Berlin/Brüssel. Die Sorge wächst, dass die Corona-Pandemie den Klimaschutz ausbremst. Die Hoffnungen ruhen jetzt auf der EU – und auf Deutschland.

Freundliche Sonne, kaum Wolken am Himmel und kein Tropfen Regen, so sah in weiten Teilen Deutschlands der April aus. Was Spaziergänger freut, sorgt Bauern und Waldbesitzer. 2020 droht das dritte Jahr in Folge zu werden, in dem es viel zu wenig regnet. Inmitten der Pandemie fühlt sich die Trockenheit an wie eine Erinnerung an die andere, nicht weniger dringliche Krise. Denn auch wenn der globale CO2-Ausstoß wegen Corona nach Einschätzung von Experten wohl kurzzeitig zurückgehen wird – die Klimakrise ist damit keineswegs gelöst.

Daran erinnerte am Wochenende auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Vor dem Start des Petersberger Klimadialogs, der (diesmal) virtuellen Konferenz der Umweltminister aus 30 Ländern, meldete sie sich in ihrem Podcast zu Wort: Wegen der Pandemie werde Deutschlands anstehende EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte „anders ablaufen, als wir uns das vorgenommen hatten“, erklärte Merkel.

Klimafragen werde man „genauso auf der Tagesordnung haben wie die Gesundheitsfragen“. Man müsse sehen, dass man für die „wirtschaftliche Ertüchtigung Europas“ und den sozialen Zusammenhalt etwas tue, so die Kanzlerin, und „dass wir an die Zukunft denken – und das sind die Klima- und Umweltfragen“.

Klimaschutz: 2020 ist ein entscheidendes Jahr

Die sind, vor allem auf der internationalen Ebene, nach wie vor unbeantwortet. Die Ergebnisse des vergangenen Klimagipfels wurden allgemein als enttäuschend bewertet, der nächste Gipfel, der im November in Glasgow hätte stattfinden sollen, ist längst abgesagt.

Dabei soll 2020 ein zentrales Jahr werden im Kampf gegen die Erderhitzung: Zum ersten Mal seit der Unterzeichnung des Pariser Abkommens sollen die beteiligten Staaten ihre Klimaziele erhöhen. Doch bislang ist davon wenig zu sehen. Und die Sorge wächst, dass die Corona-Krise den internationalen Klimaschutz in einem wichtigen Moment ausbremsen könnte.

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Klimaschutz: Die EU-Kommission kämpft um ihre ehrgeizigen Ziele

Viele Augen richten sich deshalb jetzt auf die EU. Mit ambitionierten Klimaschutzplänen hatte sich die Union im vergangen Jahr um die Vorreiterrolle beim Thema beworben. Doch ob sie diese Versprechen jetzt halten kann, ist unklar. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versichert, an ihrem zentralen Projekt des „Green Deal“ werde unverändert festgehalten.

Außerdem soll das EU-Ziel für die Reduktion von CO2-Emissionen bis 2030 von 40 Prozent auf 50 oder sogar auf 55 Prozent erhöht werden (im Vergleich zu 1990). Den entsprechenden Vorschlag will die Kommission im Spätsommer vorlegen. Um Entschlossenheit trotz Corona zu demonstrieren, hat die Kommission gerade ein Anhörungsverfahren gestartet, in dem viele Interessengruppen ihre Position erläutern können.

Indes: Durch die Absage der nächsten Klimakonferenz ist ein Teil des Drucks entfallen, schnell etwas vorzulegen; ausdrücklich heißt es im Entwurf für ein neues Arbeitsprogramm, das am Mittwoch verabschiedet werden soll, es könnte bei den Klimazielen „zusätzliche Zeit für eine komplexe analytische Prüfung eingeräumt werden“.

Wirtschaftslobbyisten machen mobil gegen Klimaschutz

In einigen EU-Mitgliedstaaten rumort es schon. Der tschechische Premierminister Andrej Babiš verlangt, auf das Green-Deal-Projekt in dieser Form zu verzichten. Ähnliche Erwartungen kommen auch von der polnischen Regierung. Wirtschaftsverbände gehen diplomatischer vor und bekennen sich formal zum Green Deal – aber reihenweise klopfen jetzt Wirtschaftslobbyisten in Brüssel an mit der Bitte, das eine oder andere Vorhaben des Klimaschutz-Paktes noch zu überdenken, da jetzt die Industrie ganz andere Belastungen habe. Die europäische Autoindustrie warnte in einem Schreiben an die Kommission, weitere Verschärfungen in ihrem Sektor seien nicht zu verkraften.

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Von der Leyen wehrt Bedenken bislang ab. Die Corona-Krise sei eine „gewaltige Chance für den Klimaschutz“, sagt sie. Mit den geplanten Programmen gegen die Wirtschaftskrise habe die EU die Möglichkeit, Milliarden in Unternehmen und Umweltschutz zu investieren. „Warum nicht gleich in klimafreundliche Projekte?“ Rückendeckung kommt vom EU-Parlament, das in einer Resolution fordert, den Klimaschutz ins Zentrum des Wiederaufbaufonds zu stellen. Doch erste Projekte des Green Deal – die Förderung von Bio-Treibstoffen für Flugzeuge und Schiffe, bessere Anpassung an den Klimawandel – sind bereits verschoben.

Umweltministerin Schulze sieht positive Signale aus China

Beim Bundesumweltministerium gibt man sich trotzdem optimistisch und setzt auf die Signalwirkung des Petersberger Treffens. „Für uns wichtig ist, dass die kommenden Konjunkturprogramme so gestaltet werden, dass sie Arbeitsplätze, Innovation und Klimaschutz zugleich voranbringen“, betont Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) gegenüber unserer Redaktion. Es wäre gut, wenn diese Botschaft auf dem Dialog von vielen unterstrichen werde. „Wir sehen da positive Signale aus wichtigen Ländern“, so Schulze. „China zum Beispiel denkt über grüne Konjunkturpakete nach.“

Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) setzt auf die Signalwirkung des Petersberger Dialogs.
Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) setzt auf die Signalwirkung des Petersberger Dialogs. © AFP | FABRIZIO BENSCH

Dass der Klimadialog an diesem Montag und Dienstag überhaupt stattfindet, sei ein gutes Signal, sagt auch Oliver Geden, Experte für Klimapolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. „Das zeigt zumindest, dass die politischen Spitzen das Thema nach wie vor ernstnehmen und es nicht einfach von der Agenda verschwindet.“ Dass die Kanzlerin in der Frage des EU-Ziels bei ihrer Rede am Dienstag so deutlich wird, wie es Klimaschützer hoffen, glaubt er aber nicht. „Sie kann da jetzt wohl keine konkrete Zahl nennen, das würde ihr später schaden wenn es darum geht, Kompromisse zu organisieren.“ Dann nämlich, wenn am 1. Juli die deutsche Ratspräsidentschaft beginnt.

Auch 2020 wird wieder zum Stresstest für die Wälder

Schon jetzt ist sichtbar, wie fatal es wäre, wenn der Klimaschutz durch Corona weit zurückgeworfen würde: Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) warnt gegenüber unserer Redaktion, dass nach einem Winter, der bereits zu mild gewesen sei, es in den vergangenen Wochen in vielen Regionen zu wenig Niederschlag gegeben habe. „Unsere Wälder“, sagte Klöckner, „sind einem riesigen Stresstest ausgesetzt.“