in Beruf und Alltag zu umgehen. Der Gesundheitsminister habe nun den Deutschen Ethikrat um eine Stellungnahme zu seinem Vorhaben gebeten, wie er am Montag im bayerischen Penzberg erklärte. Bis zur Antwort sollen keine gesetzlichen Regelungen vorgenommen werden. Dies habe man in der Koalition vereinbart.

Das Gesundheitsministerium wolle nicht länger an einem konkreten Abschnitt in dem Entwurf festhalten, der die Umgehung öffentlicher Beschränkungen mit Immunitätsnachweis beinhalte. Spahn erklärte, einerseits wunderten sich viele Menschen, weshalb sie sich trotz Immunität an die Beschränkungen halten müssen. Andererseits könne eine entsprechende Regelung zu absichtlichen Ansteckungen führen.

Spahn: Immunitätsnachweis „bei anderen Virus-Erkrankungen“ auch vorhanden

Spahn verteidigte dennoch die Idee, auch beim Coronavirus eine Bescheinigung über die Immunität auszustellen. Er wundere sich über die Debatte, ob es grundsätzlich einen Nachweis für die überstandene Infektion geben sollte. „Das haben wir ganz normal bei anderen Virus-Erkrankungen auch.“ Man könne sich vom Arzt jederzeit den Nachweis von Antikörpern etwa gegen Hepatitis und Masern im Impfausweis eintragen lassen. „Wofür er genutzt wird, ist ja erstmal die Entscheidung des Bürgers.“

Regierungssprecher Steffen Seibert betonte, es seien noch viele Fragen offen. Der Grad der Immunisierung der Bevölkerung könne wichtige Informationen zum Infektionsgeschehen liefern. Dies könne auch nützlich für Beschäftigte in der Pflege und im Gesundheitswesen sein. Daher sei es richtig, sich vorausschauend Gedanken zu machen, unter welchen Voraussetzungen solche Nachweise sinnvoll sein könnten.

Mit der Zahl der Menschen, die an Covid-19 erkrankt sind, steigt zeitverzögert auch die Zahl derer, die Covid-19 überstanden haben. Vieles deutet darauf hin, dass sie damit einen Schutz aufgebaut haben und zunächst immun sind. Sicher ist das jedoch noch nicht. Zwar gehen die meisten Wissenschaftler davon aus, sichere Erkenntnisse zur Frage, ob und wie lange es eine mögliche Immunität entsteht, gibt es aber noch nicht.

Corona-Immunitätsausweis: Datenschützer warnt vor Diskriminierung

Zu dem geplanten Immunitätspass war in der vergangenen Woche Kritik lautgeworden. Der Bundesdatenschutzbeauftragte warnte, dass dies zu einer Änderung des Charakters des Impfpasses führe: „Bisher wird darin eine Handlung (die Impfung) dokumentiert, zukünftig wird ein medizinischer Befund bzw. eine ärztliche Bewertung dokumentiert“, schreibt Ulrich Kelber in einer Stellungnahme zu dem Gesetzesentwurf.

Es sei in der aktuellen Lage aber zu befürchten, dass diese Informationen zu einer Diskriminierung der Betroffenen führen könnte, zum Beispiel für den Fall, dass sie eine Immunität nicht nachweisen können.

Der Datenschützer zeigte sich besorgt angesichts von Medienberichten, nach denen zum Beispiel Läden erwägen, die Vorlage einer Immunitätsbescheinigung zu fordern. Kelber schlug deshalb eine Ergänzung des Gesetzentwurfs vor, die klarstellt, dass eine Auskunft über den Immunstatus nur in gesetzlich vorgesehenen Fällen erlaubt ist.

Auch vom Koalitionspartner kommt Kritik für Corona-Immunitätsausweis

Auch politisch waren die Widerstände gegen den Immunitätsausweis groß. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warnte auf Twitter, der Pass könnte diskriminierend wirken und schaffe außerdem gefährliche Anreize: „Viele könnten Ansteckung gezielt suchen, wenn der Pass Vorteile brächte, was fatal wäre.“

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Auch Ricarda Lang, stellvertretende Bundesvorsitzende der Grünen, fürchtet, dass die Ausweise zu gezielten Ansteckungen führen könnten – um wieder zur Arbeit gehen zu können, aus Angst der Menschen um ihren Arbeitsplatz. „Hier wird ein enormes Spaltungspotenzial geschaffen“, schrieb Lang auf Twitter.

SPD-Chefin Saskia Esken äußerte sich ebenfalls ablehnend. Als Forschungsprojekt sei ein Immunitätsnachweis eine gute Sache, schrieb sie am Sonntagabend bei Twitter. Mit dem Gesetz versuche Spahn aber wieder, „den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen“ und gefährde nötiges Vertrauen im Umgang mit Gesundheitsdaten.

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Die Weltgesundheitsorganisation WHO hatte schon vor einigen Tagen vor den sogenannten Immunitätsausweisen gewarnt: Es gebe im Moment keinen Nachweis, dass Menschen, die die Krankheit überstanden haben, vor einer zweiten Infektion geschützt seien. (tma/raer/dpa)

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