Brüssel. Die EU-Regierungschefs bringen einen Billionenfonds gegen die Corona-Wirtschaftskrise auf den Weg. Was kommt damit auf Deutschland zu?

Mit einem beispiellosen Konjunkturprogramm in Billionenhöhe will die EU die Wirtschaft in besonders von der Corona-Krise betroffenen Mitgliedstaaten wieder in Schwung bringen. Details des Aufbaufonds sind allerdings umstritten und blieben bei einem Videogipfel der EU-Regierungschefs am Donnerstag ungeklärt.

Stattdessen wurde die EU-Kommission beauftragt, jetzt einen entsprechenden Vorschlag vorzulegen - ein heftiger Streit der Mitgliedstaaten um das Ausmaß der Solidarität in Europa ist damit nur vertagt.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, der Fonds solle nach ihren Plänen mit dem EU-Haushalt verbunden sein und einerseits Zuschüsse vergeben, andererseits auch Kredite gewähren, die von den Empfängerstaaten zurückgezahlt werden müssten. Gegen großzügige Zuschüsse ohne Rückzahlungspflichten, die sich besonders betroffene Länder wie Italien und Spanien erhoffen, wehren sich allerdings Deutschland und andere EU-Mitglieder.

Unklar ist das genaue Volumen, weil die Kommission jetzt erst noch den Bedarf ermitteln will; im Gespräch ist ein Betrag von 1 bis 2 Billionen Euro. „Es geht nicht um Milliarden, sondern um Billionen“, stellte von der Leyen klar. Sie sprach offen eine Sorge in den EU-Staaten an, die ein Grund für das ehrgeizige Vorhaben ist: Die wirtschaftliche Erholung in der EU werde ohne ein solches Programm nicht „symmetrisch“ verlaufen. Die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten würden sich „noch verstärken“, warnte die Präsidentin.

Deutschlands Rettungspaket ist besonders groß

Dahinter steckt die Vermutung, dass vor allem Deutschland nach der Krise im Europavergleich noch stärker dasteht als bisher, weil es jetzt dank seiner guten Haushaltslage mehr einsetzen kann als andere - und dass hoch verschuldete Staaten wie Italien andererseits mangels Spielraum weiter abrutschen. In vielen Mitgliedstaaten wird registriert, dass Deutschland innerhalb der EU einen enormen Vorsprung hat, was Hilfen für die heimische Wirtschaft angeht.

Rund 20 Prozent seiner jährlichen Wirtschaftskraft, über 750 Milliarden Euro, lässt sich der deutsche Staat den Rettungseinsatz kosten, alle Kreditgarantien eingeschlossen sind es sogar fast 60 Prozent, rechnete das Brüsseler Bruegel-Institut soeben in einer Analyse vor.

EU-Ratsprädient Charles Michel fordert in der Corona-Krise, dass nicht nur reiche Länder genug Geld für den Wiederaufbau der Wirtschaft haben.
EU-Ratsprädient Charles Michel fordert in der Corona-Krise, dass nicht nur reiche Länder genug Geld für den Wiederaufbau der Wirtschaft haben. © AFP | Olivier Hoslet

Das viel stärker betroffene, aber hoch verschuldete Italien mobilisiert dagegen bislang, je nach Berechnung, nur 14 Prozent seines Bruttosozialprodukts als Corona-Hilfe, mit allen Garantien sind es 28 Prozent; Frankreich kommt auf ähnliche Werte, Spanien riskiert noch viel weniger Geld.

„Wir müssen sicherstellen, dass nicht nur die reichen Länder, sondern alle genug Geld für den Wiederaufbau haben“, fordert EU-Ratspräsident Charles Michel. Sein Vorgänger Donald Tusk hatte es deutlicher gesagt: „Der Wettbewerbsvorteil Deutschlands gegenüber anderen EU-Ländern wird nach der Krise noch größer sein als zuvor.“ Das empfänden viele als ungerecht. Eurogruppen-Chef Mario Centeno verlangt ebenfalls eine gleichmäßige Verteilung von Chancen und Risiken für alle Mitgliedstaaten beim Wiederaufbau.

Lagarde warnt vor Wirtschaftsrückgang um 15 Prozent

Noch nicht beschlossen ist die Finanzierung des Aufbaufonds. Kanzlerin Angela Merkel hatte es wie ihre Kollegen aus den Niederlanden, Österreich und Finnland erneut abgelehnt, dass die EU-Staaten für diesen Fonds gemeinschaftliche Schulden in Form von Corona-Bonds aufnehmen. Merkel sagte aber unmittelbar vor dem Gipfel zu, Deutschland sei zu „deutlich höheren Beiträgen“ zum EU-Haushalt bereit. Die Summe ließ sie offen.

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    Nach dem geltenden Verteilungsschlüssel dürften auf Deutschland Verpflichtungen in dreistelliger Milliardenhöhe zukommen, überwiegend als Kreditgarantien. Von der Leyen will einen genaueren Vorschlag nun etwa Mitte Mai vorlegen, Entscheidungen auf EU-Ebene werden nach Einschätzung von Diplomaten in Brüssel frühestens im Juni oder Juli fallen.

    Der Fonds wäre dann 2021 einsatzbereit. Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, drängte die Regierungschefs aber zum zügigen Handeln. Es bestehe das Risiko für Europa, „zu wenig und zu spät zu handeln.“ Die Wirtschaft in der Eurozone könne dieses Jahr um bis zu 15 Prozent einbrechen, warnte Lagarde.